Die Absicht des Kaisers war, die Gewalt der Waffen und die friedliche Unterhandlung zu verbinden. Während er den Ungehorsam der Protestanten durch den Krieg zähme, sollte das Concilium die geistlichen Streitigkeiten schlichten und vor allem zu Reformen schreiten, durch welche es je- nen einigermaßen möglich würde, sich zu unterwerfen.
Ueber alles Erwarten glücklich ging der Krieg. An- fangs hätte man Carln für verloren halten sollen, aber in der gefährlichsten Lage hielt er standhaft aus: im Spät- jahr 1546 sah er ganz Oberdeutschland in seinen Händen: wetteifernd ergaben sich Städte und Fürsten: der Augen- blick schien gekommen, wo die protestantische Partei in Deutschland unterworfen, der ganze Norden wieder katho- lisch gemacht werden könne.
In diesem Momente, was that der Papst?
Er rief seine Truppen von dem kaiserlichen Heere ab: das Concilium, das eben nun seinen Zweck erfüllen, und seine pacificatorische Thätigkeit beginnen sollte, ver- setzte er von Trient -- wohin es auf den Antrag der Deut- schen berufen worden -- angeblich, weil daselbst eine an- steckende Krankheit ausgebrochen sey, nach seiner zweiten Hauptstadt Bologna.
Es ist nicht zweifelhaft, was ihn dazu bewog. Noch einmal traten die politischen Tendenzen des Papstthums mit den kirchlichen in Gegensatz und Widerstreit. Daß ganz Deutschland besiegt und dem Kaiser in Wahrheit unter- würfig würde, hatte er nie gewünscht. Ganz etwas ande- res hatten seine feinen Berechnungen ihn erwarten lassen. Wohl mag er geglaubt haben, dem Kaiser werde Einiges
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Die Abſicht des Kaiſers war, die Gewalt der Waffen und die friedliche Unterhandlung zu verbinden. Waͤhrend er den Ungehorſam der Proteſtanten durch den Krieg zaͤhme, ſollte das Concilium die geiſtlichen Streitigkeiten ſchlichten und vor allem zu Reformen ſchreiten, durch welche es je- nen einigermaßen moͤglich wuͤrde, ſich zu unterwerfen.
Ueber alles Erwarten gluͤcklich ging der Krieg. An- fangs haͤtte man Carln fuͤr verloren halten ſollen, aber in der gefaͤhrlichſten Lage hielt er ſtandhaft aus: im Spaͤt- jahr 1546 ſah er ganz Oberdeutſchland in ſeinen Haͤnden: wetteifernd ergaben ſich Staͤdte und Fuͤrſten: der Augen- blick ſchien gekommen, wo die proteſtantiſche Partei in Deutſchland unterworfen, der ganze Norden wieder katho- liſch gemacht werden koͤnne.
In dieſem Momente, was that der Papſt?
Er rief ſeine Truppen von dem kaiſerlichen Heere ab: das Concilium, das eben nun ſeinen Zweck erfuͤllen, und ſeine pacificatoriſche Thaͤtigkeit beginnen ſollte, ver- ſetzte er von Trient — wohin es auf den Antrag der Deut- ſchen berufen worden — angeblich, weil daſelbſt eine an- ſteckende Krankheit ausgebrochen ſey, nach ſeiner zweiten Hauptſtadt Bologna.
Es iſt nicht zweifelhaft, was ihn dazu bewog. Noch einmal traten die politiſchen Tendenzen des Papſtthums mit den kirchlichen in Gegenſatz und Widerſtreit. Daß ganz Deutſchland beſiegt und dem Kaiſer in Wahrheit unter- wuͤrfig wuͤrde, hatte er nie gewuͤnſcht. Ganz etwas ande- res hatten ſeine feinen Berechnungen ihn erwarten laſſen. Wohl mag er geglaubt haben, dem Kaiſer werde Einiges
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Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Die Abſicht des Kaiſers war, die Gewalt der Waffen
und die friedliche Unterhandlung zu verbinden. Waͤhrend
er den Ungehorſam der Proteſtanten durch den Krieg zaͤhme,
ſollte das Concilium die geiſtlichen Streitigkeiten ſchlichten
und vor allem zu Reformen ſchreiten, durch welche es je-
nen einigermaßen moͤglich wuͤrde, ſich zu unterwerfen.
Ueber alles Erwarten gluͤcklich ging der Krieg. An-
fangs haͤtte man Carln fuͤr verloren halten ſollen, aber in
der gefaͤhrlichſten Lage hielt er ſtandhaft aus: im Spaͤt-
jahr 1546 ſah er ganz Oberdeutſchland in ſeinen Haͤnden:
wetteifernd ergaben ſich Staͤdte und Fuͤrſten: der Augen-
blick ſchien gekommen, wo die proteſtantiſche Partei in
Deutſchland unterworfen, der ganze Norden wieder katho-
liſch gemacht werden koͤnne.
In dieſem Momente, was that der Papſt?
Er rief ſeine Truppen von dem kaiſerlichen Heere ab:
das Concilium, das eben nun ſeinen Zweck erfuͤllen,
und ſeine pacificatoriſche Thaͤtigkeit beginnen ſollte, ver-
ſetzte er von Trient — wohin es auf den Antrag der Deut-
ſchen berufen worden — angeblich, weil daſelbſt eine an-
ſteckende Krankheit ausgebrochen ſey, nach ſeiner zweiten
Hauptſtadt Bologna.
Es iſt nicht zweifelhaft, was ihn dazu bewog. Noch
einmal traten die politiſchen Tendenzen des Papſtthums mit
den kirchlichen in Gegenſatz und Widerſtreit. Daß ganz
Deutſchland beſiegt und dem Kaiſer in Wahrheit unter-
wuͤrfig wuͤrde, hatte er nie gewuͤnſcht. Ganz etwas ande-
res hatten ſeine feinen Berechnungen ihn erwarten laſſen.
Wohl mag er geglaubt haben, dem Kaiſer werde Einiges
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/278>, abgerufen am 22.11.2024.
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