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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
wirkt habe; man vermuthete, daß er selbst fortwährend Ab-
sichten auf Mailand hege 1).

Eines Tages war der Papst, der noch immer unter
glücklichen Gestirnen zu stehen und alle die Stürme, die
ihn bedrohten, beschwören zu können meinte, in der Au-
dienz vorzüglich heiter: er zählte die Glückseligkeiten sei-
nes Lebens auf und verglich sich in dieser Hinsicht mit Kai-
ser Tiberius: an diesem Tage ward ihm der Sohn, der
Inhaber seiner Erwerbungen, der Träger seines Glückes, zu
Piacenza von Verschworenen überfallen und ermordet 2).

Die Gibellinen von Piacenza, von den Gewaltsamkei-
ten des Herzogs, der zu den strenge verwaltenden Für-
sten dieser Zeit gehörte, und besonders den Adel in Gehor-
sam zu halten suchte, beleidigt und gereizt, hatten die That
vollbracht; wie aber damals Jedermann überzeugt war,
der Governator zu Mailand, Ferrante Gonzaga, habe seine
Hand im Spiel gehabt 3), so können auch wir daran nicht
zweifeln. Der Biograph Gonzaga's, in jenen Zeiten sein
vertrauter Geheimschreiber, der ihn zu entschuldigen sucht,
versichert, die Absicht sey nur auf die Gefangennehmung,
nicht auf die Ermordung des Farnese gegangen 4). Ich

1) Gosselini Vita di Ferr. Gonzaga p. 20. Segni storie
Fiorentine p.
292.
2) Mendoca al Emperador 18 Sept. 1547. -- Gasto la
mayor parte del tempo
(an jenem Tag) en contar sus felicidades
y compararse a Tiberio Impdor.
3) Compertum habemus, Ferdinandum esse autorem, sagte
der Papst im Consistorium. Extrait du consistoire tenu par N.
S. Pere
in einer Depesche von Morvillier Venise 7 Sept. 1547.
Rib. II,
61.
4) Gosselini p. 45. Ne l'imperatore ne D. Fernando, come

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
wirkt habe; man vermuthete, daß er ſelbſt fortwaͤhrend Ab-
ſichten auf Mailand hege 1).

Eines Tages war der Papſt, der noch immer unter
gluͤcklichen Geſtirnen zu ſtehen und alle die Stuͤrme, die
ihn bedrohten, beſchwoͤren zu koͤnnen meinte, in der Au-
dienz vorzuͤglich heiter: er zaͤhlte die Gluͤckſeligkeiten ſei-
nes Lebens auf und verglich ſich in dieſer Hinſicht mit Kai-
ſer Tiberius: an dieſem Tage ward ihm der Sohn, der
Inhaber ſeiner Erwerbungen, der Traͤger ſeines Gluͤckes, zu
Piacenza von Verſchworenen uͤberfallen und ermordet 2).

Die Gibellinen von Piacenza, von den Gewaltſamkei-
ten des Herzogs, der zu den ſtrenge verwaltenden Fuͤr-
ſten dieſer Zeit gehoͤrte, und beſonders den Adel in Gehor-
ſam zu halten ſuchte, beleidigt und gereizt, hatten die That
vollbracht; wie aber damals Jedermann uͤberzeugt war,
der Governator zu Mailand, Ferrante Gonzaga, habe ſeine
Hand im Spiel gehabt 3), ſo koͤnnen auch wir daran nicht
zweifeln. Der Biograph Gonzaga’s, in jenen Zeiten ſein
vertrauter Geheimſchreiber, der ihn zu entſchuldigen ſucht,
verſichert, die Abſicht ſey nur auf die Gefangennehmung,
nicht auf die Ermordung des Farneſe gegangen 4). Ich

1) Gosselini Vita di Ferr. Gonzaga p. 20. Segni storie
Fiorentine p.
292.
2) Mendoça al Emperador 18 Sept. 1547. — Gastò la
mayor parte del tempo
(an jenem Tag) en contar sus felicidades
y compararse a Tiberio Impdor.
3) Compertum habemus, Ferdinandum esse autorem, ſagte
der Papſt im Conſiſtorium. Extrait du consistoire tenu par N.
S. Père
in einer Depeſche von Morvillier Venise 7 Sept. 1547.
Rib. II,
61.
4) Gosselini p. 45. Nè l’imperatore nè D. Fernando, come
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[258/0284] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. wirkt habe; man vermuthete, daß er ſelbſt fortwaͤhrend Ab- ſichten auf Mailand hege 1). Eines Tages war der Papſt, der noch immer unter gluͤcklichen Geſtirnen zu ſtehen und alle die Stuͤrme, die ihn bedrohten, beſchwoͤren zu koͤnnen meinte, in der Au- dienz vorzuͤglich heiter: er zaͤhlte die Gluͤckſeligkeiten ſei- nes Lebens auf und verglich ſich in dieſer Hinſicht mit Kai- ſer Tiberius: an dieſem Tage ward ihm der Sohn, der Inhaber ſeiner Erwerbungen, der Traͤger ſeines Gluͤckes, zu Piacenza von Verſchworenen uͤberfallen und ermordet 2). Die Gibellinen von Piacenza, von den Gewaltſamkei- ten des Herzogs, der zu den ſtrenge verwaltenden Fuͤr- ſten dieſer Zeit gehoͤrte, und beſonders den Adel in Gehor- ſam zu halten ſuchte, beleidigt und gereizt, hatten die That vollbracht; wie aber damals Jedermann uͤberzeugt war, der Governator zu Mailand, Ferrante Gonzaga, habe ſeine Hand im Spiel gehabt 3), ſo koͤnnen auch wir daran nicht zweifeln. Der Biograph Gonzaga’s, in jenen Zeiten ſein vertrauter Geheimſchreiber, der ihn zu entſchuldigen ſucht, verſichert, die Abſicht ſey nur auf die Gefangennehmung, nicht auf die Ermordung des Farneſe gegangen 4). Ich 1) Gosselini Vita di Ferr. Gonzaga p. 20. Segni storie Fiorentine p. 292. 2) Mendoça al Emperador 18 Sept. 1547. — Gastò la mayor parte del tempo (an jenem Tag) en contar sus felicidades y compararse a Tiberio Impdor. 3) Compertum habemus, Ferdinandum esse autorem, ſagte der Papſt im Conſiſtorium. Extrait du consistoire tenu par N. S. Père in einer Depeſche von Morvillier Venise 7 Sept. 1547. Rib. II, 61. 4) Gosselini p. 45. Nè l’imperatore nè D. Fernando, come

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/284>, abgerufen am 18.05.2024.