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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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Aber wozu die Heirath? Aber woher die Idee, daß nun der jungfräuliche Gürtel vor der Ehe nicht gelöset werden darf? Aber woher jene andere von dem hohen Werthe der jungfräulichen Unschuld, die durch feyerliche Prüfungen bewährt wird?

An der Gewissenhaftigkeit und Zartheit des Autors kann es nicht liegen. - Es ist nicht möglich, laxere Grundsätze über den Anstand zu haben, als Achilles Tatius sie hat. Natürlich! das Ziel der Vereinigung ist der unnennbare Genuß, und wenn die Liebenden zu früh dazu gelangten, so wäre es mit ihrem Streben zu Ende, und die Leser verlören das Interesse, das sie an ihrem strebenden Zustande nehmen. Es muß also ein Hinderniß eintreten, das ihn aufschiebt, und dieß ist - Heirath. Diese Feyerlichkeit ist ohnehin dasjenige, was in der Komödie die Handlung schließt, und in derjenigen Komposition, die nach ihrem Muster geschaffen ist, sie gleichsam schließen muß.

Inzwischen gehört doch Einiges davon, und besonders die Prüfung der jungfräulichen Reinheit, gewiß dem Geschmack, und den herrschenden Ideen des Zeitalters, in die sich der Sophist, ungeachtet seiner Vorliebe für das ältere Griechenland, gefügt hat.

Achilles Tatius schildert also den Zustand der Bestrebung zweyer Liebenden nach der Heirath, um des unnennbaren Genusses willen.

Dieß giebt ihm Gelegenheit, die Entstehung der Leidenschaft, ihre Entwickelung, ihre Versagungen und ihren Genuß, jedoch mit Ausschluß des letzten unnennbaren, darzustellen. Die Geschlechtssympathie der Seele beschäftigt ihn dagegen sehr wenig. Alle jene Unterhaltungen der kosenden Vertraulichkeit, des heimlichen

Aber wozu die Heirath? Aber woher die Idee, daß nun der jungfräuliche Gürtel vor der Ehe nicht gelöset werden darf? Aber woher jene andere von dem hohen Werthe der jungfräulichen Unschuld, die durch feyerliche Prüfungen bewährt wird?

An der Gewissenhaftigkeit und Zartheit des Autors kann es nicht liegen. – Es ist nicht möglich, laxere Grundsätze über den Anstand zu haben, als Achilles Tatius sie hat. Natürlich! das Ziel der Vereinigung ist der unnennbare Genuß, und wenn die Liebenden zu früh dazu gelangten, so wäre es mit ihrem Streben zu Ende, und die Leser verlören das Interesse, das sie an ihrem strebenden Zustande nehmen. Es muß also ein Hinderniß eintreten, das ihn aufschiebt, und dieß ist – Heirath. Diese Feyerlichkeit ist ohnehin dasjenige, was in der Komödie die Handlung schließt, und in derjenigen Komposition, die nach ihrem Muster geschaffen ist, sie gleichsam schließen muß.

Inzwischen gehört doch Einiges davon, und besonders die Prüfung der jungfräulichen Reinheit, gewiß dem Geschmack, und den herrschenden Ideen des Zeitalters, in die sich der Sophist, ungeachtet seiner Vorliebe für das ältere Griechenland, gefügt hat.

Achilles Tatius schildert also den Zustand der Bestrebung zweyer Liebenden nach der Heirath, um des unnennbaren Genusses willen.

Dieß giebt ihm Gelegenheit, die Entstehung der Leidenschaft, ihre Entwickelung, ihre Versagungen und ihren Genuß, jedoch mit Ausschluß des letzten unnennbaren, darzustellen. Die Geschlechtssympathie der Seele beschäftigt ihn dagegen sehr wenig. Alle jene Unterhaltungen der kosenden Vertraulichkeit, des heimlichen

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[400/0400] Aber wozu die Heirath? Aber woher die Idee, daß nun der jungfräuliche Gürtel vor der Ehe nicht gelöset werden darf? Aber woher jene andere von dem hohen Werthe der jungfräulichen Unschuld, die durch feyerliche Prüfungen bewährt wird? An der Gewissenhaftigkeit und Zartheit des Autors kann es nicht liegen. – Es ist nicht möglich, laxere Grundsätze über den Anstand zu haben, als Achilles Tatius sie hat. Natürlich! das Ziel der Vereinigung ist der unnennbare Genuß, und wenn die Liebenden zu früh dazu gelangten, so wäre es mit ihrem Streben zu Ende, und die Leser verlören das Interesse, das sie an ihrem strebenden Zustande nehmen. Es muß also ein Hinderniß eintreten, das ihn aufschiebt, und dieß ist – Heirath. Diese Feyerlichkeit ist ohnehin dasjenige, was in der Komödie die Handlung schließt, und in derjenigen Komposition, die nach ihrem Muster geschaffen ist, sie gleichsam schließen muß. Inzwischen gehört doch Einiges davon, und besonders die Prüfung der jungfräulichen Reinheit, gewiß dem Geschmack, und den herrschenden Ideen des Zeitalters, in die sich der Sophist, ungeachtet seiner Vorliebe für das ältere Griechenland, gefügt hat. Achilles Tatius schildert also den Zustand der Bestrebung zweyer Liebenden nach der Heirath, um des unnennbaren Genusses willen. Dieß giebt ihm Gelegenheit, die Entstehung der Leidenschaft, ihre Entwickelung, ihre Versagungen und ihren Genuß, jedoch mit Ausschluß des letzten unnennbaren, darzustellen. Die Geschlechtssympathie der Seele beschäftigt ihn dagegen sehr wenig. Alle jene Unterhaltungen der kosenden Vertraulichkeit, des heimlichen

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/400>, abgerufen am 22.11.2024.