gedehnet werden. Es ist oft viel zu willkührlich geleitet. Seine früheren Werke sind wie des Carra- vaggio seine durch übertriebene Verfinsterung der Schatten gerundet, die lezten sind zuweilen zu flach.
Die Behandlung des Pinsels ist eines der größten Verdienste unsers Meisters. Die dreiste zuverläßige Art, mit der er ihn führte; die kecken Züge, womit er Haare, Runzeln des Fleisches, überhaupt alle das Detail angab, welches nur durch den Schein des Ohngefehrs mit dem es da steht, als wahr er- greift, nur durch den Schein der Nachläßigkeit, mit der es behandelt wird, dem Vorwurf der Trockenheit entgeht; werden diesem Künstler am ersten zum Wiedererkennungszeichen die- nen. Doch kann man auch hieher die Art rech- nen, wie er die höchsten Lichter aufblickte, ohne sie zu vertreiben.
Er starb 1642.
Es ist schwer, den Guido in allen seinen ver- schiedenen Manieren von seinen Schülern zu unter- scheiden. Allein in seiner besten Zeit wird man ihn an der Feinheit der Zeichnung vorzüglich im Auge und in den Händen; an den schönen Ovalen der Weiberköpfe, die gemeiniglich in die Höhe blicken; an der Erhabenheit des Ausdrucks der Affekten, die mehr weibliche Einbildungskraft als männliche Gei- stesstärke voraussetzen; an den halbflachen Falten; an der frischen hellen Farbe; an den grünlichen Halbschatten; an der Harmonie der Farben in ein-
zelnen
Pallaſt Quirinale.
gedehnet werden. Es iſt oft viel zu willkuͤhrlich geleitet. Seine fruͤheren Werke ſind wie des Carra- vaggio ſeine durch uͤbertriebene Verfinſterung der Schatten gerundet, die lezten ſind zuweilen zu flach.
Die Behandlung des Pinſels iſt eines der groͤßten Verdienſte unſers Meiſters. Die dreiſte zuverlaͤßige Art, mit der er ihn fuͤhrte; die kecken Zuͤge, womit er Haare, Runzeln des Fleiſches, uͤberhaupt alle das Detail angab, welches nur durch den Schein des Ohngefehrs mit dem es da ſteht, als wahr er- greift, nur durch den Schein der Nachlaͤßigkeit, mit der es behandelt wird, dem Vorwurf der Trockenheit entgeht; werden dieſem Kuͤnſtler am erſten zum Wiedererkennungszeichen die- nen. Doch kann man auch hieher die Art rech- nen, wie er die hoͤchſten Lichter aufblickte, ohne ſie zu vertreiben.
Er ſtarb 1642.
Es iſt ſchwer, den Guido in allen ſeinen ver- ſchiedenen Manieren von ſeinen Schuͤlern zu unter- ſcheiden. Allein in ſeiner beſten Zeit wird man ihn an der Feinheit der Zeichnung vorzuͤglich im Auge und in den Haͤnden; an den ſchoͤnen Ovalen der Weiberkoͤpfe, die gemeiniglich in die Hoͤhe blicken; an der Erhabenheit des Ausdrucks der Affekten, die mehr weibliche Einbildungskraft als maͤnnliche Gei- ſtesſtaͤrke vorausſetzen; an den halbflachen Falten; an der friſchen hellen Farbe; an den gruͤnlichen Halbſchatten; an der Harmonie der Farben in ein-
zelnen
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Pallaſt Quirinale.
gedehnet werden. Es iſt oft viel zu willkuͤhrlich
geleitet. Seine fruͤheren Werke ſind wie des Carra-
vaggio ſeine durch uͤbertriebene Verfinſterung der
Schatten gerundet, die lezten ſind zuweilen zu
flach.
Die Behandlung des Pinſels iſt eines der groͤßten
Verdienſte unſers Meiſters. Die dreiſte zuverlaͤßige
Art, mit der er ihn fuͤhrte; die kecken Zuͤge, womit
er Haare, Runzeln des Fleiſches, uͤberhaupt alle
das Detail angab, welches nur durch den Schein
des Ohngefehrs mit dem es da ſteht, als wahr er-
greift, nur durch den Schein der Nachlaͤßigkeit,
mit der es behandelt wird, dem Vorwurf
der Trockenheit entgeht; werden dieſem Kuͤnſtler
am erſten zum Wiedererkennungszeichen die-
nen. Doch kann man auch hieher die Art rech-
nen, wie er die hoͤchſten Lichter aufblickte, ohne ſie
zu vertreiben.
Er ſtarb 1642.
Es iſt ſchwer, den Guido in allen ſeinen ver-
ſchiedenen Manieren von ſeinen Schuͤlern zu unter-
ſcheiden. Allein in ſeiner beſten Zeit wird man ihn
an der Feinheit der Zeichnung vorzuͤglich im Auge
und in den Haͤnden; an den ſchoͤnen Ovalen der
Weiberkoͤpfe, die gemeiniglich in die Hoͤhe blicken;
an der Erhabenheit des Ausdrucks der Affekten, die
mehr weibliche Einbildungskraft als maͤnnliche Gei-
ſtesſtaͤrke vorausſetzen; an den halbflachen Falten;
an der friſchen hellen Farbe; an den gruͤnlichen
Halbſchatten; an der Harmonie der Farben in ein-
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/202>, abgerufen am 16.02.2025.
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