Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Paul III.
und private Zwecke verfolgt: ist er zu einer höchst bedäch-
tigen, aufmerksamen, zögernden, abwartenden Politik ge-
nöthigt; an dem günstigen Augenblick, der glücklichen Com-
bination der Umstände ist ihm alles gelegen: er muß sie
langsam herbeizuführen, und dann auf das rascheste zu er-
greifen, zu behaupten suchen.

Die Gesandten fanden es schwer mit ihm zu unter-
handeln. Sie erstaunten, daß er keinen Mangel an Muth
spüren ließ, und doch selten zum Schluß zur Entscheidung
zu bringen war. Den Andern suchte er zu fesseln: ein bin-
dendes Wort, eine unwiderrufliche Sicherheit zu erlangen:
er selbst wollte sich niemals verpflichten. Man bemerkte es
auch in kleineren Sachen: er war ungeneigt, im Voraus
etwas abzuschlagen oder zu versprechen: bis auf den letzten
Augenblick wollte er freie Hand haben. Wie viel mehr
in schwierigeren Angelegenheiten! Zuweilen hatte er selbst
eine Auskunft, eine Vermittlung angezeigt: wollte man sie
ergreifen, so zog er sich nichts desto minder zurück: er
wünschte immer Meister seiner Unterhandlungen zu blei-
ben 1).


1) In den Lettres et Memoires d'Estat par Guill. Ribier
Paris 1666
-- findet man eine Menge Proben seiner Unterhand-
lungen und ihres Characters von 1537 bis 1540, von 1547 bis
1549, in den Depeschen französischer Gesandten. Direct schildert
sie Matteo Dandolo, Relatione di Roma, 1551 d. 20 Junii in se-
natu, Ms.
in meinem Besitz. "Il negotiare con P. Paolo fu
giudicato ad ogn'un difficile, perche era tardissimo nel parlare,
perche non voleva mai proferire parola che non fusse elegante
et exquisita, cosi nella volgare, come nella latina e greca, che
di tutte tre ne faceva professione
(Griechisch, denke ich, wird er
wohl nicht oft unterhandelt haben) e mi aveva scoperto di quel
poco che io ne intendeva. E perche era vecchissimo parlava
16

Paul III.
und private Zwecke verfolgt: iſt er zu einer hoͤchſt bedaͤch-
tigen, aufmerkſamen, zoͤgernden, abwartenden Politik ge-
noͤthigt; an dem guͤnſtigen Augenblick, der gluͤcklichen Com-
bination der Umſtaͤnde iſt ihm alles gelegen: er muß ſie
langſam herbeizufuͤhren, und dann auf das raſcheſte zu er-
greifen, zu behaupten ſuchen.

Die Geſandten fanden es ſchwer mit ihm zu unter-
handeln. Sie erſtaunten, daß er keinen Mangel an Muth
ſpuͤren ließ, und doch ſelten zum Schluß zur Entſcheidung
zu bringen war. Den Andern ſuchte er zu feſſeln: ein bin-
dendes Wort, eine unwiderrufliche Sicherheit zu erlangen:
er ſelbſt wollte ſich niemals verpflichten. Man bemerkte es
auch in kleineren Sachen: er war ungeneigt, im Voraus
etwas abzuſchlagen oder zu verſprechen: bis auf den letzten
Augenblick wollte er freie Hand haben. Wie viel mehr
in ſchwierigeren Angelegenheiten! Zuweilen hatte er ſelbſt
eine Auskunft, eine Vermittlung angezeigt: wollte man ſie
ergreifen, ſo zog er ſich nichts deſto minder zuruͤck: er
wuͤnſchte immer Meiſter ſeiner Unterhandlungen zu blei-
ben 1).


1) In den Lettres et Mémoires d’Estat par Guill. Ribier
Paris 1666
— findet man eine Menge Proben ſeiner Unterhand-
lungen und ihres Characters von 1537 bis 1540, von 1547 bis
1549, in den Depeſchen franzoͤſiſcher Geſandten. Direct ſchildert
ſie Matteo Dandolo, Relatione di Roma, 1551 d. 20 Junii in se-
natu, Ms.
in meinem Beſitz. „Il negotiare con P. Paolo fu
giudicato ad ogn’un difficile, perchè era tardissimo nel parlare,
perchè non voleva mai proferire parola che non fusse elegante
et exquisita, cosi nella volgare, come nella latina e greca, che
di tutte tre ne faceva professione
(Griechiſch, denke ich, wird er
wohl nicht oft unterhandelt haben) e mi aveva scoperto di quel
poco che io ne intendeva. E perchè era vecchissimo parlava
16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="241"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Paul</hi><hi rendition="#aq">III.</hi></fw><lb/>
und private Zwecke verfolgt: i&#x017F;t er zu einer ho&#x0364;ch&#x017F;t beda&#x0364;ch-<lb/>
tigen, aufmerk&#x017F;amen, zo&#x0364;gernden, abwartenden Politik ge-<lb/>
no&#x0364;thigt; an dem gu&#x0364;n&#x017F;tigen Augenblick, der glu&#x0364;cklichen Com-<lb/>
bination der Um&#x017F;ta&#x0364;nde i&#x017F;t ihm alles gelegen: er muß &#x017F;ie<lb/>
lang&#x017F;am herbeizufu&#x0364;hren, und dann auf das ra&#x017F;che&#x017F;te zu er-<lb/>
greifen, zu behaupten &#x017F;uchen.</p><lb/>
          <p>Die Ge&#x017F;andten fanden es &#x017F;chwer mit ihm zu unter-<lb/>
handeln. Sie er&#x017F;taunten, daß er keinen Mangel an Muth<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;ren ließ, und doch &#x017F;elten zum Schluß zur Ent&#x017F;cheidung<lb/>
zu bringen war. Den Andern &#x017F;uchte er zu fe&#x017F;&#x017F;eln: ein bin-<lb/>
dendes Wort, eine unwiderrufliche Sicherheit zu erlangen:<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t wollte &#x017F;ich niemals verpflichten. Man bemerkte es<lb/>
auch in kleineren Sachen: er war ungeneigt, im Voraus<lb/>
etwas abzu&#x017F;chlagen oder zu ver&#x017F;prechen: bis auf den letzten<lb/>
Augenblick wollte er freie Hand haben. Wie viel mehr<lb/>
in &#x017F;chwierigeren Angelegenheiten! Zuweilen hatte er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
eine Auskunft, eine Vermittlung angezeigt: wollte man &#x017F;ie<lb/>
ergreifen, &#x017F;o zog er &#x017F;ich nichts de&#x017F;to minder zuru&#x0364;ck: er<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte immer Mei&#x017F;ter &#x017F;einer Unterhandlungen zu blei-<lb/>
ben <note xml:id="note-0267" next="#note-0268" place="foot" n="1)">In den <hi rendition="#aq">Lettres et Mémoires d&#x2019;Estat par Guill. Ribier<lb/>
Paris 1666</hi> &#x2014; findet man eine Menge Proben &#x017F;einer Unterhand-<lb/>
lungen und ihres Characters von 1537 bis 1540, von 1547 bis<lb/>
1549, in den Depe&#x017F;chen franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Ge&#x017F;andten. Direct &#x017F;childert<lb/>
&#x017F;ie <hi rendition="#aq">Matteo Dandolo, Relatione di Roma, 1551 d. 20 Junii in se-<lb/>
natu, Ms.</hi> in meinem Be&#x017F;itz. <hi rendition="#aq">&#x201E;Il negotiare con P. Paolo fu<lb/>
giudicato ad ogn&#x2019;un difficile, perchè era tardissimo nel parlare,<lb/>
perchè non voleva mai proferire parola che non fusse elegante<lb/>
et exquisita, cosi nella volgare, come nella latina e greca, che<lb/>
di tutte tre ne faceva professione</hi> (Griechi&#x017F;ch, denke ich, wird er<lb/>
wohl nicht oft unterhandelt haben) <hi rendition="#aq">e mi aveva scoperto di quel<lb/>
poco che io ne intendeva. E perchè era vecchissimo parlava</hi></note>.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">16</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0267] Paul III. und private Zwecke verfolgt: iſt er zu einer hoͤchſt bedaͤch- tigen, aufmerkſamen, zoͤgernden, abwartenden Politik ge- noͤthigt; an dem guͤnſtigen Augenblick, der gluͤcklichen Com- bination der Umſtaͤnde iſt ihm alles gelegen: er muß ſie langſam herbeizufuͤhren, und dann auf das raſcheſte zu er- greifen, zu behaupten ſuchen. Die Geſandten fanden es ſchwer mit ihm zu unter- handeln. Sie erſtaunten, daß er keinen Mangel an Muth ſpuͤren ließ, und doch ſelten zum Schluß zur Entſcheidung zu bringen war. Den Andern ſuchte er zu feſſeln: ein bin- dendes Wort, eine unwiderrufliche Sicherheit zu erlangen: er ſelbſt wollte ſich niemals verpflichten. Man bemerkte es auch in kleineren Sachen: er war ungeneigt, im Voraus etwas abzuſchlagen oder zu verſprechen: bis auf den letzten Augenblick wollte er freie Hand haben. Wie viel mehr in ſchwierigeren Angelegenheiten! Zuweilen hatte er ſelbſt eine Auskunft, eine Vermittlung angezeigt: wollte man ſie ergreifen, ſo zog er ſich nichts deſto minder zuruͤck: er wuͤnſchte immer Meiſter ſeiner Unterhandlungen zu blei- ben 1). 1) In den Lettres et Mémoires d’Estat par Guill. Ribier Paris 1666 — findet man eine Menge Proben ſeiner Unterhand- lungen und ihres Characters von 1537 bis 1540, von 1547 bis 1549, in den Depeſchen franzoͤſiſcher Geſandten. Direct ſchildert ſie Matteo Dandolo, Relatione di Roma, 1551 d. 20 Junii in se- natu, Ms. in meinem Beſitz. „Il negotiare con P. Paolo fu giudicato ad ogn’un difficile, perchè era tardissimo nel parlare, perchè non voleva mai proferire parola che non fusse elegante et exquisita, cosi nella volgare, come nella latina e greca, che di tutte tre ne faceva professione (Griechiſch, denke ich, wird er wohl nicht oft unterhandelt haben) e mi aveva scoperto di quel poco che io ne intendeva. E perchè era vecchissimo parlava 16

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/267
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/267>, abgerufen am 17.05.2024.