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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.
Beschränkung der Staatsgewalt auf der einen, den positiven
Rechten, und der großen Macht der Communen auf der an-
dern Seite und der Menge einzelner Privilegien das Prin-
zip der Stabilität -- ein durch besondere Berechtigungen
und gegenseitige Beschränkung fixirtes Staatswesen -- auf
das stärkste dargestellt haben.

In dem Venezianischen ist man sehr weit darin ge-
kommen: um vieles weniger in dem Kirchenstaat.

Es liegt das schon in dem ursprünglichen Unterschied
der Regierungsformen. In Venedig war es eine erbliche,
sich selbst regierende Corporation, welche die Regierungs-
rechte als ihr Eigenthum ansah. Die römische Curie war
dagegen höchst beweglich: nach jedem neuen Conclave stie-
ßen neue Elemente dazu; die Landsleute der verschiedenen
Päpste bekamen allemal einen großen Antheil an den Ge-
schäften. Dort ging jede Wahl zu einer Stelle in der
Verwaltung von der Corporation selber aus: hier hing sie
von der Gunst des Oberhauptes ab. Dort wurden die
Regierenden durch strenge Gesetze, scharfe Aufsicht und Syn-
dication in Zaum gehalten: hier wurde die Persönlichkeit
weniger durch Furcht vor der Strafe, als durch Hoffnung
auf Beförderung, die indeß doch sehr von Gunst und Wohl-
wollen abhing, eingeschränkt, und behauptete einen weite-
ren Spielraum.

Auch hatte sich die päpstliche Regierung von allem An-
fang eine freiere Stellung ausbedungen.

In dieser Hinsicht giebt es ein merkwürdiges Resul-
tat, wenn man irgendwo römische Zugeständnisse mit vene-
zianischen vergleicht. Unter andern ist das bei Faenza

Buch IV. Staat und Hof.
Beſchraͤnkung der Staatsgewalt auf der einen, den poſitiven
Rechten, und der großen Macht der Communen auf der an-
dern Seite und der Menge einzelner Privilegien das Prin-
zip der Stabilitaͤt — ein durch beſondere Berechtigungen
und gegenſeitige Beſchraͤnkung fixirtes Staatsweſen — auf
das ſtaͤrkſte dargeſtellt haben.

In dem Venezianiſchen iſt man ſehr weit darin ge-
kommen: um vieles weniger in dem Kirchenſtaat.

Es liegt das ſchon in dem urſpruͤnglichen Unterſchied
der Regierungsformen. In Venedig war es eine erbliche,
ſich ſelbſt regierende Corporation, welche die Regierungs-
rechte als ihr Eigenthum anſah. Die roͤmiſche Curie war
dagegen hoͤchſt beweglich: nach jedem neuen Conclave ſtie-
ßen neue Elemente dazu; die Landsleute der verſchiedenen
Paͤpſte bekamen allemal einen großen Antheil an den Ge-
ſchaͤften. Dort ging jede Wahl zu einer Stelle in der
Verwaltung von der Corporation ſelber aus: hier hing ſie
von der Gunſt des Oberhauptes ab. Dort wurden die
Regierenden durch ſtrenge Geſetze, ſcharfe Aufſicht und Syn-
dication in Zaum gehalten: hier wurde die Perſoͤnlichkeit
weniger durch Furcht vor der Strafe, als durch Hoffnung
auf Befoͤrderung, die indeß doch ſehr von Gunſt und Wohl-
wollen abhing, eingeſchraͤnkt, und behauptete einen weite-
ren Spielraum.

Auch hatte ſich die paͤpſtliche Regierung von allem An-
fang eine freiere Stellung ausbedungen.

In dieſer Hinſicht giebt es ein merkwuͤrdiges Reſul-
tat, wenn man irgendwo roͤmiſche Zugeſtaͤndniſſe mit vene-
zianiſchen vergleicht. Unter andern iſt das bei Faenza

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[386/0412] Buch IV. Staat und Hof. Beſchraͤnkung der Staatsgewalt auf der einen, den poſitiven Rechten, und der großen Macht der Communen auf der an- dern Seite und der Menge einzelner Privilegien das Prin- zip der Stabilitaͤt — ein durch beſondere Berechtigungen und gegenſeitige Beſchraͤnkung fixirtes Staatsweſen — auf das ſtaͤrkſte dargeſtellt haben. In dem Venezianiſchen iſt man ſehr weit darin ge- kommen: um vieles weniger in dem Kirchenſtaat. Es liegt das ſchon in dem urſpruͤnglichen Unterſchied der Regierungsformen. In Venedig war es eine erbliche, ſich ſelbſt regierende Corporation, welche die Regierungs- rechte als ihr Eigenthum anſah. Die roͤmiſche Curie war dagegen hoͤchſt beweglich: nach jedem neuen Conclave ſtie- ßen neue Elemente dazu; die Landsleute der verſchiedenen Paͤpſte bekamen allemal einen großen Antheil an den Ge- ſchaͤften. Dort ging jede Wahl zu einer Stelle in der Verwaltung von der Corporation ſelber aus: hier hing ſie von der Gunſt des Oberhauptes ab. Dort wurden die Regierenden durch ſtrenge Geſetze, ſcharfe Aufſicht und Syn- dication in Zaum gehalten: hier wurde die Perſoͤnlichkeit weniger durch Furcht vor der Strafe, als durch Hoffnung auf Befoͤrderung, die indeß doch ſehr von Gunſt und Wohl- wollen abhing, eingeſchraͤnkt, und behauptete einen weite- ren Spielraum. Auch hatte ſich die paͤpſtliche Regierung von allem An- fang eine freiere Stellung ausbedungen. In dieſer Hinſicht giebt es ein merkwuͤrdiges Reſul- tat, wenn man irgendwo roͤmiſche Zugeſtaͤndniſſe mit vene- zianiſchen vergleicht. Unter andern iſt das bei Faenza

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/412>, abgerufen am 24.11.2024.