Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.

Ließ er aber Anderen ihre Freiheit, gönnte er einem
Jeden den Vortheil, der ihm durch seine Stellung zufiel,
so wollte auch er von seinen Prärogativen nicht ein einzi-
ges fallen lassen. Der Kaiser machte ihm einmal Vorstel-
lungen, daß er zwei seiner Enkel in allzufrühen Jahren
zum Cardinalat befördert habe; er entgegnete: er werde
verfahren wie seine Vorgänger; gebe es doch Beispiele,
daß Knaben in der Wiege Cardinäle geworden. Für dieß
sein Geschlecht zeigte er eine selbst an dieser Stelle un-
gewohnte Vorliebe 1). Er war entschlossen, es eben so
gut wie andere Päpste, zu fürstlichen Würden zu be-
fördern.

Nicht als ob er nun, wie ein Alexander VI., alles
Uebrige dieser Rücksicht untergeordnet hätte: das könnte
man nicht sagen; er beabsichtigte auf das ernstlichste, den
Frieden zwischen Frankreich und Spanien herzustellen, die
Protestanten zu unterdrücken, die Türken zu bekämpfen,
die Kirche zu reformiren: aber dabei lag es ihm sehr am
Herzen, zugleich sein Haus zu erhöhen.

Indem er nun alle diese Absichten, die einander wi-
derstreben, in sich aufnimmt, indem er zugleich öffentliche

und
1) Soriano 1535. E Romano di sangue et e d'animo molto
gagliardo: si promette assai e molto pondera e stima assai l'in-
giurie che gli si fanno et e inclinatissimo a far grandi i suoi.

Varchi (Istorie fiorentine p. 636) erzählt von Paul's erstem Se-
cretär, Messer Ambrogio, "der alles vermochte was er wollte und
alles wollte was er vermochte." Unter vielen andern Geschenken be-
kam er einst 60 silberne Waschbecken mit ihren Gießkannen. Wie
kömmt es, sagte man, daß er bei so vielen Waschbecken doch nicht
reine Hand hält?
Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.

Ließ er aber Anderen ihre Freiheit, goͤnnte er einem
Jeden den Vortheil, der ihm durch ſeine Stellung zufiel,
ſo wollte auch er von ſeinen Praͤrogativen nicht ein einzi-
ges fallen laſſen. Der Kaiſer machte ihm einmal Vorſtel-
lungen, daß er zwei ſeiner Enkel in allzufruͤhen Jahren
zum Cardinalat befoͤrdert habe; er entgegnete: er werde
verfahren wie ſeine Vorgaͤnger; gebe es doch Beiſpiele,
daß Knaben in der Wiege Cardinaͤle geworden. Fuͤr dieß
ſein Geſchlecht zeigte er eine ſelbſt an dieſer Stelle un-
gewohnte Vorliebe 1). Er war entſchloſſen, es eben ſo
gut wie andere Paͤpſte, zu fuͤrſtlichen Wuͤrden zu be-
foͤrdern.

Nicht als ob er nun, wie ein Alexander VI., alles
Uebrige dieſer Ruͤckſicht untergeordnet haͤtte: das koͤnnte
man nicht ſagen; er beabſichtigte auf das ernſtlichſte, den
Frieden zwiſchen Frankreich und Spanien herzuſtellen, die
Proteſtanten zu unterdruͤcken, die Tuͤrken zu bekaͤmpfen,
die Kirche zu reformiren: aber dabei lag es ihm ſehr am
Herzen, zugleich ſein Haus zu erhoͤhen.

Indem er nun alle dieſe Abſichten, die einander wi-
derſtreben, in ſich aufnimmt, indem er zugleich oͤffentliche

und
1) Soriano 1535. È Romano di sangue et è d’animo molto
gagliardo: si promette assai e molto pondera e stima assai l’in-
giurie che gli si fanno et è inclinatissimo a far grandi i suoi.

Varchi (Istorie fiorentine p. 636) erzaͤhlt von Paul’s erſtem Se-
cretaͤr, Meſſer Ambrogio, „der alles vermochte was er wollte und
alles wollte was er vermochte.“ Unter vielen andern Geſchenken be-
kam er einſt 60 ſilberne Waſchbecken mit ihren Gießkannen. Wie
koͤmmt es, ſagte man, daß er bei ſo vielen Waſchbecken doch nicht
reine Hand haͤlt?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0266" n="240"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
          <p>Ließ er aber Anderen ihre Freiheit, go&#x0364;nnte er einem<lb/>
Jeden den Vortheil, der ihm durch &#x017F;eine Stellung zufiel,<lb/>
&#x017F;o wollte auch er von &#x017F;einen Pra&#x0364;rogativen nicht ein einzi-<lb/>
ges fallen la&#x017F;&#x017F;en. Der Kai&#x017F;er machte ihm einmal Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen, daß er zwei &#x017F;einer Enkel in allzufru&#x0364;hen Jahren<lb/>
zum Cardinalat befo&#x0364;rdert habe; er entgegnete: er werde<lb/>
verfahren wie &#x017F;eine Vorga&#x0364;nger; gebe es doch Bei&#x017F;piele,<lb/>
daß Knaben in der Wiege Cardina&#x0364;le geworden. Fu&#x0364;r dieß<lb/>
&#x017F;ein Ge&#x017F;chlecht zeigte er eine &#x017F;elb&#x017F;t an die&#x017F;er Stelle un-<lb/>
gewohnte Vorliebe <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Soriano 1535. È Romano di sangue et è d&#x2019;animo molto<lb/>
gagliardo: si promette assai e molto pondera e stima assai l&#x2019;in-<lb/>
giurie che gli si fanno et è inclinatissimo a far grandi i suoi.</hi><lb/>
Varchi (<hi rendition="#aq">Istorie fiorentine p. 636</hi>) erza&#x0364;hlt von Paul&#x2019;s er&#x017F;tem Se-<lb/>
creta&#x0364;r, Me&#x017F;&#x017F;er Ambrogio, &#x201E;der alles vermochte was er wollte und<lb/>
alles wollte was er vermochte.&#x201C; Unter vielen andern Ge&#x017F;chenken be-<lb/>
kam er ein&#x017F;t 60 &#x017F;ilberne Wa&#x017F;chbecken mit ihren Gießkannen. Wie<lb/>
ko&#x0364;mmt es, &#x017F;agte man, daß er bei &#x017F;o vielen Wa&#x017F;chbecken doch nicht<lb/>
reine Hand ha&#x0364;lt?</note>. Er war ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, es eben &#x017F;o<lb/>
gut wie andere Pa&#x0364;p&#x017F;te, zu fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Wu&#x0364;rden zu be-<lb/>
fo&#x0364;rdern.</p><lb/>
          <p>Nicht als ob er nun, wie ein Alexander <hi rendition="#aq">VI.</hi>, alles<lb/>
Uebrige die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht untergeordnet ha&#x0364;tte: das ko&#x0364;nnte<lb/>
man nicht &#x017F;agen; er beab&#x017F;ichtigte auf das ern&#x017F;tlich&#x017F;te, den<lb/>
Frieden zwi&#x017F;chen Frankreich und Spanien herzu&#x017F;tellen, die<lb/>
Prote&#x017F;tanten zu unterdru&#x0364;cken, die Tu&#x0364;rken zu beka&#x0364;mpfen,<lb/>
die Kirche zu reformiren: aber dabei lag es ihm &#x017F;ehr am<lb/>
Herzen, zugleich &#x017F;ein Haus zu erho&#x0364;hen.</p><lb/>
          <p>Indem er nun alle die&#x017F;e Ab&#x017F;ichten, die einander wi-<lb/>
der&#x017F;treben, in &#x017F;ich aufnimmt, indem er zugleich o&#x0364;ffentliche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0266] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. Ließ er aber Anderen ihre Freiheit, goͤnnte er einem Jeden den Vortheil, der ihm durch ſeine Stellung zufiel, ſo wollte auch er von ſeinen Praͤrogativen nicht ein einzi- ges fallen laſſen. Der Kaiſer machte ihm einmal Vorſtel- lungen, daß er zwei ſeiner Enkel in allzufruͤhen Jahren zum Cardinalat befoͤrdert habe; er entgegnete: er werde verfahren wie ſeine Vorgaͤnger; gebe es doch Beiſpiele, daß Knaben in der Wiege Cardinaͤle geworden. Fuͤr dieß ſein Geſchlecht zeigte er eine ſelbſt an dieſer Stelle un- gewohnte Vorliebe 1). Er war entſchloſſen, es eben ſo gut wie andere Paͤpſte, zu fuͤrſtlichen Wuͤrden zu be- foͤrdern. Nicht als ob er nun, wie ein Alexander VI., alles Uebrige dieſer Ruͤckſicht untergeordnet haͤtte: das koͤnnte man nicht ſagen; er beabſichtigte auf das ernſtlichſte, den Frieden zwiſchen Frankreich und Spanien herzuſtellen, die Proteſtanten zu unterdruͤcken, die Tuͤrken zu bekaͤmpfen, die Kirche zu reformiren: aber dabei lag es ihm ſehr am Herzen, zugleich ſein Haus zu erhoͤhen. Indem er nun alle dieſe Abſichten, die einander wi- derſtreben, in ſich aufnimmt, indem er zugleich oͤffentliche und 1) Soriano 1535. È Romano di sangue et è d’animo molto gagliardo: si promette assai e molto pondera e stima assai l’in- giurie che gli si fanno et è inclinatissimo a far grandi i suoi. Varchi (Istorie fiorentine p. 636) erzaͤhlt von Paul’s erſtem Se- cretaͤr, Meſſer Ambrogio, „der alles vermochte was er wollte und alles wollte was er vermochte.“ Unter vielen andern Geſchenken be- kam er einſt 60 ſilberne Waſchbecken mit ihren Gießkannen. Wie koͤmmt es, ſagte man, daß er bei ſo vielen Waſchbecken doch nicht reine Hand haͤlt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/266
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/266>, abgerufen am 18.05.2024.