Beschränkung der Staatsgewalt auf der einen, den positiven Rechten, und der großen Macht der Communen auf der an- dern Seite und der Menge einzelner Privilegien das Prin- zip der Stabilität -- ein durch besondere Berechtigungen und gegenseitige Beschränkung fixirtes Staatswesen -- auf das stärkste dargestellt haben.
In dem Venezianischen ist man sehr weit darin ge- kommen: um vieles weniger in dem Kirchenstaat.
Es liegt das schon in dem ursprünglichen Unterschied der Regierungsformen. In Venedig war es eine erbliche, sich selbst regierende Corporation, welche die Regierungs- rechte als ihr Eigenthum ansah. Die römische Curie war dagegen höchst beweglich: nach jedem neuen Conclave stie- ßen neue Elemente dazu; die Landsleute der verschiedenen Päpste bekamen allemal einen großen Antheil an den Ge- schäften. Dort ging jede Wahl zu einer Stelle in der Verwaltung von der Corporation selber aus: hier hing sie von der Gunst des Oberhauptes ab. Dort wurden die Regierenden durch strenge Gesetze, scharfe Aufsicht und Syn- dication in Zaum gehalten: hier wurde die Persönlichkeit weniger durch Furcht vor der Strafe, als durch Hoffnung auf Beförderung, die indeß doch sehr von Gunst und Wohl- wollen abhing, eingeschränkt, und behauptete einen weite- ren Spielraum.
Auch hatte sich die päpstliche Regierung von allem An- fang eine freiere Stellung ausbedungen.
In dieser Hinsicht giebt es ein merkwürdiges Resul- tat, wenn man irgendwo römische Zugeständnisse mit vene- zianischen vergleicht. Unter andern ist das bei Faenza
BuchIV.Staat und Hof.
Beſchraͤnkung der Staatsgewalt auf der einen, den poſitiven Rechten, und der großen Macht der Communen auf der an- dern Seite und der Menge einzelner Privilegien das Prin- zip der Stabilitaͤt — ein durch beſondere Berechtigungen und gegenſeitige Beſchraͤnkung fixirtes Staatsweſen — auf das ſtaͤrkſte dargeſtellt haben.
In dem Venezianiſchen iſt man ſehr weit darin ge- kommen: um vieles weniger in dem Kirchenſtaat.
Es liegt das ſchon in dem urſpruͤnglichen Unterſchied der Regierungsformen. In Venedig war es eine erbliche, ſich ſelbſt regierende Corporation, welche die Regierungs- rechte als ihr Eigenthum anſah. Die roͤmiſche Curie war dagegen hoͤchſt beweglich: nach jedem neuen Conclave ſtie- ßen neue Elemente dazu; die Landsleute der verſchiedenen Paͤpſte bekamen allemal einen großen Antheil an den Ge- ſchaͤften. Dort ging jede Wahl zu einer Stelle in der Verwaltung von der Corporation ſelber aus: hier hing ſie von der Gunſt des Oberhauptes ab. Dort wurden die Regierenden durch ſtrenge Geſetze, ſcharfe Aufſicht und Syn- dication in Zaum gehalten: hier wurde die Perſoͤnlichkeit weniger durch Furcht vor der Strafe, als durch Hoffnung auf Befoͤrderung, die indeß doch ſehr von Gunſt und Wohl- wollen abhing, eingeſchraͤnkt, und behauptete einen weite- ren Spielraum.
Auch hatte ſich die paͤpſtliche Regierung von allem An- fang eine freiere Stellung ausbedungen.
In dieſer Hinſicht giebt es ein merkwuͤrdiges Reſul- tat, wenn man irgendwo roͤmiſche Zugeſtaͤndniſſe mit vene- zianiſchen vergleicht. Unter andern iſt das bei Faenza
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Buch IV. Staat und Hof.
Beſchraͤnkung der Staatsgewalt auf der einen, den poſitiven
Rechten, und der großen Macht der Communen auf der an-
dern Seite und der Menge einzelner Privilegien das Prin-
zip der Stabilitaͤt — ein durch beſondere Berechtigungen
und gegenſeitige Beſchraͤnkung fixirtes Staatsweſen — auf
das ſtaͤrkſte dargeſtellt haben.
In dem Venezianiſchen iſt man ſehr weit darin ge-
kommen: um vieles weniger in dem Kirchenſtaat.
Es liegt das ſchon in dem urſpruͤnglichen Unterſchied
der Regierungsformen. In Venedig war es eine erbliche,
ſich ſelbſt regierende Corporation, welche die Regierungs-
rechte als ihr Eigenthum anſah. Die roͤmiſche Curie war
dagegen hoͤchſt beweglich: nach jedem neuen Conclave ſtie-
ßen neue Elemente dazu; die Landsleute der verſchiedenen
Paͤpſte bekamen allemal einen großen Antheil an den Ge-
ſchaͤften. Dort ging jede Wahl zu einer Stelle in der
Verwaltung von der Corporation ſelber aus: hier hing ſie
von der Gunſt des Oberhauptes ab. Dort wurden die
Regierenden durch ſtrenge Geſetze, ſcharfe Aufſicht und Syn-
dication in Zaum gehalten: hier wurde die Perſoͤnlichkeit
weniger durch Furcht vor der Strafe, als durch Hoffnung
auf Befoͤrderung, die indeß doch ſehr von Gunſt und Wohl-
wollen abhing, eingeſchraͤnkt, und behauptete einen weite-
ren Spielraum.
Auch hatte ſich die paͤpſtliche Regierung von allem An-
fang eine freiere Stellung ausbedungen.
In dieſer Hinſicht giebt es ein merkwuͤrdiges Reſul-
tat, wenn man irgendwo roͤmiſche Zugeſtaͤndniſſe mit vene-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/412>, abgerufen am 18.05.2024.
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