dem Tode des letzten ihrer beiden Söhne antwortet: Er ist fürs Vaterland gestorben! Gewiß eine viel edlere That; aber welch eine kalte todte Figur müßte sie im Bilde machen!
Dasjenige was uns bei einer edeln That am meisten interessirt, die ruhige Geistesstärke der han- delnden Person, läßt sich nie auf dem Bilde versinn- lichen: sie wird zur Apathie, zur Inaktion, und verfehlt aller Rührung.
Edel und erhaben sind also Wörter, welch[e] in der Mahlerei von den Formen, von dem Ausdrucke der oft gewöhnlichsten Affekte gebraucht werden: auf das Erhabene, auf das Edle der historischen That, wenn sie auf Affekten beruhet, die sich nicht bestimmt durch Gebärden ausdrücken lassen, soll, darf der Künstler keine Rücksicht nehmen, sie ist für ihn un- brauchbar.
Wie unbedeutend würde der Ausdruck eines: Soyons amis Cinna! des Augustus, gegen den Mord des heil. Petrus des Märtirers; wie kalt der des Vaters der Horazier mit seinem: qu' il mou- rut! gegen die Camilla die von ihrem Bruder er- stochen wird, in dem Bilde stehen!
Ein edles Süjet heißt also in den bildenden Künsten ein Süjet, das Veranlassung zu edlen For- men und einem edlen Ausdruck gewährt. Es giebt edle Thaten, die für die Kunst auch edle Süjets sind, und als sichtbare Darstellung Würkung thun: aber dies hängt nicht von dem Edlen der That selbst, sondern von der zufälligen Veranlassung ab, einen sichtbar deutlichen, vollständigen, abwechselnden,
und
Pallaſt Giuſtiniani.
dem Tode des letzten ihrer beiden Soͤhne antwortet: Er iſt fuͤrs Vaterland geſtorben! Gewiß eine viel edlere That; aber welch eine kalte todte Figur muͤßte ſie im Bilde machen!
Dasjenige was uns bei einer edeln That am meiſten intereſſirt, die ruhige Geiſtesſtaͤrke der han- delnden Perſon, laͤßt ſich nie auf dem Bilde verſinn- lichen: ſie wird zur Apathie, zur Inaktion, und verfehlt aller Ruͤhrung.
Edel und erhaben ſind alſo Woͤrter, welch[e] in der Mahlerei von den Formen, von dem Ausdrucke der oft gewoͤhnlichſten Affekte gebraucht werden: auf das Erhabene, auf das Edle der hiſtoriſchen That, wenn ſie auf Affekten beruhet, die ſich nicht beſtimmt durch Gebaͤrden ausdruͤcken laſſen, ſoll, darf der Kuͤnſtler keine Ruͤckſicht nehmen, ſie iſt fuͤr ihn un- brauchbar.
Wie unbedeutend wuͤrde der Ausdruck eines: Soyons amis Cinna! des Auguſtus, gegen den Mord des heil. Petrus des Maͤrtirers; wie kalt der des Vaters der Horazier mit ſeinem: qu’ il mou- rut! gegen die Camilla die von ihrem Bruder er- ſtochen wird, in dem Bilde ſtehen!
Ein edles Suͤjet heißt alſo in den bildenden Kuͤnſten ein Suͤjet, das Veranlaſſung zu edlen For- men und einem edlen Ausdruck gewaͤhrt. Es giebt edle Thaten, die fuͤr die Kunſt auch edle Suͤjets ſind, und als ſichtbare Darſtellung Wuͤrkung thun: aber dies haͤngt nicht von dem Edlen der That ſelbſt, ſondern von der zufaͤlligen Veranlaſſung ab, einen ſichtbar deutlichen, vollſtaͤndigen, abwechſelnden,
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Pallaſt Giuſtiniani.
dem Tode des letzten ihrer beiden Soͤhne antwortet:
Er iſt fuͤrs Vaterland geſtorben! Gewiß eine viel
edlere That; aber welch eine kalte todte Figur muͤßte
ſie im Bilde machen!
Dasjenige was uns bei einer edeln That am
meiſten intereſſirt, die ruhige Geiſtesſtaͤrke der han-
delnden Perſon, laͤßt ſich nie auf dem Bilde verſinn-
lichen: ſie wird zur Apathie, zur Inaktion, und
verfehlt aller Ruͤhrung.
Edel und erhaben ſind alſo Woͤrter, welche in
der Mahlerei von den Formen, von dem Ausdrucke
der oft gewoͤhnlichſten Affekte gebraucht werden: auf
das Erhabene, auf das Edle der hiſtoriſchen That,
wenn ſie auf Affekten beruhet, die ſich nicht beſtimmt
durch Gebaͤrden ausdruͤcken laſſen, ſoll, darf der
Kuͤnſtler keine Ruͤckſicht nehmen, ſie iſt fuͤr ihn un-
brauchbar.
Wie unbedeutend wuͤrde der Ausdruck eines:
Soyons amis Cinna! des Auguſtus, gegen den
Mord des heil. Petrus des Maͤrtirers; wie kalt der
des Vaters der Horazier mit ſeinem: qu’ il mou-
rut! gegen die Camilla die von ihrem Bruder er-
ſtochen wird, in dem Bilde ſtehen!
Ein edles Suͤjet heißt alſo in den bildenden
Kuͤnſten ein Suͤjet, das Veranlaſſung zu edlen For-
men und einem edlen Ausdruck gewaͤhrt. Es giebt
edle Thaten, die fuͤr die Kunſt auch edle Suͤjets ſind,
und als ſichtbare Darſtellung Wuͤrkung thun: aber
dies haͤngt nicht von dem Edlen der That ſelbſt,
ſondern von der zufaͤlligen Veranlaſſung ab, einen
ſichtbar deutlichen, vollſtaͤndigen, abwechſelnden,
und
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/36>, abgerufen am 16.02.2025.
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