Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

durch dieß Band zusammengebracht sind, und der Liebhaber dadurch ein Recht erhalten hat, den Zweck seines Strebens zu erreichen; so hat die Intrigue ihr Ende erreicht.

Hieraus erhellet sogleich, daß Achilles Tatius von der Liebe einen viel weniger geläuterten Begriff hatte, als Jamblichius, Chariton und Xenophon. Bey ihm heißt lieben: nach dem unnennbaren Genusse, und nach dem Besitze der Person durch diesen streben. Standhaft lieben heißt bey ihm diesen Genuß unausgesetzt verfolgen.

Die Schwierigkeiten, welche ihm entgegengesetzt werden, liegen nicht in dem Stolze des Weibes, nicht in seinen Gefühlen von Schamhaftigkeit, Pflicht, kurz! in inneren Bedenklichkeiten der Geliebten. Nein! nichts ist leichter bey ihm, als die Eroberung des Herzens der Geliebten; nichts kürzer, als die Bewerbung um Gegenliebe. Es liegt auch nicht an der Leucippe, sondern an äußern Verhältnissen und Befehlen der Götter, wenn sie ihm vor der Hochzeit nicht alles einräumt, was sie einzuräumen hat.

Dieß hängt gewiß mit der Entstehungsart dieser Liebesgeschichte zusammen. Ich habe gesagt, daß wahrscheinlich die alte Komödie das ferne Muster dazu hergegeben hat. Vielleicht ist sogar der Stoff aus mehreren Komödien und Pantomimen zusammen genommen. Im Schauspiele kann mit der Bewerbung nicht viel Zeit verloren werden. Die jungen Leute lieben sich schon, ehe der Autor sie auf der Bühne erscheinen läßt. Nun kommt es nur darauf an, die Schwierigkeiten zu überwinden, welche Anverwandte, Nebenbuhler und andre äußere Verhältnisse der Heirath entgegen setzen.

durch dieß Band zusammengebracht sind, und der Liebhaber dadurch ein Recht erhalten hat, den Zweck seines Strebens zu erreichen; so hat die Intrigue ihr Ende erreicht.

Hieraus erhellet sogleich, daß Achilles Tatius von der Liebe einen viel weniger geläuterten Begriff hatte, als Jamblichius, Chariton und Xenophon. Bey ihm heißt lieben: nach dem unnennbaren Genusse, und nach dem Besitze der Person durch diesen streben. Standhaft lieben heißt bey ihm diesen Genuß unausgesetzt verfolgen.

Die Schwierigkeiten, welche ihm entgegengesetzt werden, liegen nicht in dem Stolze des Weibes, nicht in seinen Gefühlen von Schamhaftigkeit, Pflicht, kurz! in inneren Bedenklichkeiten der Geliebten. Nein! nichts ist leichter bey ihm, als die Eroberung des Herzens der Geliebten; nichts kürzer, als die Bewerbung um Gegenliebe. Es liegt auch nicht an der Leucippe, sondern an äußern Verhältnissen und Befehlen der Götter, wenn sie ihm vor der Hochzeit nicht alles einräumt, was sie einzuräumen hat.

Dieß hängt gewiß mit der Entstehungsart dieser Liebesgeschichte zusammen. Ich habe gesagt, daß wahrscheinlich die alte Komödie das ferne Muster dazu hergegeben hat. Vielleicht ist sogar der Stoff aus mehreren Komödien und Pantomimen zusammen genommen. Im Schauspiele kann mit der Bewerbung nicht viel Zeit verloren werden. Die jungen Leute lieben sich schon, ehe der Autor sie auf der Bühne erscheinen läßt. Nun kommt es nur darauf an, die Schwierigkeiten zu überwinden, welche Anverwandte, Nebenbuhler und andre äußere Verhältnisse der Heirath entgegen setzen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0399" n="399"/>
durch dieß Band zusammengebracht sind, und der Liebhaber dadurch ein Recht erhalten hat, den Zweck seines Strebens zu erreichen; so hat die Intrigue ihr Ende erreicht.</p>
          <p>Hieraus erhellet sogleich, daß Achilles Tatius von der Liebe einen viel weniger geläuterten Begriff hatte, als Jamblichius, Chariton und Xenophon. Bey ihm heißt lieben: nach dem unnennbaren Genusse, und nach dem Besitze der Person durch diesen streben. Standhaft lieben heißt bey ihm diesen Genuß unausgesetzt verfolgen.</p>
          <p>Die Schwierigkeiten, welche ihm entgegengesetzt werden, liegen nicht in dem Stolze des Weibes, nicht in seinen Gefühlen von Schamhaftigkeit, Pflicht, kurz! in inneren Bedenklichkeiten der Geliebten. Nein! nichts ist leichter bey ihm, als die Eroberung des Herzens der Geliebten; nichts kürzer, als die Bewerbung um Gegenliebe. Es liegt auch nicht an der Leucippe, sondern an äußern Verhältnissen und Befehlen der Götter, wenn sie ihm vor der Hochzeit nicht alles einräumt, was sie einzuräumen hat.</p>
          <p>Dieß hängt gewiß mit der Entstehungsart dieser Liebesgeschichte zusammen. Ich habe gesagt, daß wahrscheinlich die alte Komödie das ferne Muster dazu hergegeben hat. Vielleicht ist sogar der Stoff aus mehreren Komödien und Pantomimen zusammen genommen. Im Schauspiele kann mit der Bewerbung nicht viel Zeit verloren werden. Die jungen Leute lieben sich schon, ehe der Autor sie auf der Bühne erscheinen läßt. Nun kommt es nur darauf an, die Schwierigkeiten zu überwinden, welche Anverwandte, Nebenbuhler und andre äußere Verhältnisse der Heirath entgegen setzen.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0399] durch dieß Band zusammengebracht sind, und der Liebhaber dadurch ein Recht erhalten hat, den Zweck seines Strebens zu erreichen; so hat die Intrigue ihr Ende erreicht. Hieraus erhellet sogleich, daß Achilles Tatius von der Liebe einen viel weniger geläuterten Begriff hatte, als Jamblichius, Chariton und Xenophon. Bey ihm heißt lieben: nach dem unnennbaren Genusse, und nach dem Besitze der Person durch diesen streben. Standhaft lieben heißt bey ihm diesen Genuß unausgesetzt verfolgen. Die Schwierigkeiten, welche ihm entgegengesetzt werden, liegen nicht in dem Stolze des Weibes, nicht in seinen Gefühlen von Schamhaftigkeit, Pflicht, kurz! in inneren Bedenklichkeiten der Geliebten. Nein! nichts ist leichter bey ihm, als die Eroberung des Herzens der Geliebten; nichts kürzer, als die Bewerbung um Gegenliebe. Es liegt auch nicht an der Leucippe, sondern an äußern Verhältnissen und Befehlen der Götter, wenn sie ihm vor der Hochzeit nicht alles einräumt, was sie einzuräumen hat. Dieß hängt gewiß mit der Entstehungsart dieser Liebesgeschichte zusammen. Ich habe gesagt, daß wahrscheinlich die alte Komödie das ferne Muster dazu hergegeben hat. Vielleicht ist sogar der Stoff aus mehreren Komödien und Pantomimen zusammen genommen. Im Schauspiele kann mit der Bewerbung nicht viel Zeit verloren werden. Die jungen Leute lieben sich schon, ehe der Autor sie auf der Bühne erscheinen läßt. Nun kommt es nur darauf an, die Schwierigkeiten zu überwinden, welche Anverwandte, Nebenbuhler und andre äußere Verhältnisse der Heirath entgegen setzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/399
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/399>, abgerufen am 18.05.2024.