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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.
der Decier, des Codrus sind es nicht: und ein Vo-
gelschießen von Domenichino, eine Grablegung von
Raphael sind es in eben dem Grade.

Die verkör-
perte Dar-
stellung der
Folgen des
Lasters, ist,
da sie so leicht
häßliche For-
men, und ei-
nen unedlen
Ausdruck
motiviret,
selten ein
schicklicher
Gegenstand
für die
Kunst.

Ich gehe weiter, und finde in den Versuchen
die Folgen des Lasters und der Tugenden zu meiner
moralischen Besserung zu verkörpern, eben dieselbe
Gefahr für mein Vergnügen.

Den ersten Beweis nehme ich aus einem unter
uns bekannten Drama, dem deutschen Hausvater,
her.

Eine der handelnden Personen ist ein Mahler,
der neben seinem Enthusiasmus für die Kunst, eine
Tochter zum einzigen Reichthum hat. Ein vornehmer
Weichling, ein Graf, hat über die Unschuld des Mäd-
chens gesiegt, und ist nun im Begriff sich von ihr zu
trennen. Dem Vater ist das Verhältniß seiner
Tochter mit dem Grafen, der ehemals sein Schüler
in der Kunst gewesen war, ein Geheimniß. Er
zeigt dem Verführer einige seiner letzten Arbeiten, und
bei dieser Gelegenheit legt ihm der Dichter folgende
Worte in den Mund:

"Hören Sie, Graf, die Künstler des Alter-
"thums wußten so stark auf ihre Nation zu würken:
"Ich denke wir könnten das auch, stellten wir Ge-
"genstände vor, die jeden besonders angiengen. Es

"ist
Hier hat sich ein Prinz in eine große Gefahr bege-
ben wollen, um einige Unglückliche zu retten. Die
Deutlichkeit, die Vollständigkeit, die dadurch ent-
stehende Abwechselung des Ausdrucks ist Grund-
lage des Vergnügens; Die Betrachtung: das ist
edel! unsinnlicher Zusatz.

Pallaſt Giuſtiniani.
der Decier, des Codrus ſind es nicht: und ein Vo-
gelſchießen von Domenichino, eine Grablegung von
Raphael ſind es in eben dem Grade.

Die verkoͤr-
perte Dar-
ſtellung der
Folgen des
Laſters, iſt,
da ſie ſo leicht
haͤßliche For-
men, und ei-
nen unedlen
Ausdruck
motiviret,
ſelten ein
ſchicklicher
Gegenſtand
fuͤr die
Kunſt.

Ich gehe weiter, und finde in den Verſuchen
die Folgen des Laſters und der Tugenden zu meiner
moraliſchen Beſſerung zu verkoͤrpern, eben dieſelbe
Gefahr fuͤr mein Vergnuͤgen.

Den erſten Beweis nehme ich aus einem unter
uns bekannten Drama, dem deutſchen Hausvater,
her.

Eine der handelnden Perſonen iſt ein Mahler,
der neben ſeinem Enthuſiasmus fuͤr die Kunſt, eine
Tochter zum einzigen Reichthum hat. Ein vornehmer
Weichling, ein Graf, hat uͤber die Unſchuld des Maͤd-
chens geſiegt, und iſt nun im Begriff ſich von ihr zu
trennen. Dem Vater iſt das Verhaͤltniß ſeiner
Tochter mit dem Grafen, der ehemals ſein Schuͤler
in der Kunſt geweſen war, ein Geheimniß. Er
zeigt dem Verfuͤhrer einige ſeiner letzten Arbeiten, und
bei dieſer Gelegenheit legt ihm der Dichter folgende
Worte in den Mund:

„Hoͤren Sie, Graf, die Kuͤnſtler des Alter-
„thums wußten ſo ſtark auf ihre Nation zu wuͤrken:
„Ich denke wir koͤnnten das auch, ſtellten wir Ge-
„genſtaͤnde vor, die jeden beſonders angiengen. Es

„iſt
Hier hat ſich ein Prinz in eine große Gefahr bege-
ben wollen, um einige Ungluͤckliche zu retten. Die
Deutlichkeit, die Vollſtaͤndigkeit, die dadurch ent-
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[14/0038] Pallaſt Giuſtiniani. der Decier, des Codrus ſind es nicht: und ein Vo- gelſchießen von Domenichino, eine Grablegung von Raphael ſind es in eben dem Grade. Ich gehe weiter, und finde in den Verſuchen die Folgen des Laſters und der Tugenden zu meiner moraliſchen Beſſerung zu verkoͤrpern, eben dieſelbe Gefahr fuͤr mein Vergnuͤgen. Den erſten Beweis nehme ich aus einem unter uns bekannten Drama, dem deutſchen Hausvater, her. Eine der handelnden Perſonen iſt ein Mahler, der neben ſeinem Enthuſiasmus fuͤr die Kunſt, eine Tochter zum einzigen Reichthum hat. Ein vornehmer Weichling, ein Graf, hat uͤber die Unſchuld des Maͤd- chens geſiegt, und iſt nun im Begriff ſich von ihr zu trennen. Dem Vater iſt das Verhaͤltniß ſeiner Tochter mit dem Grafen, der ehemals ſein Schuͤler in der Kunſt geweſen war, ein Geheimniß. Er zeigt dem Verfuͤhrer einige ſeiner letzten Arbeiten, und bei dieſer Gelegenheit legt ihm der Dichter folgende Worte in den Mund: „Hoͤren Sie, Graf, die Kuͤnſtler des Alter- „thums wußten ſo ſtark auf ihre Nation zu wuͤrken: „Ich denke wir koͤnnten das auch, ſtellten wir Ge- „genſtaͤnde vor, die jeden beſonders angiengen. Es „iſt 1) 1) Hier hat ſich ein Prinz in eine große Gefahr bege- ben wollen, um einige Ungluͤckliche zu retten. Die Deutlichkeit, die Vollſtaͤndigkeit, die dadurch ent- ſtehende Abwechſelung des Ausdrucks iſt Grund- lage des Vergnuͤgens; Die Betrachtung: das iſt edel! unſinnlicher Zuſatz.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/38>, abgerufen am 25.11.2024.