Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

mit der klassischen Litteratur sehr bekannt, und er läßt nicht leicht eine Gelegenheit vorbey, diese Kenntniß durch Citate zu zeigen.

Der Geist der irrenden Ritterschaft ist hier bereits mehr ausgebildet, als in den früheren Romanen. Die Gebräuche bey der Aufnahme in den Orden dieser Ritterschaft haben eine bestimmtere Form erhalten: die Ritter weihen sich dem Dienste der Damen mit mehrerer Förmlichkeit, und geben ihnen öffentlichere Beweise ihrer Huldigung. Der Ausdruck der Leidenschaft ist bey den Männern bis zum Ekel schmelzend und weinerlich empfindsam. Die Helden fallen in Ohnmacht bey dem bloßen Gedanken an ihre Damen: ihre Seele quillt unter häufigen Thränen aus ihren Augen heraus, und selbst in den Augenblicken, worin sie die größten Beweise von Gegenliebe erhalten, glauben sie im Gefühl ihrer Unwürdigkeit verzweifeln zu müssen. Aber so abhängig die Liebhaber von ihren Geliebten dargestellt werden, so eifersüchtig diese darauf sind, den Werth der Damen über ihr eigenes Verdienst zu setzen; so wenig interessant werden doch die Weiber geschildert. Die besten sind gutherzige Geschöpfe: viele sind ausschweifend, grausam und undankbar. Die Gräfin von Solandra dringt sich unter andern selbst dem König Perion auf, und erlangt seine Umarmung durch die Drohung, sich im Weigerungsfalle selbst zu erstechen. Schön ist die Stelle, worin Oriane ihrem Amadis die Erlaubniß giebt, ein neues Abentheuer zu bestehen. Es ist billig, sagt sie, daß ich eure Ehre meinem Vergnügen vorziehe. Dagegen zeigt sie sich höchst ungerecht in ihrer Eifersucht, und unterschreibt den Brief, worin sie sich von ihm

mit der klassischen Litteratur sehr bekannt, und er läßt nicht leicht eine Gelegenheit vorbey, diese Kenntniß durch Citate zu zeigen.

Der Geist der irrenden Ritterschaft ist hier bereits mehr ausgebildet, als in den früheren Romanen. Die Gebräuche bey der Aufnahme in den Orden dieser Ritterschaft haben eine bestimmtere Form erhalten: die Ritter weihen sich dem Dienste der Damen mit mehrerer Förmlichkeit, und geben ihnen öffentlichere Beweise ihrer Huldigung. Der Ausdruck der Leidenschaft ist bey den Männern bis zum Ekel schmelzend und weinerlich empfindsam. Die Helden fallen in Ohnmacht bey dem bloßen Gedanken an ihre Damen: ihre Seele quillt unter häufigen Thränen aus ihren Augen heraus, und selbst in den Augenblicken, worin sie die größten Beweise von Gegenliebe erhalten, glauben sie im Gefühl ihrer Unwürdigkeit verzweifeln zu müssen. Aber so abhängig die Liebhaber von ihren Geliebten dargestellt werden, so eifersüchtig diese darauf sind, den Werth der Damen über ihr eigenes Verdienst zu setzen; so wenig interessant werden doch die Weiber geschildert. Die besten sind gutherzige Geschöpfe: viele sind ausschweifend, grausam und undankbar. Die Gräfin von Solandra dringt sich unter andern selbst dem König Perion auf, und erlangt seine Umarmung durch die Drohung, sich im Weigerungsfalle selbst zu erstechen. Schön ist die Stelle, worin Oriane ihrem Amadis die Erlaubniß giebt, ein neues Abentheuer zu bestehen. Es ist billig, sagt sie, daß ich eure Ehre meinem Vergnügen vorziehe. Dagegen zeigt sie sich höchst ungerecht in ihrer Eifersucht, und unterschreibt den Brief, worin sie sich von ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0189" n="189"/>
mit der klassischen Litteratur sehr bekannt, und er läßt nicht leicht eine Gelegenheit vorbey, diese Kenntniß durch Citate zu zeigen.</p>
          <p>Der Geist der irrenden Ritterschaft ist hier bereits mehr ausgebildet, als in den früheren Romanen. Die Gebräuche bey der Aufnahme in den Orden dieser Ritterschaft haben eine bestimmtere Form erhalten: die Ritter weihen sich dem Dienste der Damen mit mehrerer Förmlichkeit, und geben ihnen öffentlichere Beweise ihrer Huldigung. Der Ausdruck der Leidenschaft ist bey den Männern bis zum Ekel schmelzend und weinerlich empfindsam. Die Helden fallen in Ohnmacht bey dem bloßen Gedanken an ihre Damen: ihre Seele quillt unter häufigen Thränen aus ihren Augen heraus, und selbst in den Augenblicken, worin sie die größten Beweise von Gegenliebe erhalten, glauben sie im Gefühl ihrer Unwürdigkeit verzweifeln zu müssen. Aber so abhängig die Liebhaber von ihren Geliebten dargestellt werden, so eifersüchtig diese darauf sind, den Werth der Damen über ihr eigenes Verdienst zu setzen; so wenig interessant werden doch die Weiber geschildert. Die besten sind gutherzige Geschöpfe: viele sind ausschweifend, grausam und undankbar. Die Gräfin von Solandra dringt sich unter andern selbst dem König Perion auf, und erlangt seine Umarmung durch die Drohung, sich im Weigerungsfalle selbst zu erstechen. Schön ist die Stelle, worin Oriane ihrem Amadis die Erlaubniß giebt, ein neues Abentheuer zu bestehen. Es ist billig, sagt sie, daß ich eure Ehre meinem Vergnügen vorziehe. Dagegen zeigt sie sich höchst ungerecht in ihrer Eifersucht, und unterschreibt den Brief, worin sie sich von ihm
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0189] mit der klassischen Litteratur sehr bekannt, und er läßt nicht leicht eine Gelegenheit vorbey, diese Kenntniß durch Citate zu zeigen. Der Geist der irrenden Ritterschaft ist hier bereits mehr ausgebildet, als in den früheren Romanen. Die Gebräuche bey der Aufnahme in den Orden dieser Ritterschaft haben eine bestimmtere Form erhalten: die Ritter weihen sich dem Dienste der Damen mit mehrerer Förmlichkeit, und geben ihnen öffentlichere Beweise ihrer Huldigung. Der Ausdruck der Leidenschaft ist bey den Männern bis zum Ekel schmelzend und weinerlich empfindsam. Die Helden fallen in Ohnmacht bey dem bloßen Gedanken an ihre Damen: ihre Seele quillt unter häufigen Thränen aus ihren Augen heraus, und selbst in den Augenblicken, worin sie die größten Beweise von Gegenliebe erhalten, glauben sie im Gefühl ihrer Unwürdigkeit verzweifeln zu müssen. Aber so abhängig die Liebhaber von ihren Geliebten dargestellt werden, so eifersüchtig diese darauf sind, den Werth der Damen über ihr eigenes Verdienst zu setzen; so wenig interessant werden doch die Weiber geschildert. Die besten sind gutherzige Geschöpfe: viele sind ausschweifend, grausam und undankbar. Die Gräfin von Solandra dringt sich unter andern selbst dem König Perion auf, und erlangt seine Umarmung durch die Drohung, sich im Weigerungsfalle selbst zu erstechen. Schön ist die Stelle, worin Oriane ihrem Amadis die Erlaubniß giebt, ein neues Abentheuer zu bestehen. Es ist billig, sagt sie, daß ich eure Ehre meinem Vergnügen vorziehe. Dagegen zeigt sie sich höchst ungerecht in ihrer Eifersucht, und unterschreibt den Brief, worin sie sich von ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/189
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/189>, abgerufen am 27.04.2024.