Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Paul IV. Aufklärungen werden nicht gemangelt haben. Dergestalt,bereits mit Unwillen und Mißvergnügen erfüllt, ging der Papst am 9. Januar in die Versammlung der Inquisition. Er kam auf jenen nächtlichen Tumult zu sprechen, schalt heftig auf den Cardinal Monte, drohte ihn zu bestrafen, und donnerte immer: Reform, Reform. Die sonst so schweigsamen Cardinäle hatten jetzt Muth bekommen. "Hei- liger Vater," unterbrach ihn Cardinal Pacheco, "die Re- form müssen wir bei uns selber anfangen." Der Papst verstummte. Das Wort traf sein Herz: die in ihm gäh- renden, sich bildenden Ueberzeugungen brachte es ihm zum Bewußtseyn. Er ließ die Sache des Monte unbeendigt: in verzehrendem Ingrimm ging er auf sein Wohnzimmer. Er stellte unverweilt genaue Nachforschungen an. Nach- dem er sogleich befohlen, daß auf des Cardinal Caraffa Anordnung nichts mehr auszufertigen sey, ließ er ihm seine Papiere abfordern; Cardinal Vitellozzo Vitelli, der in dem Rufe stand, die Geheimnisse der Caraffas zu kennen, mußte schwören, alles entdecken zu wollen, was er davon wisse: Camillo Orsino ward zu dem nemlichen Zweck von seinem Landgut hereinbeschieden: die strenge Partei, die lange dem Treiben der Nepoten mit Unmuth zugesehen, erhob sich jetzt: der alte Theatiner, Don Hieremia, den man für heilig hielt, war Stundenlang in den päpstlichen Gemächern: der Papst erfuhr Dinge, die er nie geahndet hatte, die ihm Entsetzen und Grauen erregten. Er gerieth in die größte Bewegung: er mochte weder essen noch schla- fen: zehn Tage lang war er in Fieber und Krankheit: merkwürdig auf immer ein Papst, der sich mit innerer Ge- Paul IV. Aufklaͤrungen werden nicht gemangelt haben. Dergeſtalt,bereits mit Unwillen und Mißvergnuͤgen erfuͤllt, ging der Papſt am 9. Januar in die Verſammlung der Inquiſition. Er kam auf jenen naͤchtlichen Tumult zu ſprechen, ſchalt heftig auf den Cardinal Monte, drohte ihn zu beſtrafen, und donnerte immer: Reform, Reform. Die ſonſt ſo ſchweigſamen Cardinaͤle hatten jetzt Muth bekommen. „Hei- liger Vater,“ unterbrach ihn Cardinal Pacheco, „die Re- form muͤſſen wir bei uns ſelber anfangen.“ Der Papſt verſtummte. Das Wort traf ſein Herz: die in ihm gaͤh- renden, ſich bildenden Ueberzeugungen brachte es ihm zum Bewußtſeyn. Er ließ die Sache des Monte unbeendigt: in verzehrendem Ingrimm ging er auf ſein Wohnzimmer. Er ſtellte unverweilt genaue Nachforſchungen an. Nach- dem er ſogleich befohlen, daß auf des Cardinal Caraffa Anordnung nichts mehr auszufertigen ſey, ließ er ihm ſeine Papiere abfordern; Cardinal Vitellozzo Vitelli, der in dem Rufe ſtand, die Geheimniſſe der Caraffas zu kennen, mußte ſchwoͤren, alles entdecken zu wollen, was er davon wiſſe: Camillo Orſino ward zu dem nemlichen Zweck von ſeinem Landgut hereinbeſchieden: die ſtrenge Partei, die lange dem Treiben der Nepoten mit Unmuth zugeſehen, erhob ſich jetzt: der alte Theatiner, Don Hieremia, den man fuͤr heilig hielt, war Stundenlang in den paͤpſtlichen Gemaͤchern: der Papſt erfuhr Dinge, die er nie geahndet hatte, die ihm Entſetzen und Grauen erregten. Er gerieth in die groͤßte Bewegung: er mochte weder eſſen noch ſchla- fen: zehn Tage lang war er in Fieber und Krankheit: merkwuͤrdig auf immer ein Papſt, der ſich mit innerer Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0325" n="299"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Paul</hi><hi rendition="#aq">IV.</hi></fw><lb/> Aufklaͤrungen werden nicht gemangelt haben. Dergeſtalt,<lb/> bereits mit Unwillen und Mißvergnuͤgen erfuͤllt, ging der<lb/> Papſt am 9. Januar in die Verſammlung der Inquiſition.<lb/> Er kam auf jenen naͤchtlichen Tumult zu ſprechen, ſchalt<lb/> heftig auf den Cardinal Monte, drohte ihn zu beſtrafen,<lb/> und donnerte immer: Reform, Reform. Die ſonſt ſo<lb/> ſchweigſamen Cardinaͤle hatten jetzt Muth bekommen. „Hei-<lb/> liger Vater,“ unterbrach ihn Cardinal Pacheco, „die Re-<lb/> form muͤſſen wir bei uns ſelber anfangen.“ Der Papſt<lb/> verſtummte. 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Paul IV.
Aufklaͤrungen werden nicht gemangelt haben. Dergeſtalt,
bereits mit Unwillen und Mißvergnuͤgen erfuͤllt, ging der
Papſt am 9. Januar in die Verſammlung der Inquiſition.
Er kam auf jenen naͤchtlichen Tumult zu ſprechen, ſchalt
heftig auf den Cardinal Monte, drohte ihn zu beſtrafen,
und donnerte immer: Reform, Reform. Die ſonſt ſo
ſchweigſamen Cardinaͤle hatten jetzt Muth bekommen. „Hei-
liger Vater,“ unterbrach ihn Cardinal Pacheco, „die Re-
form muͤſſen wir bei uns ſelber anfangen.“ Der Papſt
verſtummte. Das Wort traf ſein Herz: die in ihm gaͤh-
renden, ſich bildenden Ueberzeugungen brachte es ihm zum
Bewußtſeyn. Er ließ die Sache des Monte unbeendigt:
in verzehrendem Ingrimm ging er auf ſein Wohnzimmer.
Er ſtellte unverweilt genaue Nachforſchungen an. Nach-
dem er ſogleich befohlen, daß auf des Cardinal Caraffa
Anordnung nichts mehr auszufertigen ſey, ließ er ihm ſeine
Papiere abfordern; Cardinal Vitellozzo Vitelli, der in dem
Rufe ſtand, die Geheimniſſe der Caraffas zu kennen,
mußte ſchwoͤren, alles entdecken zu wollen, was er davon
wiſſe: Camillo Orſino ward zu dem nemlichen Zweck von
ſeinem Landgut hereinbeſchieden: die ſtrenge Partei, die
lange dem Treiben der Nepoten mit Unmuth zugeſehen,
erhob ſich jetzt: der alte Theatiner, Don Hieremia, den
man fuͤr heilig hielt, war Stundenlang in den paͤpſtlichen
Gemaͤchern: der Papſt erfuhr Dinge, die er nie geahndet
hatte, die ihm Entſetzen und Grauen erregten. Er gerieth
in die groͤßte Bewegung: er mochte weder eſſen noch ſchla-
fen: zehn Tage lang war er in Fieber und Krankheit:
merkwuͤrdig auf immer ein Papſt, der ſich mit innerer Ge-
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