Wie dem auch sey, so viel ist gewiß, daß er an sich hielt und seinen Ingrimm verbarg. Die Farnesen sahen selbst nicht ungern, daß der Kaiser Siena einnahm: sie hofften, er werde es ihnen für ihre Verluste einräumen. Die seltsamsten Vorschläge wurden hieran geknüpft. "Ver- stehe sich der Kaiser hierzu," sagte man Mendoza'n, "so müsse der Papst das Concil nach Trient zurückbringen, und hier nicht allein sonst nach den Wünschen des Kai- sers verfahren, -- z. B. dessen Recht an Burgund feierlich anerkennen lassen -- sondern Carl V. zu seinem Nachfolger auf dem päpstlichen Stuhle erklären. Denn, sagten sie, Deutschland hat ein kaltes Clima, Italien ein warmes: für die Gicht, an der der Kaiser leidet, sind die warmen Länder gesünder" 1). Ich will nicht behaupten, daß es ihnen damit Ernst gewesen: der alte Papst lebte des Glaubens, der Kaiser werde noch vor ihm sterben: aber man sieht, auf wie bedenkliche, von der gewöhnlichen Ordnung der Dinge weit abweichende Pfade ihre Politik sich gewagt hatte.
Den Franzosen entgingen ihre Bewegungen, ihre Un- terhandlungen mit dem Kaiser nicht. Von dem Connetable Montmorency haben wir einen Brief voller Entrüstung, in dem er unverholen von "Heucheleien, Lügen, ja von wahr- haft schlechten Streichen" redet, die man zu Rom gegen den König von Frankreich ausübe 2).
1) Der Cardinal Gambara machte Mendoza'n, bei einer ge- heimen Zusammenkunft in einer Kirche, diesen Antrag. Er sagte wenigstens, que havia scripto al Papa algo desto y no lo havia tomado mal.
2)Le connestable au roi 1 Sept. 1548 (Ribier II, 155).
PaulIII.
Wie dem auch ſey, ſo viel iſt gewiß, daß er an ſich hielt und ſeinen Ingrimm verbarg. Die Farneſen ſahen ſelbſt nicht ungern, daß der Kaiſer Siena einnahm: ſie hofften, er werde es ihnen fuͤr ihre Verluſte einraͤumen. Die ſeltſamſten Vorſchlaͤge wurden hieran geknuͤpft. „Ver- ſtehe ſich der Kaiſer hierzu,“ ſagte man Mendoza’n, „ſo muͤſſe der Papſt das Concil nach Trient zuruͤckbringen, und hier nicht allein ſonſt nach den Wuͤnſchen des Kai- ſers verfahren, — z. B. deſſen Recht an Burgund feierlich anerkennen laſſen — ſondern Carl V. zu ſeinem Nachfolger auf dem paͤpſtlichen Stuhle erklaͤren. Denn, ſagten ſie, Deutſchland hat ein kaltes Clima, Italien ein warmes: fuͤr die Gicht, an der der Kaiſer leidet, ſind die warmen Laͤnder geſuͤnder“ 1). Ich will nicht behaupten, daß es ihnen damit Ernſt geweſen: der alte Papſt lebte des Glaubens, der Kaiſer werde noch vor ihm ſterben: aber man ſieht, auf wie bedenkliche, von der gewoͤhnlichen Ordnung der Dinge weit abweichende Pfade ihre Politik ſich gewagt hatte.
Den Franzoſen entgingen ihre Bewegungen, ihre Un- terhandlungen mit dem Kaiſer nicht. Von dem Connetable Montmorency haben wir einen Brief voller Entruͤſtung, in dem er unverholen von „Heucheleien, Luͤgen, ja von wahr- haft ſchlechten Streichen“ redet, die man zu Rom gegen den Koͤnig von Frankreich ausuͤbe 2).
1) Der Cardinal Gambara machte Mendoza’n, bei einer ge- heimen Zuſammenkunft in einer Kirche, dieſen Antrag. Er ſagte wenigſtens, que havia scripto al Papa algo desto y no lo havia tomado mal.
2)Le connestable au roi 1 Sept. 1548 (Ribier II, 155).
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Paul III.
Wie dem auch ſey, ſo viel iſt gewiß, daß er an ſich
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ſelbſt nicht ungern, daß der Kaiſer Siena einnahm: ſie
hofften, er werde es ihnen fuͤr ihre Verluſte einraͤumen.
Die ſeltſamſten Vorſchlaͤge wurden hieran geknuͤpft. „Ver-
ſtehe ſich der Kaiſer hierzu,“ ſagte man Mendoza’n, „ſo
muͤſſe der Papſt das Concil nach Trient zuruͤckbringen,
und hier nicht allein ſonſt nach den Wuͤnſchen des Kai-
ſers verfahren, — z. B. deſſen Recht an Burgund feierlich
anerkennen laſſen — ſondern Carl V. zu ſeinem Nachfolger
auf dem paͤpſtlichen Stuhle erklaͤren. Denn, ſagten ſie,
Deutſchland hat ein kaltes Clima, Italien ein warmes:
fuͤr die Gicht, an der der Kaiſer leidet, ſind die warmen
Laͤnder geſuͤnder“ 1). Ich will nicht behaupten, daß es ihnen
damit Ernſt geweſen: der alte Papſt lebte des Glaubens,
der Kaiſer werde noch vor ihm ſterben: aber man ſieht,
auf wie bedenkliche, von der gewoͤhnlichen Ordnung der
Dinge weit abweichende Pfade ihre Politik ſich gewagt
hatte.
Den Franzoſen entgingen ihre Bewegungen, ihre Un-
terhandlungen mit dem Kaiſer nicht. Von dem Connetable
Montmorency haben wir einen Brief voller Entruͤſtung, in
dem er unverholen von „Heucheleien, Luͤgen, ja von wahr-
haft ſchlechten Streichen“ redet, die man zu Rom gegen
den Koͤnig von Frankreich ausuͤbe 2).
1) Der Cardinal Gambara machte Mendoza’n, bei einer ge-
heimen Zuſammenkunft in einer Kirche, dieſen Antrag. Er ſagte
wenigſtens, que havia scripto al Papa algo desto y no lo havia
tomado mal.
2) Le connestable au roi 1 Sept. 1548 (Ribier II, 155).
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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