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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.

Ob sie aber nicht bereits zu weit gediehen war, ob
die abweichenden Meinungen nicht bereits zu mächtig Wur-
zel gefaßt hatten? Ich möchte darüber doch nicht sofort
entscheiden.

Ein andrer Venezianer, Marin Giustiniano, der unser
Vaterland kurz vor diesem Reichstag verließ, und die Lage
der Dinge sorgfältig beobachtet zu haben scheint, schildert
es wenigstens als sehr möglich 1). Nur seyen, findet er,
einige bedeutende Zugeständnisse unerläßlich. Er macht
folgende namhaft. "Der Papst dürfe nicht mehr als
Christi Stellvertreter im Weltlichen wie im Geistlichen an-
gesehen werden wollen -- den ungelehrten und lasterhaften
Bischöfen und Priestern müsse man Substituten setzen, un-
tadelhaft in ihrem Leben und fähig das Volk zu unterrich-
ten -- weder Verkauf der Messe noch Anhäufung der Pfrün-
den, noch den Mißbrauch der Compositionen dürfe man länger
dulden -- die Uebertretung der Fastengesetze höchstens mit
leichten Strafen belegen; -- werde dann die Communion
unter beiden Gestalten und die Priesterehe gestattet, so werde
man in Deutschland sofort aller Zwietracht absagen, dem
Papst in geistlichen Dingen Obedienz leisten, die Messe ge-
schehen lassen, die Ohrenbeichte zugeben, und sogar die
Nothwendigkeit der guten Werke, als einer Frucht des Glau-
bens, insofern sie nemlich aus dem Glauben folgen, aner-
kennen. Wie die Zwietracht aus den Mißbräuchen entsprun-
gen, so werde sie durch eine Abstellung derselben zu heben
seyn."


1) Relazione del clarmo. M. Marino Giustinian Kavr. (ri-
tornato) dalla legazione di Germania sotto Ferdinando, re di
Romani. Bibl. Corsini
zu Rom nr. 481.
Buch II. Regeneration des Katholicismus.

Ob ſie aber nicht bereits zu weit gediehen war, ob
die abweichenden Meinungen nicht bereits zu maͤchtig Wur-
zel gefaßt hatten? Ich moͤchte daruͤber doch nicht ſofort
entſcheiden.

Ein andrer Venezianer, Marin Giuſtiniano, der unſer
Vaterland kurz vor dieſem Reichstag verließ, und die Lage
der Dinge ſorgfaͤltig beobachtet zu haben ſcheint, ſchildert
es wenigſtens als ſehr moͤglich 1). Nur ſeyen, findet er,
einige bedeutende Zugeſtaͤndniſſe unerlaͤßlich. Er macht
folgende namhaft. „Der Papſt duͤrfe nicht mehr als
Chriſti Stellvertreter im Weltlichen wie im Geiſtlichen an-
geſehen werden wollen — den ungelehrten und laſterhaften
Biſchoͤfen und Prieſtern muͤſſe man Subſtituten ſetzen, un-
tadelhaft in ihrem Leben und faͤhig das Volk zu unterrich-
ten — weder Verkauf der Meſſe noch Anhaͤufung der Pfruͤn-
den, noch den Mißbrauch der Compoſitionen duͤrfe man laͤnger
dulden — die Uebertretung der Faſtengeſetze hoͤchſtens mit
leichten Strafen belegen; — werde dann die Communion
unter beiden Geſtalten und die Prieſterehe geſtattet, ſo werde
man in Deutſchland ſofort aller Zwietracht abſagen, dem
Papſt in geiſtlichen Dingen Obedienz leiſten, die Meſſe ge-
ſchehen laſſen, die Ohrenbeichte zugeben, und ſogar die
Nothwendigkeit der guten Werke, als einer Frucht des Glau-
bens, inſofern ſie nemlich aus dem Glauben folgen, aner-
kennen. Wie die Zwietracht aus den Mißbraͤuchen entſprun-
gen, ſo werde ſie durch eine Abſtellung derſelben zu heben
ſeyn.“


1) Relazione del clarmo. M. Marino Giustinian Kavr. (ri-
tornato) dalla legazione di Germania sotto Ferdinando, re di
Romani. Bibl. Corsini
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[156/0182] Buch II. Regeneration des Katholicismus. Ob ſie aber nicht bereits zu weit gediehen war, ob die abweichenden Meinungen nicht bereits zu maͤchtig Wur- zel gefaßt hatten? Ich moͤchte daruͤber doch nicht ſofort entſcheiden. Ein andrer Venezianer, Marin Giuſtiniano, der unſer Vaterland kurz vor dieſem Reichstag verließ, und die Lage der Dinge ſorgfaͤltig beobachtet zu haben ſcheint, ſchildert es wenigſtens als ſehr moͤglich 1). Nur ſeyen, findet er, einige bedeutende Zugeſtaͤndniſſe unerlaͤßlich. Er macht folgende namhaft. „Der Papſt duͤrfe nicht mehr als Chriſti Stellvertreter im Weltlichen wie im Geiſtlichen an- geſehen werden wollen — den ungelehrten und laſterhaften Biſchoͤfen und Prieſtern muͤſſe man Subſtituten ſetzen, un- tadelhaft in ihrem Leben und faͤhig das Volk zu unterrich- ten — weder Verkauf der Meſſe noch Anhaͤufung der Pfruͤn- den, noch den Mißbrauch der Compoſitionen duͤrfe man laͤnger dulden — die Uebertretung der Faſtengeſetze hoͤchſtens mit leichten Strafen belegen; — werde dann die Communion unter beiden Geſtalten und die Prieſterehe geſtattet, ſo werde man in Deutſchland ſofort aller Zwietracht abſagen, dem Papſt in geiſtlichen Dingen Obedienz leiſten, die Meſſe ge- ſchehen laſſen, die Ohrenbeichte zugeben, und ſogar die Nothwendigkeit der guten Werke, als einer Frucht des Glau- bens, inſofern ſie nemlich aus dem Glauben folgen, aner- kennen. Wie die Zwietracht aus den Mißbraͤuchen entſprun- gen, ſo werde ſie durch eine Abſtellung derſelben zu heben ſeyn.“ 1) Relazione del clarmo. M. Marino Giustinian Kavr. (ri- tornato) dalla legazione di Germania sotto Ferdinando, re di Romani. Bibl. Corsini zu Rom nr. 481.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/182>, abgerufen am 26.11.2024.