Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuche einer Aussöhnung m. d. Protestanten.

Den ganzen Eifer nun, den er bisher seiner Vater-
stadt gewidmet, wandte er seitdem auf die allgemeinen An-
gelegenheiten der Kirche. Oft hatte er die Cardinäle gegen
sich, die es seltsam fanden, daß ein kaum Angekommener,
ein Venezianer den römischen Hof reformiren wolle: zuwei-
len auch den Papst. Er widersetzte sich einst der Ernen-
nung eines Cardinals. "Wir wissen," sagte der Papst,
"wie man in diesen Gewässern schifft: die Cardinäle lieben
es nicht, daß ihnen ein andrer an Ehre gleich werde."
Betroffen sagte Contarini: "ich glaube nicht, daß der Car-
dinalhut meine größte Ehre ist."

Auch hier behauptete er sich in seiner Strenge, Einfach-
heit, Thätigkeit: in der Würde und Milde seiner Gesinnung.

Die Natur läßt das einfach gegliederte Gewächs nicht
ohne den Schmuck der Blüthe, in dem sein Daseyn ath-
met und sich mittheilt. In dem Menschen ist es die Ge-
sinnung, welche von allen höhern Kräften seines Lebens
zusammen hervorgebracht wird, und ihm dann seine mo-
ralische Haltung, seiner Erscheinung ihren Ausdruck ver-
leiht. In Contarini war es Milde: innere Wahrheit:
keusche Sittlichkeit; besonders die tiefere religiöse Ueber-
zeugung, die den Menschen beglückt, indem sie ihn er-
leuchtet.

Voll von dieser Gesinnnung, gemäßigt, mit den Pro-
testanten in dem wichtigsten Lehrstück fast von der gleichen
Ansicht, erschien Contarini in Deutschland; mit einer Re-
generation der Lehre von eben diesem Punkte aus, der
Abstellung der Mißbräuche hoffte er die Spaltung beilegen
zu können.


Verſuche einer Ausſoͤhnung m. d. Proteſtanten.

Den ganzen Eifer nun, den er bisher ſeiner Vater-
ſtadt gewidmet, wandte er ſeitdem auf die allgemeinen An-
gelegenheiten der Kirche. Oft hatte er die Cardinaͤle gegen
ſich, die es ſeltſam fanden, daß ein kaum Angekommener,
ein Venezianer den roͤmiſchen Hof reformiren wolle: zuwei-
len auch den Papſt. Er widerſetzte ſich einſt der Ernen-
nung eines Cardinals. „Wir wiſſen,“ ſagte der Papſt,
„wie man in dieſen Gewaͤſſern ſchifft: die Cardinaͤle lieben
es nicht, daß ihnen ein andrer an Ehre gleich werde.“
Betroffen ſagte Contarini: „ich glaube nicht, daß der Car-
dinalhut meine groͤßte Ehre iſt.“

Auch hier behauptete er ſich in ſeiner Strenge, Einfach-
heit, Thaͤtigkeit: in der Wuͤrde und Milde ſeiner Geſinnung.

Die Natur laͤßt das einfach gegliederte Gewaͤchs nicht
ohne den Schmuck der Bluͤthe, in dem ſein Daſeyn ath-
met und ſich mittheilt. In dem Menſchen iſt es die Ge-
ſinnung, welche von allen hoͤhern Kraͤften ſeines Lebens
zuſammen hervorgebracht wird, und ihm dann ſeine mo-
raliſche Haltung, ſeiner Erſcheinung ihren Ausdruck ver-
leiht. In Contarini war es Milde: innere Wahrheit:
keuſche Sittlichkeit; beſonders die tiefere religioͤſe Ueber-
zeugung, die den Menſchen begluͤckt, indem ſie ihn er-
leuchtet.

Voll von dieſer Geſinnnung, gemaͤßigt, mit den Pro-
teſtanten in dem wichtigſten Lehrſtuͤck faſt von der gleichen
Anſicht, erſchien Contarini in Deutſchland; mit einer Re-
generation der Lehre von eben dieſem Punkte aus, der
Abſtellung der Mißbraͤuche hoffte er die Spaltung beilegen
zu koͤnnen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0181" n="155"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ver&#x017F;uche einer Aus&#x017F;o&#x0364;hnung m. d. Prote&#x017F;tanten</hi>.</fw><lb/>
          <p>Den ganzen Eifer nun, den er bisher &#x017F;einer Vater-<lb/>
&#x017F;tadt gewidmet, wandte er &#x017F;eitdem auf die allgemeinen An-<lb/>
gelegenheiten der Kirche. Oft hatte er die Cardina&#x0364;le gegen<lb/>
&#x017F;ich, die es &#x017F;elt&#x017F;am fanden, daß ein kaum Angekommener,<lb/>
ein Venezianer den ro&#x0364;mi&#x017F;chen Hof reformiren wolle: zuwei-<lb/>
len auch den Pap&#x017F;t. Er wider&#x017F;etzte &#x017F;ich ein&#x017F;t der Ernen-<lb/>
nung eines Cardinals. &#x201E;Wir wi&#x017F;&#x017F;en,&#x201C; &#x017F;agte der Pap&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;wie man in die&#x017F;en Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;chifft: die Cardina&#x0364;le lieben<lb/>
es nicht, daß ihnen ein andrer an Ehre gleich werde.&#x201C;<lb/>
Betroffen &#x017F;agte Contarini: &#x201E;ich glaube nicht, daß der Car-<lb/>
dinalhut meine gro&#x0364;ßte Ehre i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Auch hier behauptete er &#x017F;ich in &#x017F;einer Strenge, Einfach-<lb/>
heit, Tha&#x0364;tigkeit: in der Wu&#x0364;rde und Milde &#x017F;einer Ge&#x017F;innung.</p><lb/>
          <p>Die Natur la&#x0364;ßt das einfach gegliederte Gewa&#x0364;chs nicht<lb/>
ohne den Schmuck der Blu&#x0364;the, in dem &#x017F;ein Da&#x017F;eyn ath-<lb/>
met und &#x017F;ich mittheilt. In dem Men&#x017F;chen i&#x017F;t es die Ge-<lb/>
&#x017F;innung, welche von allen ho&#x0364;hern Kra&#x0364;ften &#x017F;eines Lebens<lb/>
zu&#x017F;ammen hervorgebracht wird, und ihm dann &#x017F;eine mo-<lb/>
rali&#x017F;che Haltung, &#x017F;einer Er&#x017F;cheinung ihren Ausdruck ver-<lb/>
leiht. In Contarini war es Milde: innere Wahrheit:<lb/>
keu&#x017F;che Sittlichkeit; be&#x017F;onders die tiefere religio&#x0364;&#x017F;e Ueber-<lb/>
zeugung, die den Men&#x017F;chen beglu&#x0364;ckt, indem &#x017F;ie ihn er-<lb/>
leuchtet.</p><lb/>
          <p>Voll von die&#x017F;er Ge&#x017F;innnung, gema&#x0364;ßigt, mit den Pro-<lb/>
te&#x017F;tanten in dem wichtig&#x017F;ten Lehr&#x017F;tu&#x0364;ck fa&#x017F;t von der gleichen<lb/>
An&#x017F;icht, er&#x017F;chien Contarini in Deut&#x017F;chland; mit einer Re-<lb/>
generation der Lehre von eben die&#x017F;em Punkte aus, der<lb/>
Ab&#x017F;tellung der Mißbra&#x0364;uche hoffte er die Spaltung beilegen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0181] Verſuche einer Ausſoͤhnung m. d. Proteſtanten. Den ganzen Eifer nun, den er bisher ſeiner Vater- ſtadt gewidmet, wandte er ſeitdem auf die allgemeinen An- gelegenheiten der Kirche. Oft hatte er die Cardinaͤle gegen ſich, die es ſeltſam fanden, daß ein kaum Angekommener, ein Venezianer den roͤmiſchen Hof reformiren wolle: zuwei- len auch den Papſt. Er widerſetzte ſich einſt der Ernen- nung eines Cardinals. „Wir wiſſen,“ ſagte der Papſt, „wie man in dieſen Gewaͤſſern ſchifft: die Cardinaͤle lieben es nicht, daß ihnen ein andrer an Ehre gleich werde.“ Betroffen ſagte Contarini: „ich glaube nicht, daß der Car- dinalhut meine groͤßte Ehre iſt.“ Auch hier behauptete er ſich in ſeiner Strenge, Einfach- heit, Thaͤtigkeit: in der Wuͤrde und Milde ſeiner Geſinnung. Die Natur laͤßt das einfach gegliederte Gewaͤchs nicht ohne den Schmuck der Bluͤthe, in dem ſein Daſeyn ath- met und ſich mittheilt. In dem Menſchen iſt es die Ge- ſinnung, welche von allen hoͤhern Kraͤften ſeines Lebens zuſammen hervorgebracht wird, und ihm dann ſeine mo- raliſche Haltung, ſeiner Erſcheinung ihren Ausdruck ver- leiht. In Contarini war es Milde: innere Wahrheit: keuſche Sittlichkeit; beſonders die tiefere religioͤſe Ueber- zeugung, die den Menſchen begluͤckt, indem ſie ihn er- leuchtet. Voll von dieſer Geſinnnung, gemaͤßigt, mit den Pro- teſtanten in dem wichtigſten Lehrſtuͤck faſt von der gleichen Anſicht, erſchien Contarini in Deutſchland; mit einer Re- generation der Lehre von eben dieſem Punkte aus, der Abſtellung der Mißbraͤuche hoffte er die Spaltung beilegen zu koͤnnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/181
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/181>, abgerufen am 02.05.2024.