Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.Pallast Boccapaduli. Empfindungen ganz anders geäußert, sich bei ähn-lichen Vorfällen ganz anders genommen haben, als wir: wenn ich Wahrheit des Ausdrucks mit einem Blicke prüfe, so gehe ich in mich selbst zurück, ich setze mich an die Stelle des Akteurs, ich will mich in ihm wiederfinden. Ein Zeno, der keine Mine verzieht, wenn Die Andeutung des Zufälligen bei der Wahrheit Vor-
Pallaſt Boccapaduli. Empfindungen ganz anders geaͤußert, ſich bei aͤhn-lichen Vorfaͤllen ganz anders genommen haben, als wir: wenn ich Wahrheit des Ausdrucks mit einem Blicke pruͤfe, ſo gehe ich in mich ſelbſt zuruͤck, ich ſetze mich an die Stelle des Akteurs, ich will mich in ihm wiederfinden. Ein Zeno, der keine Mine verzieht, wenn Die Andeutung des Zufaͤlligen bei der Wahrheit Vor-
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Pallaſt Boccapaduli.
Empfindungen ganz anders geaͤußert, ſich bei aͤhn-
lichen Vorfaͤllen ganz anders genommen haben, als
wir: wenn ich Wahrheit des Ausdrucks mit einem
Blicke pruͤfe, ſo gehe ich in mich ſelbſt zuruͤck, ich
ſetze mich an die Stelle des Akteurs, ich will mich
in ihm wiederfinden.
Ein Zeno, der keine Mine verzieht, wenn
man ihm das Bein zerſchlaͤgt, iſt fuͤr den Blick, der
das Gemaͤhlde waͤgt, eine Statue. Umſonſt ſagt
mir meine Erinnerung, daß dieſer beſtimmte Mann
durch lange Uebung eine ſolche Oberherrſchaft uͤber die
jedem Menſchen gewoͤhnlichen Affekte erhalten hatte,
die bis zur Unempfindlichkeit gegen koͤrperlichen
Schmerz gieng. Ich ſehe den beſtimmten Mann
nur einmal, nur in einer Lage, ich ſehe ihn als
Menſch.
Die Andeutung des Zufaͤlligen bei der Wahrheit
des hiſtoriſch Wahrſcheinlichen hat keine andere Abſicht,
als die Verſtaͤndigung des Zuſchauers von der beſtimm-
ten Veranlaſſung eines an ſich intereſſanten Ausdrucks.
Alle Andeutungen, die dazu nichts beitragen, ſind
uͤberfluͤſſige Nebenwerke, die, falls ſie durch mahle-
riſche Wuͤrkung nicht gerechtfertiget werden, die Auf-
merkſamkeit nur zerſtreuen. Wenn ich die Tochter
des Pharao mit ihren Begleiterinnen den ausgeſetzten
Moſes am Ufer eines Fluſſes finden ſehe, ſo weiß ich,
daß dieſer Fluß der Nil iſt: die Pyramiden im Hin-
tergrunde ſind zur Bezeichnung der Scene ganz uͤber-
fluͤßig. Verbirgt gar ein unthaͤtiger Flußgott ſein
Haupt im Schilfe, ſo enthaͤlt die allegoriſche Andeu-
tung eines laͤngſt erklaͤrten Nebenumſtandes, zugleich
eine Unſchicklichkeit.
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