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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Ueber die Kennz. des Kirchenstils
thätigen Seelengröße zu, jenen Charakter von Ho-
heit, der uns bei dem Anblick einer Statue der Alten
den Ausruf abpreßt: Welch ein Mann! Welche
Thaten dürften wir von ihm erwarten, wenn er wie-
der ins Leben hervorgienge!

Es ist interessant zu sehen, welchen Begriff die
neueren Künstler mit den Personen der Gottheit,
und ihrer hauptsächlichsten Verehrer verknüpft haben.

Begriffe der
neueren
Künstler
über die Per-
sonen der
Gottheit,
und ihrer
vornehmsten
Verehrer im
alten und
neuen Testa-
mente.

Sie haben das alte Testament von dem Neuen
getrennt. Aber der Gott Israels ist ihnen in der
Geschichte des neuen Bundes die erste Person der
Dreieinigkeit geblieben. Gott der Vater also, der
die Sünden der Väter an den Kindern bis ins dritte
und vierte Glied straft, der erzürnt über das mensch-
liche Geschlecht nur durch das Leiden seines Sohnes
versöhnt werden konnte, hat die ernste, finstre und
strenge Mine eines aufgebrachten Richters 2) er-
halten, und die Patriarchen, von Adam an bis auf
den jüngsten Propheten, scheinen durch das lange
Harren auf die Zukunft des Mittlers in nicht geringe
Sorgen, Schwermuth und Grämelei versunken.
Lauter unaufgeräumte Graubärte, die mit den mür-
rischen Flußgöttern der Alten die größte Aehnlichkeit
haben. Zeichnet sich einmal ein Joseph oder David
unter ihnen aus; die Geschichte des Patriarchalischen

Zeit-
2) Ich bin sehr weit entfernt, die Art, wie die Künst-
ler die Personen unserer heiligen Geschichte aus
Irrthum und falschen Begriffen sich gedacht haben,
zu der meinigen zu machen. Man sieht hier leicht,
daß ich blos davon spreche, wie es ist, nicht da-
von wie es seyn könnte und sollte.

Ueber die Kennz. des Kirchenſtils
thaͤtigen Seelengroͤße zu, jenen Charakter von Ho-
heit, der uns bei dem Anblick einer Statue der Alten
den Ausruf abpreßt: Welch ein Mann! Welche
Thaten duͤrften wir von ihm erwarten, wenn er wie-
der ins Leben hervorgienge!

Es iſt intereſſant zu ſehen, welchen Begriff die
neueren Kuͤnſtler mit den Perſonen der Gottheit,
und ihrer hauptſaͤchlichſten Verehrer verknuͤpft haben.

Begriffe der
neueren
Kuͤnſtler
uͤber die Per-
ſonen der
Gottheit,
und ihrer
vornehmſten
Verehrer im
alten und
neuen Teſta-
mente.

Sie haben das alte Teſtament von dem Neuen
getrennt. Aber der Gott Iſraels iſt ihnen in der
Geſchichte des neuen Bundes die erſte Perſon der
Dreieinigkeit geblieben. Gott der Vater alſo, der
die Suͤnden der Vaͤter an den Kindern bis ins dritte
und vierte Glied ſtraft, der erzuͤrnt uͤber das menſch-
liche Geſchlecht nur durch das Leiden ſeines Sohnes
verſoͤhnt werden konnte, hat die ernſte, finſtre und
ſtrenge Mine eines aufgebrachten Richters 2) er-
halten, und die Patriarchen, von Adam an bis auf
den juͤngſten Propheten, ſcheinen durch das lange
Harren auf die Zukunft des Mittlers in nicht geringe
Sorgen, Schwermuth und Graͤmelei verſunken.
Lauter unaufgeraͤumte Graubaͤrte, die mit den muͤr-
riſchen Flußgoͤttern der Alten die groͤßte Aehnlichkeit
haben. Zeichnet ſich einmal ein Joſeph oder David
unter ihnen aus; die Geſchichte des Patriarchaliſchen

Zeit-
2) Ich bin ſehr weit entfernt, die Art, wie die Kuͤnſt-
ler die Perſonen unſerer heiligen Geſchichte aus
Irrthum und falſchen Begriffen ſich gedacht haben,
zu der meinigen zu machen. Man ſieht hier leicht,
daß ich blos davon ſpreche, wie es iſt, nicht da-
von wie es ſeyn koͤnnte und ſollte.
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[188/0212] Ueber die Kennz. des Kirchenſtils thaͤtigen Seelengroͤße zu, jenen Charakter von Ho- heit, der uns bei dem Anblick einer Statue der Alten den Ausruf abpreßt: Welch ein Mann! Welche Thaten duͤrften wir von ihm erwarten, wenn er wie- der ins Leben hervorgienge! Es iſt intereſſant zu ſehen, welchen Begriff die neueren Kuͤnſtler mit den Perſonen der Gottheit, und ihrer hauptſaͤchlichſten Verehrer verknuͤpft haben. Sie haben das alte Teſtament von dem Neuen getrennt. Aber der Gott Iſraels iſt ihnen in der Geſchichte des neuen Bundes die erſte Perſon der Dreieinigkeit geblieben. Gott der Vater alſo, der die Suͤnden der Vaͤter an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied ſtraft, der erzuͤrnt uͤber das menſch- liche Geſchlecht nur durch das Leiden ſeines Sohnes verſoͤhnt werden konnte, hat die ernſte, finſtre und ſtrenge Mine eines aufgebrachten Richters 2) er- halten, und die Patriarchen, von Adam an bis auf den juͤngſten Propheten, ſcheinen durch das lange Harren auf die Zukunft des Mittlers in nicht geringe Sorgen, Schwermuth und Graͤmelei verſunken. Lauter unaufgeraͤumte Graubaͤrte, die mit den muͤr- riſchen Flußgoͤttern der Alten die groͤßte Aehnlichkeit haben. Zeichnet ſich einmal ein Joſeph oder David unter ihnen aus; die Geſchichte des Patriarchaliſchen Zeit- 2) Ich bin ſehr weit entfernt, die Art, wie die Kuͤnſt- ler die Perſonen unſerer heiligen Geſchichte aus Irrthum und falſchen Begriffen ſich gedacht haben, zu der meinigen zu machen. Man ſieht hier leicht, daß ich blos davon ſpreche, wie es iſt, nicht da- von wie es ſeyn koͤnnte und ſollte.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/212>, abgerufen am 27.11.2024.