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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.

Alle Handlungen selbst uninteressante und ge-im Bilde,
wird von der
gewöhnlich-
sten That ge-
sagt, die mit
einem edeln
Anstande
von edeln
Gestalten
unternom-
men werden
kann. Eine
edle That
setzt edle Ge-
sinnungen in
der handeln-
den Person
zum Voraus,
und diese
mahlt man
selten glück-
lich.

wöhnliche können für das wägende Auge mit einem
gewissen Anstande unternommen werden, der, weil
er auf die Idee eines zu edeln und erhabenen Thaten
fähigen Geistes zurück führt, den Nahmen eines
edeln eines erhabenen Ausdrucks verdient, und der
Zusatz einer schönen und dem Charakter von Erhaben-
heit angemessenen Form, macht das Sitzen eines
ruhenden Hercules in dem Bilde, zu einer sichtbar
edlen oder erhabenen Handlung.

Aber nicht zu einer edeln zu einer erhabenen
That! die trauen wir dem Manne im Bilde zu,
sehen aber können wir sie selten mit Glück. Denn
es muß bei dem Begriff derselben die Vorstellung
von Ueberwindung niedriger Leidenschaften, von ei-
nem würklichen Aufwande großer Seelenkräfte hinzu-
treten; und diese Vorstellung erweckt eine Kunst, die
nur einen stillstehenden Augenblick schildert, entweder
gar nicht, oder äußerst mangelhaft. David der
seinem Feinde Saul einen Zipfel des Rocks abschnitt,
anstatt ihn, da er in seiner Gewalt war, zu tödten,
begieng eine erhabene eine edle That: aber dieser Augen-
blick, der einzige der in dieser Begebenheit der sichtba-
ren Darstellung fähig ist, enthält keine edle, erhabene
Handlung im Bilde. Dagegen sagen wir von den so-
genannten Pieta's, oder Madonnen die über den er-
schlagenen Christus trauren, daß sie einen edlen erha-
benen Gegenstand für die Kunst ausmachen, obgleich
das Trauren einer Mutter über ihren erschlagenen
Sohn, gewiß keine erhabene, edle That, vielmehr
eine äußerst gewöhnliche ist. Man vergleiche damit
die Mutter der Gracchen, die auf die Nachricht von

dem
Pallaſt Giuſtiniani.

Alle Handlungen ſelbſt unintereſſante und ge-im Bilde,
wird von der
gewoͤhnlich-
ſten That ge-
ſagt, die mit
einem edeln
Anſtande
von edeln
Geſtalten
unternom-
men werden
kann. Eine
edle That
ſetzt edle Ge-
ſinnungen in
der handeln-
den Perſon
zum Voraus,
und dieſe
mahlt man
ſelten gluͤck-
lich.

woͤhnliche koͤnnen fuͤr das waͤgende Auge mit einem
gewiſſen Anſtande unternommen werden, der, weil
er auf die Idee eines zu edeln und erhabenen Thaten
faͤhigen Geiſtes zuruͤck fuͤhrt, den Nahmen eines
edeln eines erhabenen Ausdrucks verdient, und der
Zuſatz einer ſchoͤnen und dem Charakter von Erhaben-
heit angemeſſenen Form, macht das Sitzen eines
ruhenden Hercules in dem Bilde, zu einer ſichtbar
edlen oder erhabenen Handlung.

Aber nicht zu einer edeln zu einer erhabenen
That! die trauen wir dem Manne im Bilde zu,
ſehen aber koͤnnen wir ſie ſelten mit Gluͤck. Denn
es muß bei dem Begriff derſelben die Vorſtellung
von Ueberwindung niedriger Leidenſchaften, von ei-
nem wuͤrklichen Aufwande großer Seelenkraͤfte hinzu-
treten; und dieſe Vorſtellung erweckt eine Kunſt, die
nur einen ſtillſtehenden Augenblick ſchildert, entweder
gar nicht, oder aͤußerſt mangelhaft. David der
ſeinem Feinde Saul einen Zipfel des Rocks abſchnitt,
anſtatt ihn, da er in ſeiner Gewalt war, zu toͤdten,
begieng eine erhabene eine edle That: aber dieſer Augen-
blick, der einzige der in dieſer Begebenheit der ſichtba-
ren Darſtellung faͤhig iſt, enthaͤlt keine edle, erhabene
Handlung im Bilde. Dagegen ſagen wir von den ſo-
genannten Pieta’s, oder Madonnen die uͤber den er-
ſchlagenen Chriſtus trauren, daß ſie einen edlen erha-
benen Gegenſtand fuͤr die Kunſt ausmachen, obgleich
das Trauren einer Mutter uͤber ihren erſchlagenen
Sohn, gewiß keine erhabene, edle That, vielmehr
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dem
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[11/0035] Pallaſt Giuſtiniani. Alle Handlungen ſelbſt unintereſſante und ge- woͤhnliche koͤnnen fuͤr das waͤgende Auge mit einem gewiſſen Anſtande unternommen werden, der, weil er auf die Idee eines zu edeln und erhabenen Thaten faͤhigen Geiſtes zuruͤck fuͤhrt, den Nahmen eines edeln eines erhabenen Ausdrucks verdient, und der Zuſatz einer ſchoͤnen und dem Charakter von Erhaben- heit angemeſſenen Form, macht das Sitzen eines ruhenden Hercules in dem Bilde, zu einer ſichtbar edlen oder erhabenen Handlung. im Bilde, wird von der gewoͤhnlich- ſten That ge- ſagt, die mit einem edeln Anſtande von edeln Geſtalten unternom- men werden kann. Eine edle That ſetzt edle Ge- ſinnungen in der handeln- den Perſon zum Voraus, und dieſe mahlt man ſelten gluͤck- lich. Aber nicht zu einer edeln zu einer erhabenen That! die trauen wir dem Manne im Bilde zu, ſehen aber koͤnnen wir ſie ſelten mit Gluͤck. Denn es muß bei dem Begriff derſelben die Vorſtellung von Ueberwindung niedriger Leidenſchaften, von ei- nem wuͤrklichen Aufwande großer Seelenkraͤfte hinzu- treten; und dieſe Vorſtellung erweckt eine Kunſt, die nur einen ſtillſtehenden Augenblick ſchildert, entweder gar nicht, oder aͤußerſt mangelhaft. David der ſeinem Feinde Saul einen Zipfel des Rocks abſchnitt, anſtatt ihn, da er in ſeiner Gewalt war, zu toͤdten, begieng eine erhabene eine edle That: aber dieſer Augen- blick, der einzige der in dieſer Begebenheit der ſichtba- ren Darſtellung faͤhig iſt, enthaͤlt keine edle, erhabene Handlung im Bilde. Dagegen ſagen wir von den ſo- genannten Pieta’s, oder Madonnen die uͤber den er- ſchlagenen Chriſtus trauren, daß ſie einen edlen erha- benen Gegenſtand fuͤr die Kunſt ausmachen, obgleich das Trauren einer Mutter uͤber ihren erſchlagenen Sohn, gewiß keine erhabene, edle That, vielmehr eine aͤußerſt gewoͤhnliche iſt. Man vergleiche damit die Mutter der Gracchen, die auf die Nachricht von dem

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/35>, abgerufen am 29.03.2024.