Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh. waltsamkeit von der Neigung zu seinen Anverwandten los-riß: endlich war er entschlossen. Am 27. Januar berief er ein Consistorium: mit leidenschaftlicher Bewegung stellte er das schlechte Leben seiner Neffen vor: er rief Gott und Welt und Menschen zu Zeugen an, daß er nie darum ge- wußt, daß er immer betrogen worden. Er sprach ihnen ihre Aemter ab, und verwies sie sammt ihren Familien nach verschiedenen entfernten Ortschaften. Die Mutter der Ne- poten, 70 Jahr alt, von Krankheiten gebeugt, persönlich ohne Schuld, warf sich ihm zu Füßen, als er in den Pal- last ging: mit scharfen Worten schritt er vorüber. Eben kam die junge Marchesa Montebello aus Neapel: sie fand ihren Pallast verschlossen: in keinem Wirthshause wollte man sie aufnehmen: in der regnerischen Nacht fuhr sie von einem zu dem andern, bis ihr endlich ein entfernt wohnen- der Gastwirth, dem man keine Befehle zukommen lassen, noch einmal Herberge gab. Vergebens erbot sich Cardinal Caraffa sich ins Gefängniß zu stellen und Rechenschaft ab- zulegen. Die Schweizergarde bekam Befehl, nicht allein ihn, sondern alle, die irgend in seinem Dienste gewesen, zurückzuweisen. Nur eine einzige Ausnahme machte der Papst. Den Sohn Montorio's, den er liebte, den er schon in seinem 18ten Jahre zum Cardinal ernannt, be- hielt er bei sich und betete mit ihm seine Horen. Aber niemals durfte der junge Mensch der Verwiesenen erwäh- nen: wie viel weniger eine Fürbitte für sie wagen: er durfte selbst mit seinem Vater keine Gemeinschaft haben: das Unglück, das sein Haus erlitten, ergriff ihn darum nur um so tiefer: was ihm nicht in Worten auszudrücken Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. waltſamkeit von der Neigung zu ſeinen Anverwandten los-riß: endlich war er entſchloſſen. Am 27. Januar berief er ein Conſiſtorium: mit leidenſchaftlicher Bewegung ſtellte er das ſchlechte Leben ſeiner Neffen vor: er rief Gott und Welt und Menſchen zu Zeugen an, daß er nie darum ge- wußt, daß er immer betrogen worden. Er ſprach ihnen ihre Aemter ab, und verwies ſie ſammt ihren Familien nach verſchiedenen entfernten Ortſchaften. Die Mutter der Ne- poten, 70 Jahr alt, von Krankheiten gebeugt, perſoͤnlich ohne Schuld, warf ſich ihm zu Fuͤßen, als er in den Pal- laſt ging: mit ſcharfen Worten ſchritt er voruͤber. Eben kam die junge Marcheſa Montebello aus Neapel: ſie fand ihren Pallaſt verſchloſſen: in keinem Wirthshauſe wollte man ſie aufnehmen: in der regneriſchen Nacht fuhr ſie von einem zu dem andern, bis ihr endlich ein entfernt wohnen- der Gaſtwirth, dem man keine Befehle zukommen laſſen, noch einmal Herberge gab. Vergebens erbot ſich Cardinal Caraffa ſich ins Gefaͤngniß zu ſtellen und Rechenſchaft ab- zulegen. Die Schweizergarde bekam Befehl, nicht allein ihn, ſondern alle, die irgend in ſeinem Dienſte geweſen, zuruͤckzuweiſen. Nur eine einzige Ausnahme machte der Papſt. Den Sohn Montorio’s, den er liebte, den er ſchon in ſeinem 18ten Jahre zum Cardinal ernannt, be- hielt er bei ſich und betete mit ihm ſeine Horen. Aber niemals durfte der junge Menſch der Verwieſenen erwaͤh- nen: wie viel weniger eine Fuͤrbitte fuͤr ſie wagen: er durfte ſelbſt mit ſeinem Vater keine Gemeinſchaft haben: das Ungluͤck, das ſein Haus erlitten, ergriff ihn darum nur um ſo tiefer: was ihm nicht in Worten auszudruͤcken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0326" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/> waltſamkeit von der Neigung zu ſeinen Anverwandten los-<lb/> riß: endlich war er entſchloſſen. Am 27. Januar berief<lb/> er ein Conſiſtorium: mit leidenſchaftlicher Bewegung ſtellte<lb/> er das ſchlechte Leben ſeiner Neffen vor: er rief Gott und<lb/> Welt und Menſchen zu Zeugen an, daß er nie darum ge-<lb/> wußt, daß er immer betrogen worden. Er ſprach ihnen<lb/> ihre Aemter ab, und verwies ſie ſammt ihren Familien nach<lb/> verſchiedenen entfernten Ortſchaften. 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Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
waltſamkeit von der Neigung zu ſeinen Anverwandten los-
riß: endlich war er entſchloſſen. Am 27. Januar berief
er ein Conſiſtorium: mit leidenſchaftlicher Bewegung ſtellte
er das ſchlechte Leben ſeiner Neffen vor: er rief Gott und
Welt und Menſchen zu Zeugen an, daß er nie darum ge-
wußt, daß er immer betrogen worden. Er ſprach ihnen
ihre Aemter ab, und verwies ſie ſammt ihren Familien nach
verſchiedenen entfernten Ortſchaften. Die Mutter der Ne-
poten, 70 Jahr alt, von Krankheiten gebeugt, perſoͤnlich
ohne Schuld, warf ſich ihm zu Fuͤßen, als er in den Pal-
laſt ging: mit ſcharfen Worten ſchritt er voruͤber. Eben
kam die junge Marcheſa Montebello aus Neapel: ſie fand
ihren Pallaſt verſchloſſen: in keinem Wirthshauſe wollte
man ſie aufnehmen: in der regneriſchen Nacht fuhr ſie von
einem zu dem andern, bis ihr endlich ein entfernt wohnen-
der Gaſtwirth, dem man keine Befehle zukommen laſſen,
noch einmal Herberge gab. Vergebens erbot ſich Cardinal
Caraffa ſich ins Gefaͤngniß zu ſtellen und Rechenſchaft ab-
zulegen. Die Schweizergarde bekam Befehl, nicht allein
ihn, ſondern alle, die irgend in ſeinem Dienſte geweſen,
zuruͤckzuweiſen. Nur eine einzige Ausnahme machte der
Papſt. Den Sohn Montorio’s, den er liebte, den er
ſchon in ſeinem 18ten Jahre zum Cardinal ernannt, be-
hielt er bei ſich und betete mit ihm ſeine Horen. Aber
niemals durfte der junge Menſch der Verwieſenen erwaͤh-
nen: wie viel weniger eine Fuͤrbitte fuͤr ſie wagen: er
durfte ſelbſt mit ſeinem Vater keine Gemeinſchaft haben:
das Ungluͤck, das ſein Haus erlitten, ergriff ihn darum
nur um ſo tiefer: was ihm nicht in Worten auszudruͤcken
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