Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Giustiniani.
und dabei edeln Ausdruck zu motiviren. Die Ge-
schichte des Regulus, des Herzogs Leopold von Braun-
schweig 1) sind von dieser Art. Aber die Geschichte

der
1) Hätte man nicht vergessen, daß Veranlassung zur
Empfindung und percipirte Empfindung selbst, so
weit von einander verschieden sind; so würde man
bei der jüngsthin geschehenen Aufgabe, die Aufo-
pferung des großen Herzogs Leopold zu mahlen,
nicht auf allegorische Zeichen des Edeln das in der
That liegt, gefallen seyn. Sie gehört zu den we-
nigen, die sich durch den bloßen Anblick verständ-
lich machen lassen, weil sie bei den handelnden Per-
sonen Affekte in Bewegung setzt, die sich gern durch
Gebärden mittheilen, und mehr sanfter als starker
Art sind.
Der wahre Augenblick zur Darstellung der Ge-
schichte des Herzogs Leopold zum Vortheil der
Kunst ist der, wo er in das Boot steigt. Eine
Aussicht auf den Fluß kann die halb von den Wel-
len bedeckten Unglücklichen zeigen, deren einer am
Zweige eines Baumes hängend nach Rettung ruft.
Das Boot muß leer seyn: Der Prinz hält selbst das
Ruder in der Hand des Arms, an den sich seine
Freunde hängen wollen, ihn aufzuhalten. Er
stößt sie zurück, er zeigt auf die Unglücklichen, und
tritt ins Boot. Ein paar Schiffer die mit ent-
schuldigender Gebärde am Ufer stehen, blickt der
Fürst mit einer Mine an, die ihnen ihre Zaghaf-
tigkeit vorwirft.
Dies ist der interessanteste Augenblick der Be-
gebenheit: er motivirt einen vollständigen, be-
stimmten und abwechselnden Ausdruck. Jeder-
mann der dies Bild sieht, wird sich sagen können:
Hier

Pallaſt Giuſtiniani.
und dabei edeln Ausdruck zu motiviren. Die Ge-
ſchichte des Regulus, des Herzogs Leopold von Braun-
ſchweig 1) ſind von dieſer Art. Aber die Geſchichte

der
1) Haͤtte man nicht vergeſſen, daß Veranlaſſung zur
Empfindung und percipirte Empfindung ſelbſt, ſo
weit von einander verſchieden ſind; ſo wuͤrde man
bei der juͤngſthin geſchehenen Aufgabe, die Aufo-
pferung des großen Herzogs Leopold zu mahlen,
nicht auf allegoriſche Zeichen des Edeln das in der
That liegt, gefallen ſeyn. Sie gehoͤrt zu den we-
nigen, die ſich durch den bloßen Anblick verſtaͤnd-
lich machen laſſen, weil ſie bei den handelnden Per-
ſonen Affekte in Bewegung ſetzt, die ſich gern durch
Gebaͤrden mittheilen, und mehr ſanfter als ſtarker
Art ſind.
Der wahre Augenblick zur Darſtellung der Ge-
ſchichte des Herzogs Leopold zum Vortheil der
Kunſt iſt der, wo er in das Boot ſteigt. Eine
Ausſicht auf den Fluß kann die halb von den Wel-
len bedeckten Ungluͤcklichen zeigen, deren einer am
Zweige eines Baumes haͤngend nach Rettung ruft.
Das Boot muß leer ſeyn: Der Prinz haͤlt ſelbſt das
Ruder in der Hand des Arms, an den ſich ſeine
Freunde haͤngen wollen, ihn aufzuhalten. Er
ſtoͤßt ſie zuruͤck, er zeigt auf die Ungluͤcklichen, und
tritt ins Boot. Ein paar Schiffer die mit ent-
ſchuldigender Gebaͤrde am Ufer ſtehen, blickt der
Fuͤrſt mit einer Mine an, die ihnen ihre Zaghaf-
tigkeit vorwirft.
Dies iſt der intereſſanteſte Augenblick der Be-
gebenheit: er motivirt einen vollſtaͤndigen, be-
ſtimmten und abwechſelnden Ausdruck. Jeder-
mann der dies Bild ſieht, wird ſich ſagen koͤnnen:
Hier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Giu&#x017F;tiniani.</hi></fw><lb/>
und dabei edeln Ausdruck zu motiviren. Die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte des Regulus, des Herzogs Leopold von Braun-<lb/>
&#x017F;chweig <note xml:id="note-0037" next="#note-0038" place="foot" n="1)">Ha&#x0364;tte man nicht verge&#x017F;&#x017F;en, daß Veranla&#x017F;&#x017F;ung zur<lb/>
Empfindung und percipirte Empfindung &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
weit von einander ver&#x017F;chieden &#x017F;ind; &#x017F;o wu&#x0364;rde man<lb/>
bei der ju&#x0364;ng&#x017F;thin ge&#x017F;chehenen Aufgabe, die Aufo-<lb/>
pferung des großen Herzogs Leopold zu mahlen,<lb/>
nicht auf allegori&#x017F;che Zeichen des Edeln das in der<lb/>
That liegt, gefallen &#x017F;eyn. Sie geho&#x0364;rt zu den we-<lb/>
nigen, die &#x017F;ich durch den bloßen Anblick ver&#x017F;ta&#x0364;nd-<lb/>
lich machen la&#x017F;&#x017F;en, weil &#x017F;ie bei den handelnden Per-<lb/>
&#x017F;onen Affekte in Bewegung &#x017F;etzt, die &#x017F;ich gern durch<lb/>
Geba&#x0364;rden mittheilen, und mehr &#x017F;anfter als &#x017F;tarker<lb/>
Art &#x017F;ind.<lb/>
Der wahre Augenblick zur Dar&#x017F;tellung der Ge-<lb/>
&#x017F;chichte des Herzogs Leopold zum Vortheil der<lb/>
Kun&#x017F;t i&#x017F;t der, wo er in das Boot &#x017F;teigt. Eine<lb/>
Aus&#x017F;icht auf den Fluß kann die halb von den Wel-<lb/>
len bedeckten Unglu&#x0364;cklichen zeigen, deren einer am<lb/>
Zweige eines Baumes ha&#x0364;ngend nach Rettung ruft.<lb/>
Das Boot muß leer &#x017F;eyn: Der Prinz ha&#x0364;lt &#x017F;elb&#x017F;t das<lb/>
Ruder in der Hand des Arms, an den &#x017F;ich &#x017F;eine<lb/>
Freunde ha&#x0364;ngen wollen, ihn aufzuhalten.  Er<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ßt &#x017F;ie zuru&#x0364;ck, er zeigt auf die Unglu&#x0364;cklichen, und<lb/>
tritt ins Boot. Ein paar Schiffer die mit ent-<lb/>
&#x017F;chuldigender Geba&#x0364;rde am Ufer &#x017F;tehen, blickt der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t mit einer Mine an, die ihnen ihre Zaghaf-<lb/>
tigkeit vorwirft.<lb/>
Dies i&#x017F;t der intere&#x017F;&#x017F;ante&#x017F;te Augenblick der Be-<lb/>
gebenheit: er motivirt einen voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen, be-<lb/>
&#x017F;timmten und abwech&#x017F;elnden Ausdruck. Jeder-<lb/>
mann der dies Bild &#x017F;ieht, wird &#x017F;ich &#x017F;agen ko&#x0364;nnen:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Hier</fw></note> &#x017F;ind von die&#x017F;er Art. Aber die Ge&#x017F;chichte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0037] Pallaſt Giuſtiniani. und dabei edeln Ausdruck zu motiviren. Die Ge- ſchichte des Regulus, des Herzogs Leopold von Braun- ſchweig 1) ſind von dieſer Art. Aber die Geſchichte der 1) Haͤtte man nicht vergeſſen, daß Veranlaſſung zur Empfindung und percipirte Empfindung ſelbſt, ſo weit von einander verſchieden ſind; ſo wuͤrde man bei der juͤngſthin geſchehenen Aufgabe, die Aufo- pferung des großen Herzogs Leopold zu mahlen, nicht auf allegoriſche Zeichen des Edeln das in der That liegt, gefallen ſeyn. Sie gehoͤrt zu den we- nigen, die ſich durch den bloßen Anblick verſtaͤnd- lich machen laſſen, weil ſie bei den handelnden Per- ſonen Affekte in Bewegung ſetzt, die ſich gern durch Gebaͤrden mittheilen, und mehr ſanfter als ſtarker Art ſind. Der wahre Augenblick zur Darſtellung der Ge- ſchichte des Herzogs Leopold zum Vortheil der Kunſt iſt der, wo er in das Boot ſteigt. Eine Ausſicht auf den Fluß kann die halb von den Wel- len bedeckten Ungluͤcklichen zeigen, deren einer am Zweige eines Baumes haͤngend nach Rettung ruft. Das Boot muß leer ſeyn: Der Prinz haͤlt ſelbſt das Ruder in der Hand des Arms, an den ſich ſeine Freunde haͤngen wollen, ihn aufzuhalten. Er ſtoͤßt ſie zuruͤck, er zeigt auf die Ungluͤcklichen, und tritt ins Boot. Ein paar Schiffer die mit ent- ſchuldigender Gebaͤrde am Ufer ſtehen, blickt der Fuͤrſt mit einer Mine an, die ihnen ihre Zaghaf- tigkeit vorwirft. Dies iſt der intereſſanteſte Augenblick der Be- gebenheit: er motivirt einen vollſtaͤndigen, be- ſtimmten und abwechſelnden Ausdruck. Jeder- mann der dies Bild ſieht, wird ſich ſagen koͤnnen: Hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/37
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/37>, abgerufen am 24.11.2024.