enge verbündeten Freunden, die ebenfalls Mitglieder jenes Oratoriums gewesen waren, legten sie am 14. September 1524 feierlich die drei Gelübde ab 1). Das Gelübde der Armuth mit dem besondern Zusatz, daß sie nicht allein nichts besitzen, sondern auch das Betteln vermeiden wür- den: in ihrem Hause wollten sie die Almosen erwarten. Nach kurzem Aufenthalt in der Stadt bezogen sie ein klei- nes Haus auf dem Monte Pincio, bei der Vigna Capi- succhi, aus der später die Villa Medici geworden, wo da- mals, obwohl innerhalb der Mauern von Rom eine tiefe Einsamkeit war: hier lebten sie in der Armuth, die sie sich vorgeschrieben, in geistlichen Uebungen, in dem genau vorge- zeichneten und alle Monat wiederholten Studium der Evan- gelien: dann gingen sie nach der Stadt herab, um zu pre- digen.
Sie nannten sich nicht Mönche, sondern regulare Cle- riker: sie waren Priester mit Mönchsgelübden. Ihre Ab- sicht war, eine Art von Priesterseminar einzurichten. Das Breve ihrer Stiftung erlaubte ihnen ausdrücklich, Welt- geistliche aufzunehmen. Eine bestimmte Form und Farbe der Tracht legten sie sich ursprünglich nicht auf: der Ge- brauch der Landesgeistlichkeit sollte dieselbe bestimmen. Auch den Gottesdienst wollten sie allenthalben nach landüblichen Gebräuchen halten. Und so machten sie sich von vielem frei, was die Mönche fesselte; sie erklärten ausdrücklich: weder in Leben noch Gottesdienst solle irgend ein Gebrauch das Gewissen verpflichten 2); dagegen wollten sie sich den
1) Die Acte hierüber findet man in dem commentarius prae- vius AA. SS. Aug. II, 249.
2) Regel der Theatiner bei Bromato Vita di Paolo IV, lib.
Neue Orden.
enge verbuͤndeten Freunden, die ebenfalls Mitglieder jenes Oratoriums geweſen waren, legten ſie am 14. September 1524 feierlich die drei Geluͤbde ab 1). Das Geluͤbde der Armuth mit dem beſondern Zuſatz, daß ſie nicht allein nichts beſitzen, ſondern auch das Betteln vermeiden wuͤr- den: in ihrem Hauſe wollten ſie die Almoſen erwarten. Nach kurzem Aufenthalt in der Stadt bezogen ſie ein klei- nes Haus auf dem Monte Pincio, bei der Vigna Capi- ſucchi, aus der ſpaͤter die Villa Medici geworden, wo da- mals, obwohl innerhalb der Mauern von Rom eine tiefe Einſamkeit war: hier lebten ſie in der Armuth, die ſie ſich vorgeſchrieben, in geiſtlichen Uebungen, in dem genau vorge- zeichneten und alle Monat wiederholten Studium der Evan- gelien: dann gingen ſie nach der Stadt herab, um zu pre- digen.
Sie nannten ſich nicht Moͤnche, ſondern regulare Cle- riker: ſie waren Prieſter mit Moͤnchsgeluͤbden. Ihre Ab- ſicht war, eine Art von Prieſterſeminar einzurichten. Das Breve ihrer Stiftung erlaubte ihnen ausdruͤcklich, Welt- geiſtliche aufzunehmen. Eine beſtimmte Form und Farbe der Tracht legten ſie ſich urſpruͤnglich nicht auf: der Ge- brauch der Landesgeiſtlichkeit ſollte dieſelbe beſtimmen. Auch den Gottesdienſt wollten ſie allenthalben nach landuͤblichen Gebraͤuchen halten. Und ſo machten ſie ſich von vielem frei, was die Moͤnche feſſelte; ſie erklaͤrten ausdruͤcklich: weder in Leben noch Gottesdienſt ſolle irgend ein Gebrauch das Gewiſſen verpflichten 2); dagegen wollten ſie ſich den
1) Die Acte hieruͤber findet man in dem commentarius prae- vius AA. SS. Aug. II, 249.
2) Regel der Theatiner bei Bromato Vita di Paolo IV, lib.
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Neue Orden.
enge verbuͤndeten Freunden, die ebenfalls Mitglieder jenes
Oratoriums geweſen waren, legten ſie am 14. September
1524 feierlich die drei Geluͤbde ab 1). Das Geluͤbde der
Armuth mit dem beſondern Zuſatz, daß ſie nicht allein
nichts beſitzen, ſondern auch das Betteln vermeiden wuͤr-
den: in ihrem Hauſe wollten ſie die Almoſen erwarten.
Nach kurzem Aufenthalt in der Stadt bezogen ſie ein klei-
nes Haus auf dem Monte Pincio, bei der Vigna Capi-
ſucchi, aus der ſpaͤter die Villa Medici geworden, wo da-
mals, obwohl innerhalb der Mauern von Rom eine tiefe
Einſamkeit war: hier lebten ſie in der Armuth, die ſie ſich
vorgeſchrieben, in geiſtlichen Uebungen, in dem genau vorge-
zeichneten und alle Monat wiederholten Studium der Evan-
gelien: dann gingen ſie nach der Stadt herab, um zu pre-
digen.
Sie nannten ſich nicht Moͤnche, ſondern regulare Cle-
riker: ſie waren Prieſter mit Moͤnchsgeluͤbden. Ihre Ab-
ſicht war, eine Art von Prieſterſeminar einzurichten. Das
Breve ihrer Stiftung erlaubte ihnen ausdruͤcklich, Welt-
geiſtliche aufzunehmen. Eine beſtimmte Form und Farbe
der Tracht legten ſie ſich urſpruͤnglich nicht auf: der Ge-
brauch der Landesgeiſtlichkeit ſollte dieſelbe beſtimmen. Auch
den Gottesdienſt wollten ſie allenthalben nach landuͤblichen
Gebraͤuchen halten. Und ſo machten ſie ſich von vielem
frei, was die Moͤnche feſſelte; ſie erklaͤrten ausdruͤcklich:
weder in Leben noch Gottesdienſt ſolle irgend ein Gebrauch
das Gewiſſen verpflichten 2); dagegen wollten ſie ſich den
1) Die Acte hieruͤber findet man in dem commentarius prae-
vius AA. SS. Aug. II, 249.
2) Regel der Theatiner bei Bromato Vita di Paolo IV, lib.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/199>, abgerufen am 05.07.2024.
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