sich der Kaiser nicht irre machen. Auch in der Sache von Piacenza wich er kein Haarbreit. Der Papst forderte zunächst Wiederherstellung des Besitzes: der Kaiser behaup- tete, ein Recht von Seiten des Reiches zu haben. Der Papst bezog sich auf den Bund von 1521, in welchem jene Städte dem römischen Stuhl garantirt worden: der Kaiser machte auf das Wort: Investitur aufmerksam, wo- durch sich das Reich oberherrliche Rechte vorbehalten habe. Der Papst erwiederte, das Wort sey hier in einem an- dern, als dem feudalen Sinne genommen: den Kaiser focht das nicht an: er erklärte, sein Gewissen verbiete ihm, Pia- cenza zurückzugeben 1).
Gern hätte nun der Papst zu den Waffen gegriffen, sich an Frankreich geschlossen, seine Freunde, seine Partei in Bewegung gesetzt -- in Neapel, Genua, Siena, Piacenza, selbst in Orbitello bemerkte man die Umtriebe seiner An- hänger, -- gern hätte auch er sich durch irgend einen un- erwarteten Schlag gerächt; aber auf der andern Seite war ihm die Uebermacht des Kaisers überaus furchtbar, vor allem dessen Einfluß auf die geistlichen Angelegenhei- ten; er besorgte, ein Concilium werde berufen, das sich ganz gegen ihn erkläre, das selbst zu seiner Absetzung schreite. Mendoza behauptet, die That der Corsen gegen Ferrante Gonzaga habe ihm noch besonders Furcht ein- geflößt.
1)Lettere del Cardinal Farnese scritte al Vescovo di Fano, nuntio all' imperatore Carlo: Informationi politiche XIX, und einige Instructionen des Papstes und Farnese's ib. XII. enthüllen diese Unterhandlungen, von denen ich nur die wichtigsten Momente berühren konnte.
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſich der Kaiſer nicht irre machen. Auch in der Sache von Piacenza wich er kein Haarbreit. Der Papſt forderte zunaͤchſt Wiederherſtellung des Beſitzes: der Kaiſer behaup- tete, ein Recht von Seiten des Reiches zu haben. Der Papſt bezog ſich auf den Bund von 1521, in welchem jene Staͤdte dem roͤmiſchen Stuhl garantirt worden: der Kaiſer machte auf das Wort: Inveſtitur aufmerkſam, wo- durch ſich das Reich oberherrliche Rechte vorbehalten habe. Der Papſt erwiederte, das Wort ſey hier in einem an- dern, als dem feudalen Sinne genommen: den Kaiſer focht das nicht an: er erklaͤrte, ſein Gewiſſen verbiete ihm, Pia- cenza zuruͤckzugeben 1).
Gern haͤtte nun der Papſt zu den Waffen gegriffen, ſich an Frankreich geſchloſſen, ſeine Freunde, ſeine Partei in Bewegung geſetzt — in Neapel, Genua, Siena, Piacenza, ſelbſt in Orbitello bemerkte man die Umtriebe ſeiner An- haͤnger, — gern haͤtte auch er ſich durch irgend einen un- erwarteten Schlag geraͤcht; aber auf der andern Seite war ihm die Uebermacht des Kaiſers uͤberaus furchtbar, vor allem deſſen Einfluß auf die geiſtlichen Angelegenhei- ten; er beſorgte, ein Concilium werde berufen, das ſich ganz gegen ihn erklaͤre, das ſelbſt zu ſeiner Abſetzung ſchreite. Mendoza behauptet, die That der Corſen gegen Ferrante Gonzaga habe ihm noch beſonders Furcht ein- gefloͤßt.
1)Lettere del Cardinal Farnese scritte al Vescovo di Fano, nuntio all’ imperatore Carlo: Informationi politiche XIX, und einige Inſtructionen des Papſtes und Farneſe’s ib. XII. enthuͤllen dieſe Unterhandlungen, von denen ich nur die wichtigſten Momente beruͤhren konnte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0290"n="264"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.</hi></fw><lb/>ſich der Kaiſer nicht irre machen. Auch in der Sache<lb/>
von Piacenza wich er kein Haarbreit. Der Papſt forderte<lb/>
zunaͤchſt Wiederherſtellung des Beſitzes: der Kaiſer behaup-<lb/>
tete, ein Recht von Seiten des Reiches zu haben. Der<lb/>
Papſt bezog ſich auf den Bund von 1521, in welchem<lb/>
jene Staͤdte dem roͤmiſchen Stuhl garantirt worden: der<lb/>
Kaiſer machte auf das Wort: Inveſtitur aufmerkſam, wo-<lb/>
durch ſich das Reich oberherrliche Rechte vorbehalten habe.<lb/>
Der Papſt erwiederte, das Wort ſey hier in einem an-<lb/>
dern, als dem feudalen Sinne genommen: den Kaiſer focht<lb/>
das nicht an: er erklaͤrte, ſein Gewiſſen verbiete ihm, Pia-<lb/>
cenza zuruͤckzugeben <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Lettere del Cardinal Farnese scritte al Vescovo di Fano,<lb/>
nuntio all’ imperatore Carlo: Informationi politiche XIX,</hi> und<lb/>
einige Inſtructionen des Papſtes und Farneſe’s <hirendition="#aq">ib. XII.</hi> enthuͤllen<lb/>
dieſe Unterhandlungen, von denen ich nur die wichtigſten Momente<lb/>
beruͤhren konnte.</note>.</p><lb/><p>Gern haͤtte nun der Papſt zu den Waffen gegriffen,<lb/>ſich an Frankreich geſchloſſen, ſeine Freunde, ſeine Partei<lb/>
in Bewegung geſetzt — in Neapel, Genua, Siena, Piacenza,<lb/>ſelbſt in Orbitello bemerkte man die Umtriebe ſeiner An-<lb/>
haͤnger, — gern haͤtte auch er ſich durch irgend einen un-<lb/>
erwarteten Schlag geraͤcht; aber auf der andern Seite<lb/>
war ihm die Uebermacht des Kaiſers uͤberaus furchtbar,<lb/>
vor allem deſſen Einfluß auf die geiſtlichen Angelegenhei-<lb/>
ten; er beſorgte, ein Concilium werde berufen, das ſich<lb/>
ganz gegen ihn erklaͤre, das ſelbſt zu ſeiner Abſetzung<lb/>ſchreite. Mendoza behauptet, die That der Corſen gegen<lb/>
Ferrante Gonzaga habe ihm noch beſonders Furcht ein-<lb/>
gefloͤßt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[264/0290]
Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſich der Kaiſer nicht irre machen. Auch in der Sache
von Piacenza wich er kein Haarbreit. Der Papſt forderte
zunaͤchſt Wiederherſtellung des Beſitzes: der Kaiſer behaup-
tete, ein Recht von Seiten des Reiches zu haben. Der
Papſt bezog ſich auf den Bund von 1521, in welchem
jene Staͤdte dem roͤmiſchen Stuhl garantirt worden: der
Kaiſer machte auf das Wort: Inveſtitur aufmerkſam, wo-
durch ſich das Reich oberherrliche Rechte vorbehalten habe.
Der Papſt erwiederte, das Wort ſey hier in einem an-
dern, als dem feudalen Sinne genommen: den Kaiſer focht
das nicht an: er erklaͤrte, ſein Gewiſſen verbiete ihm, Pia-
cenza zuruͤckzugeben 1).
Gern haͤtte nun der Papſt zu den Waffen gegriffen,
ſich an Frankreich geſchloſſen, ſeine Freunde, ſeine Partei
in Bewegung geſetzt — in Neapel, Genua, Siena, Piacenza,
ſelbſt in Orbitello bemerkte man die Umtriebe ſeiner An-
haͤnger, — gern haͤtte auch er ſich durch irgend einen un-
erwarteten Schlag geraͤcht; aber auf der andern Seite
war ihm die Uebermacht des Kaiſers uͤberaus furchtbar,
vor allem deſſen Einfluß auf die geiſtlichen Angelegenhei-
ten; er beſorgte, ein Concilium werde berufen, das ſich
ganz gegen ihn erklaͤre, das ſelbſt zu ſeiner Abſetzung
ſchreite. Mendoza behauptet, die That der Corſen gegen
Ferrante Gonzaga habe ihm noch beſonders Furcht ein-
gefloͤßt.
1) Lettere del Cardinal Farnese scritte al Vescovo di Fano,
nuntio all’ imperatore Carlo: Informationi politiche XIX, und
einige Inſtructionen des Papſtes und Farneſe’s ib. XII. enthuͤllen
dieſe Unterhandlungen, von denen ich nur die wichtigſten Momente
beruͤhren konnte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/290>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.