Denn die Mahlereien der Alten die wir besitzen, gehören, aller Vermuthung nach, nicht zu dem Vor- trefflichsten der alten Kunst, und vielleicht nicht ein- mal zu dem sehr Guten. Sie sind größestentheils in den verschütteten Pompeji, Herculanum und an- dern Landstädten gefunden, wohin sich die Meister in der Kunst wahrscheinlich nicht verirret haben, die festen Wände zu verzieren. Ich sage hieher gekom- men, die festen Wände zu verzieren, weil die beweg- lichen Gemählde, die, so wie die dort aufgefundenen Statuen von vorzüglicherem Werthe, von andern Oertern hätten herbeigeschafft werden können, wahr- scheinlich bei der Zerstöhrung und Verschüttung der Stadt verlohren gegangen sind.
In der Hauptstadt, in Rom, haben sich zwar gleichfalls einige Gemählde erhalten, aber die Art, wie sie auf uns gekommen sind, berechtigt uns eben so wenig anzunehmen, daß zu den Zeiten des Flors der Kunst bei den Alten ein besonderer Werth auf sie ge- legt sey.
Es sind gutentheils Gemählde in Mosaik, die, aus den Fußböden verschütteter Gebäude ausgenom- men, für etwas anders als architectonische Zierrathen nicht gelten, und am wenigsten zum Maaßstabe des Werthes dienen sollten, welchen die Originalien kön- nen gehabt haben, nach denen sie verfertigt sind. Die Blüthe des Genies in allen Theilen der Kunst geht bei einer solchen Nachbildung verlohren. Mo- saiken sind die Gränze, wo die Arbeit des Handwer- kers sich von dem schönen Kunstwerk trennet; und wer wird überhaupt das Vorzüglichste dazu bestim- men, mit Füßen getreten zu werden?
Ande-
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Villa Aldovrandini.
Denn die Mahlereien der Alten die wir beſitzen, gehoͤren, aller Vermuthung nach, nicht zu dem Vor- trefflichſten der alten Kunſt, und vielleicht nicht ein- mal zu dem ſehr Guten. Sie ſind groͤßeſtentheils in den verſchuͤtteten Pompeji, Herculanum und an- dern Landſtaͤdten gefunden, wohin ſich die Meiſter in der Kunſt wahrſcheinlich nicht verirret haben, die feſten Waͤnde zu verzieren. Ich ſage hieher gekom- men, die feſten Waͤnde zu verzieren, weil die beweg- lichen Gemaͤhlde, die, ſo wie die dort aufgefundenen Statuen von vorzuͤglicherem Werthe, von andern Oertern haͤtten herbeigeſchafft werden koͤnnen, wahr- ſcheinlich bei der Zerſtoͤhrung und Verſchuͤttung der Stadt verlohren gegangen ſind.
In der Hauptſtadt, in Rom, haben ſich zwar gleichfalls einige Gemaͤhlde erhalten, aber die Art, wie ſie auf uns gekommen ſind, berechtigt uns eben ſo wenig anzunehmen, daß zu den Zeiten des Flors der Kunſt bei den Alten ein beſonderer Werth auf ſie ge- legt ſey.
Es ſind gutentheils Gemaͤhlde in Moſaik, die, aus den Fußboͤden verſchuͤtteter Gebaͤude ausgenom- men, fuͤr etwas anders als architectoniſche Zierrathen nicht gelten, und am wenigſten zum Maaßſtabe des Werthes dienen ſollten, welchen die Originalien koͤn- nen gehabt haben, nach denen ſie verfertigt ſind. Die Bluͤthe des Genies in allen Theilen der Kunſt geht bei einer ſolchen Nachbildung verlohren. Mo- ſaiken ſind die Graͤnze, wo die Arbeit des Handwer- kers ſich von dem ſchoͤnen Kunſtwerk trennet; und wer wird uͤberhaupt das Vorzuͤglichſte dazu beſtim- men, mit Fuͤßen getreten zu werden?
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Villa Aldovrandini.
Denn die Mahlereien der Alten die wir beſitzen,
gehoͤren, aller Vermuthung nach, nicht zu dem Vor-
trefflichſten der alten Kunſt, und vielleicht nicht ein-
mal zu dem ſehr Guten. Sie ſind groͤßeſtentheils
in den verſchuͤtteten Pompeji, Herculanum und an-
dern Landſtaͤdten gefunden, wohin ſich die Meiſter in
der Kunſt wahrſcheinlich nicht verirret haben, die
feſten Waͤnde zu verzieren. Ich ſage hieher gekom-
men, die feſten Waͤnde zu verzieren, weil die beweg-
lichen Gemaͤhlde, die, ſo wie die dort aufgefundenen
Statuen von vorzuͤglicherem Werthe, von andern
Oertern haͤtten herbeigeſchafft werden koͤnnen, wahr-
ſcheinlich bei der Zerſtoͤhrung und Verſchuͤttung der
Stadt verlohren gegangen ſind.
In der Hauptſtadt, in Rom, haben ſich zwar
gleichfalls einige Gemaͤhlde erhalten, aber die Art,
wie ſie auf uns gekommen ſind, berechtigt uns eben ſo
wenig anzunehmen, daß zu den Zeiten des Flors der
Kunſt bei den Alten ein beſonderer Werth auf ſie ge-
legt ſey.
Es ſind gutentheils Gemaͤhlde in Moſaik, die,
aus den Fußboͤden verſchuͤtteter Gebaͤude ausgenom-
men, fuͤr etwas anders als architectoniſche Zierrathen
nicht gelten, und am wenigſten zum Maaßſtabe des
Werthes dienen ſollten, welchen die Originalien koͤn-
nen gehabt haben, nach denen ſie verfertigt ſind.
Die Bluͤthe des Genies in allen Theilen der Kunſt
geht bei einer ſolchen Nachbildung verlohren. Mo-
ſaiken ſind die Graͤnze, wo die Arbeit des Handwer-
kers ſich von dem ſchoͤnen Kunſtwerk trennet; und
wer wird uͤberhaupt das Vorzuͤglichſte dazu beſtim-
men, mit Fuͤßen getreten zu werden?
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/179>, abgerufen am 16.02.2025.
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