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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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in der Bildhauerei.
Zeitalters zeigt diese Königssöhne als Hirten: und so
erscheinen sie in unsern Gemählden.

Der Heiland wird uns in der Bibel als der
sanftmüthigste, duldsamste, liebendste aller Menschen
geschildert. Dieser Charakter läßt sich mit einer
schönen Figur verbunden als möglich denken, aber
die Nothwendigkeit dazu liegt so wenig am Tage, daß
man vielmehr bei alle dem Leiden, welches er wäh-
rend seines Wallens hienieden ausgestanden hat, nur
durch eine kränkliche abgehärmte Figur den Begriff
seines historischen Daseyns in der Kunst völlig deut-
lich zu machen glauben kann. Auch finden wir so
wenig ihn als seine Nachfolger, die Apostel und Hei-
ligen unter sehr schönen Gestalten gebildet. Und das
nicht sowohl aus Unvermögen, als aus Absicht. Der
Begriff von christlicher Entäußerung und Demuth
hat dies verhindern müssen, bei einigen haben be-
stimmte Nachrichten und Legenden im Wege ge-
standen. Die Apostel waren Personen von gemeiner
Herkunft und schon bei Jahren: Nur Paulus und
Johannes machen hier Ausnahmen; der letzte wird
mit schüchterner Lieblichkeit gebildet. Der heil. Pe-
trus ist der Tradition zufolge kurz, untersetzt und von
eckigter Form gewesen, andere Apostel waren eben
dieser Tradition nach nicht schöner: die Stifter der
Orden aber meistens ausgehungerte, durch Krank-
heiten, Fasten und Casteien abgemergelte Menschen.
Ahndung von Geistesgröße finden wir nirgends.
Thätige Tugend wie die Griechen sie bildeten, schien
dem Geiste einer Religion zuwider, nach deren Lehren
man Kindern ähneln soll, um das Reich Gottes zu
erwerben. Bewußtseyn unsers Werthes, Ausdruck

des

in der Bildhauerei.
Zeitalters zeigt dieſe Koͤnigsſoͤhne als Hirten: und ſo
erſcheinen ſie in unſern Gemaͤhlden.

Der Heiland wird uns in der Bibel als der
ſanftmuͤthigſte, duldſamſte, liebendſte aller Menſchen
geſchildert. Dieſer Charakter laͤßt ſich mit einer
ſchoͤnen Figur verbunden als moͤglich denken, aber
die Nothwendigkeit dazu liegt ſo wenig am Tage, daß
man vielmehr bei alle dem Leiden, welches er waͤh-
rend ſeines Wallens hienieden ausgeſtanden hat, nur
durch eine kraͤnkliche abgehaͤrmte Figur den Begriff
ſeines hiſtoriſchen Daſeyns in der Kunſt voͤllig deut-
lich zu machen glauben kann. Auch finden wir ſo
wenig ihn als ſeine Nachfolger, die Apoſtel und Hei-
ligen unter ſehr ſchoͤnen Geſtalten gebildet. Und das
nicht ſowohl aus Unvermoͤgen, als aus Abſicht. Der
Begriff von chriſtlicher Entaͤußerung und Demuth
hat dies verhindern muͤſſen, bei einigen haben be-
ſtimmte Nachrichten und Legenden im Wege ge-
ſtanden. Die Apoſtel waren Perſonen von gemeiner
Herkunft und ſchon bei Jahren: Nur Paulus und
Johannes machen hier Ausnahmen; der letzte wird
mit ſchuͤchterner Lieblichkeit gebildet. Der heil. Pe-
trus iſt der Tradition zufolge kurz, unterſetzt und von
eckigter Form geweſen, andere Apoſtel waren eben
dieſer Tradition nach nicht ſchoͤner: die Stifter der
Orden aber meiſtens ausgehungerte, durch Krank-
heiten, Faſten und Caſteien abgemergelte Menſchen.
Ahndung von Geiſtesgroͤße finden wir nirgends.
Thaͤtige Tugend wie die Griechen ſie bildeten, ſchien
dem Geiſte einer Religion zuwider, nach deren Lehren
man Kindern aͤhneln ſoll, um das Reich Gottes zu
erwerben. Bewußtſeyn unſers Werthes, Ausdruck

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[189/0213] in der Bildhauerei. Zeitalters zeigt dieſe Koͤnigsſoͤhne als Hirten: und ſo erſcheinen ſie in unſern Gemaͤhlden. Der Heiland wird uns in der Bibel als der ſanftmuͤthigſte, duldſamſte, liebendſte aller Menſchen geſchildert. Dieſer Charakter laͤßt ſich mit einer ſchoͤnen Figur verbunden als moͤglich denken, aber die Nothwendigkeit dazu liegt ſo wenig am Tage, daß man vielmehr bei alle dem Leiden, welches er waͤh- rend ſeines Wallens hienieden ausgeſtanden hat, nur durch eine kraͤnkliche abgehaͤrmte Figur den Begriff ſeines hiſtoriſchen Daſeyns in der Kunſt voͤllig deut- lich zu machen glauben kann. Auch finden wir ſo wenig ihn als ſeine Nachfolger, die Apoſtel und Hei- ligen unter ſehr ſchoͤnen Geſtalten gebildet. Und das nicht ſowohl aus Unvermoͤgen, als aus Abſicht. Der Begriff von chriſtlicher Entaͤußerung und Demuth hat dies verhindern muͤſſen, bei einigen haben be- ſtimmte Nachrichten und Legenden im Wege ge- ſtanden. Die Apoſtel waren Perſonen von gemeiner Herkunft und ſchon bei Jahren: Nur Paulus und Johannes machen hier Ausnahmen; der letzte wird mit ſchuͤchterner Lieblichkeit gebildet. Der heil. Pe- trus iſt der Tradition zufolge kurz, unterſetzt und von eckigter Form geweſen, andere Apoſtel waren eben dieſer Tradition nach nicht ſchoͤner: die Stifter der Orden aber meiſtens ausgehungerte, durch Krank- heiten, Faſten und Caſteien abgemergelte Menſchen. Ahndung von Geiſtesgroͤße finden wir nirgends. Thaͤtige Tugend wie die Griechen ſie bildeten, ſchien dem Geiſte einer Religion zuwider, nach deren Lehren man Kindern aͤhneln ſoll, um das Reich Gottes zu erwerben. Bewußtſeyn unſers Werthes, Ausdruck des

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/213>, abgerufen am 04.05.2024.