Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
da Thiene, friedfertig, stillehin, sanftmüthig, von wenig
Worten, den Entzückungen eines geistlichen Enthusiasmus
hingegeben: von dem man gesagt, er wünsche die Welt zu
reformiren, aber ohne daß man wisse er sey auf der
Welt 1). Der andere: Johann Peter Caraffa, von dem
noch ausführlich zu reden seyn wird: heftig, aufbrausend,
stürmisch, ein Zelot. Auch Caraffa aber erkannte, wie er
sagte, daß sein Herz nur um so bedrängter geworden, je
mehr es seinem Begehren nachgegangen sey; daß es nur
Ruhe finden könne, wenn es sich selbst für Gott verlasse;
nur in dem Umgang mit himmlischen Dingen. So trafen
sie in dem Bedürfniß der Zurückgezogenheit, die dem Einen
Natur, dem Andern Wunsch und Begehren, und in der
Neigung zu geistlicher Thätigkeit zusammen. Ueberzeugt
von der Nothwendigkeit einer Reform vereinigten sie sich zu
einem Institut, -- man hat es den Orden der Theatiner
genannt -- das zugleich Contemplation und Verbesserung
des Clerus zu seinem Endzweck hatte 2).

Gaetano gehörte zu den Protonari partecipanti: er gab
diese Pfründe: Caraffa besaß das Bisthum Chieti, das
Erzbisthum Brindisi: er gab sie beide auf. Mit zwei

1) Caracciolus: Vita S. Cajetani Thienaei c. IX, 101. "In
conversatione humilis, mansuetus, modestus pauci sermonis --
-- Meminique me illum saepe vidisse inter precandum lacryman-
tem.
Sehr wohl bezeichnet ihn das Zeugniß einer frommen Ge-
sellschaft in Vicenza, das man eben dort findet c. I, nr. 12.
2) Caracciolus c. 2, §. 19., bezeichnet ihre Absicht "clericis,
quos ingenti populorum exitio improbitas inscitiaque corrupis-
sent, clericos alios debere suffici, quorum opera damnum, quod
illi per pravum exemplum intulissent sanaretur."

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
da Thiene, friedfertig, ſtillehin, ſanftmuͤthig, von wenig
Worten, den Entzuͤckungen eines geiſtlichen Enthuſiasmus
hingegeben: von dem man geſagt, er wuͤnſche die Welt zu
reformiren, aber ohne daß man wiſſe er ſey auf der
Welt 1). Der andere: Johann Peter Caraffa, von dem
noch ausfuͤhrlich zu reden ſeyn wird: heftig, aufbrauſend,
ſtuͤrmiſch, ein Zelot. Auch Caraffa aber erkannte, wie er
ſagte, daß ſein Herz nur um ſo bedraͤngter geworden, je
mehr es ſeinem Begehren nachgegangen ſey; daß es nur
Ruhe finden koͤnne, wenn es ſich ſelbſt fuͤr Gott verlaſſe;
nur in dem Umgang mit himmliſchen Dingen. So trafen
ſie in dem Beduͤrfniß der Zuruͤckgezogenheit, die dem Einen
Natur, dem Andern Wunſch und Begehren, und in der
Neigung zu geiſtlicher Thaͤtigkeit zuſammen. Ueberzeugt
von der Nothwendigkeit einer Reform vereinigten ſie ſich zu
einem Inſtitut, — man hat es den Orden der Theatiner
genannt — das zugleich Contemplation und Verbeſſerung
des Clerus zu ſeinem Endzweck hatte 2).

Gaetano gehoͤrte zu den Protonari partecipanti: er gab
dieſe Pfruͤnde: Caraffa beſaß das Bisthum Chieti, das
Erzbisthum Brindiſi: er gab ſie beide auf. Mit zwei

1) Caracciolus: Vita S. Cajetani Thienaei c. IX, 101. „In
conversatione humilis, mansuetus, modestus pauci sermonis —
— Meminique me illum saepe vidisse inter precandum lacryman-
tem.
Sehr wohl bezeichnet ihn das Zeugniß einer frommen Ge-
ſellſchaft in Vicenza, das man eben dort findet c. I, nr. 12.
2) Caracciolus c. 2, §. 19., bezeichnet ihre Abſicht „clericis,
quos ingenti populorum exitio improbitas inscitiaque corrupis-
sent, clericos alios debere suffici, quorum opera damnum, quod
illi per pravum exemplum intulissent sanaretur.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0198" n="172"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Regeneration des Katholicismus</hi>.</fw><lb/>
da Thiene, friedfertig, &#x017F;tillehin, &#x017F;anftmu&#x0364;thig, von wenig<lb/>
Worten, den Entzu&#x0364;ckungen eines gei&#x017F;tlichen Enthu&#x017F;iasmus<lb/>
hingegeben: von dem man ge&#x017F;agt, er wu&#x0364;n&#x017F;che die Welt zu<lb/>
reformiren, aber ohne daß man wi&#x017F;&#x017F;e er &#x017F;ey auf der<lb/>
Welt <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Caracciolus: Vita S. Cajetani Thienaei c. IX, 101. &#x201E;In<lb/>
conversatione humilis, mansuetus, modestus pauci sermonis &#x2014;<lb/>
&#x2014; Meminique me illum saepe vidisse inter precandum lacryman-<lb/>
tem.</hi> Sehr wohl bezeichnet ihn das Zeugniß einer frommen Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft in Vicenza, das man eben dort findet <hi rendition="#aq">c. I, nr.</hi> 12.</note>. Der andere: Johann Peter Caraffa, von dem<lb/>
noch ausfu&#x0364;hrlich zu reden &#x017F;eyn wird: heftig, aufbrau&#x017F;end,<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch, ein Zelot. Auch Caraffa aber erkannte, wie er<lb/>
&#x017F;agte, daß &#x017F;ein Herz nur um &#x017F;o bedra&#x0364;ngter geworden, je<lb/>
mehr es &#x017F;einem Begehren nachgegangen &#x017F;ey; daß es nur<lb/>
Ruhe finden ko&#x0364;nne, wenn es &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r Gott verla&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
nur in dem Umgang mit himmli&#x017F;chen Dingen. So trafen<lb/>
&#x017F;ie in dem Bedu&#x0364;rfniß der Zuru&#x0364;ckgezogenheit, die dem Einen<lb/>
Natur, dem Andern Wun&#x017F;ch und Begehren, und in der<lb/>
Neigung zu gei&#x017F;tlicher Tha&#x0364;tigkeit zu&#x017F;ammen. Ueberzeugt<lb/>
von der Nothwendigkeit einer Reform vereinigten &#x017F;ie &#x017F;ich zu<lb/>
einem In&#x017F;titut, &#x2014; man hat es den Orden der Theatiner<lb/>
genannt &#x2014; das zugleich Contemplation und Verbe&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
des Clerus zu &#x017F;einem Endzweck hatte <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Caracciolus c. 2, §. 19.,</hi> bezeichnet ihre Ab&#x017F;icht <hi rendition="#aq">&#x201E;clericis,<lb/>
quos ingenti populorum exitio improbitas inscitiaque corrupis-<lb/>
sent, clericos alios debere suffici, quorum opera damnum, quod<lb/>
illi per pravum exemplum intulissent sanaretur.&#x201C;</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Gaetano geho&#x0364;rte zu den Protonari partecipanti: er gab<lb/>
die&#x017F;e Pfru&#x0364;nde: Caraffa be&#x017F;aß das Bisthum Chieti, das<lb/>
Erzbisthum Brindi&#x017F;i: er gab &#x017F;ie beide auf. Mit zwei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0198] Buch II. Regeneration des Katholicismus. da Thiene, friedfertig, ſtillehin, ſanftmuͤthig, von wenig Worten, den Entzuͤckungen eines geiſtlichen Enthuſiasmus hingegeben: von dem man geſagt, er wuͤnſche die Welt zu reformiren, aber ohne daß man wiſſe er ſey auf der Welt 1). Der andere: Johann Peter Caraffa, von dem noch ausfuͤhrlich zu reden ſeyn wird: heftig, aufbrauſend, ſtuͤrmiſch, ein Zelot. Auch Caraffa aber erkannte, wie er ſagte, daß ſein Herz nur um ſo bedraͤngter geworden, je mehr es ſeinem Begehren nachgegangen ſey; daß es nur Ruhe finden koͤnne, wenn es ſich ſelbſt fuͤr Gott verlaſſe; nur in dem Umgang mit himmliſchen Dingen. So trafen ſie in dem Beduͤrfniß der Zuruͤckgezogenheit, die dem Einen Natur, dem Andern Wunſch und Begehren, und in der Neigung zu geiſtlicher Thaͤtigkeit zuſammen. Ueberzeugt von der Nothwendigkeit einer Reform vereinigten ſie ſich zu einem Inſtitut, — man hat es den Orden der Theatiner genannt — das zugleich Contemplation und Verbeſſerung des Clerus zu ſeinem Endzweck hatte 2). Gaetano gehoͤrte zu den Protonari partecipanti: er gab dieſe Pfruͤnde: Caraffa beſaß das Bisthum Chieti, das Erzbisthum Brindiſi: er gab ſie beide auf. Mit zwei 1) Caracciolus: Vita S. Cajetani Thienaei c. IX, 101. „In conversatione humilis, mansuetus, modestus pauci sermonis — — Meminique me illum saepe vidisse inter precandum lacryman- tem. Sehr wohl bezeichnet ihn das Zeugniß einer frommen Ge- ſellſchaft in Vicenza, das man eben dort findet c. I, nr. 12. 2) Caracciolus c. 2, §. 19., bezeichnet ihre Abſicht „clericis, quos ingenti populorum exitio improbitas inscitiaque corrupis- sent, clericos alios debere suffici, quorum opera damnum, quod illi per pravum exemplum intulissent sanaretur.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/198
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/198>, abgerufen am 02.05.2024.