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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Unter Clemens VII.
folgte, so trugen ihm diese Maaßregeln auf dem geistlichen
Gebiete noch bitterere Früchte.

König Ferdinand, bedroht in seinen erblichen Pro-
vinzen, eilte den Frieden von Kadan zu schließen, in wel-
chem er Würtemberg fahren ließ, und sogar in ein enge-
res Verständniß mit dem Landgrafen selber trat. Es wa-
ren die glücklichsten Tage Philipps von Hessen. Daß
er einem verjagten deutschen Fürsten mit gewaltiger Hand
zu seinem Recht verholfen, machte ihn zu einem der an-
gesehensten Oberhäupter des Reiches. Er hatte aber da-
mit auch noch einen anderen wichtigen Erfolg erkämpft.
Dieser Friede enthielt zugleich eine tiefgreifende Bestim-
mung über die religiösen Streitigkeiten. Das Kammerge-
richt ward angewiesen, über die eingezogenen geistlichen Gü-
ter keine Klagen weiter anzunehmen.

Ich weiß nicht, ob irgend ein anderes einzelnes Er-
eigniß für das Uebergewicht des protestantischen Namens
in Deutschland so entscheidend eingewirkt hat, wie diese
hessische Unternehmung. In jener Weisung des Kammer-
gerichts liegt eine juridische Sicherung der neuen Partei,
die von ungemeiner Bedeutung ist. Auch ließ sich die
Wirkung nicht lange erwarten. Den Frieden von Kadan,
dünkt mich, können wir als die zweite große Epoche der
Erhebung einer protestantischen Macht in Deutschland be-
trachten. Nachdem sie eine Zeitlang mindere Fortschritte
gemacht, fing sie aufs neue an sich auf das glänzendste
auszubreiten. Würtemberg, welches man eingenommen, ward
ohne Weiteres reformirt. Die deutschen Provinzen von
Dänemark, Pommern, die Mark Brandenburg, die zweite

Unter Clemens VII.
folgte, ſo trugen ihm dieſe Maaßregeln auf dem geiſtlichen
Gebiete noch bitterere Fruͤchte.

Koͤnig Ferdinand, bedroht in ſeinen erblichen Pro-
vinzen, eilte den Frieden von Kadan zu ſchließen, in wel-
chem er Wuͤrtemberg fahren ließ, und ſogar in ein enge-
res Verſtaͤndniß mit dem Landgrafen ſelber trat. Es wa-
ren die gluͤcklichſten Tage Philipps von Heſſen. Daß
er einem verjagten deutſchen Fuͤrſten mit gewaltiger Hand
zu ſeinem Recht verholfen, machte ihn zu einem der an-
geſehenſten Oberhaͤupter des Reiches. Er hatte aber da-
mit auch noch einen anderen wichtigen Erfolg erkaͤmpft.
Dieſer Friede enthielt zugleich eine tiefgreifende Beſtim-
mung uͤber die religioͤſen Streitigkeiten. Das Kammerge-
richt ward angewieſen, uͤber die eingezogenen geiſtlichen Guͤ-
ter keine Klagen weiter anzunehmen.

Ich weiß nicht, ob irgend ein anderes einzelnes Er-
eigniß fuͤr das Uebergewicht des proteſtantiſchen Namens
in Deutſchland ſo entſcheidend eingewirkt hat, wie dieſe
heſſiſche Unternehmung. In jener Weiſung des Kammer-
gerichts liegt eine juridiſche Sicherung der neuen Partei,
die von ungemeiner Bedeutung iſt. Auch ließ ſich die
Wirkung nicht lange erwarten. Den Frieden von Kadan,
duͤnkt mich, koͤnnen wir als die zweite große Epoche der
Erhebung einer proteſtantiſchen Macht in Deutſchland be-
trachten. Nachdem ſie eine Zeitlang mindere Fortſchritte
gemacht, fing ſie aufs neue an ſich auf das glaͤnzendſte
auszubreiten. Wuͤrtemberg, welches man eingenommen, ward
ohne Weiteres reformirt. Die deutſchen Provinzen von
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[123/0149] Unter Clemens VII. folgte, ſo trugen ihm dieſe Maaßregeln auf dem geiſtlichen Gebiete noch bitterere Fruͤchte. Koͤnig Ferdinand, bedroht in ſeinen erblichen Pro- vinzen, eilte den Frieden von Kadan zu ſchließen, in wel- chem er Wuͤrtemberg fahren ließ, und ſogar in ein enge- res Verſtaͤndniß mit dem Landgrafen ſelber trat. Es wa- ren die gluͤcklichſten Tage Philipps von Heſſen. Daß er einem verjagten deutſchen Fuͤrſten mit gewaltiger Hand zu ſeinem Recht verholfen, machte ihn zu einem der an- geſehenſten Oberhaͤupter des Reiches. Er hatte aber da- mit auch noch einen anderen wichtigen Erfolg erkaͤmpft. Dieſer Friede enthielt zugleich eine tiefgreifende Beſtim- mung uͤber die religioͤſen Streitigkeiten. Das Kammerge- richt ward angewieſen, uͤber die eingezogenen geiſtlichen Guͤ- ter keine Klagen weiter anzunehmen. Ich weiß nicht, ob irgend ein anderes einzelnes Er- eigniß fuͤr das Uebergewicht des proteſtantiſchen Namens in Deutſchland ſo entſcheidend eingewirkt hat, wie dieſe heſſiſche Unternehmung. In jener Weiſung des Kammer- gerichts liegt eine juridiſche Sicherung der neuen Partei, die von ungemeiner Bedeutung iſt. Auch ließ ſich die Wirkung nicht lange erwarten. Den Frieden von Kadan, duͤnkt mich, koͤnnen wir als die zweite große Epoche der Erhebung einer proteſtantiſchen Macht in Deutſchland be- trachten. Nachdem ſie eine Zeitlang mindere Fortſchritte gemacht, fing ſie aufs neue an ſich auf das glaͤnzendſte auszubreiten. Wuͤrtemberg, welches man eingenommen, ward ohne Weiteres reformirt. Die deutſchen Provinzen von Daͤnemark, Pommern, die Mark Brandenburg, die zweite

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/149>, abgerufen am 08.05.2024.