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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Aldovrandini.

Andere Gemählde auf nassen Kalk oder trockenen
Grund gemahlt, sind beinahe durchgehends aus den
Wänden unterirrdischer Gemächer ausgehoben. Wie
hätten sie sich auch anders auf uns erhalten können?
In den obern Geschossen der Palläste angebracht,
würden sie mit diesen zu gleicher Zeit eingestürzt, und
zertrümmert seyn. Läßt sich aber wohl vermuthen,
daß man an Orten, wo ein reines helles Licht zur
Beleuchtung fehlt, etwas mehr als bloße Bekleidung
der Wände zur vorübergehenden Belustigung des
Blicks, von der Mahlerei werde gefordert haben?

Mich dünkt ich habe etwas vor mir, wenn ich
vermuthe unter den Werken der Mahlerei, die sich
auf uns erhalten haben, sind keine Meisterstücke eines
Parrhasius, Apelles und anderer großen Künstler
der Alten zu suchen: Ist gar dasjenige wahr, was
Winkelmann 3) behauptet, daß unter den Kaisern
die Mahlerei bereits in Verfall gerathen sey, so würde
der Werth, den man auf Stücke legen dürfte, die
beinahe alle in Gebäuden der Kaiser gefunden sind,
noch geringer seyn, und meine Vermuthung dadurch
einen höheren Grad der Gewißheit gewinnen.

Sind die Beweise, die wir aus würklichen Bei-
spielen für die Vortrefflichkeit der alten Mahlerei
hernehmen, äußerst mangelhaft, so sind diejenigen,
welche die Zeugnisse älterer Schriftsteller liefern sollen,
äußerst unzuverlässig. Diese werden nicht selten durch
einen rednerischen und poetischen Schmuck verdäch-
tig, mit dem der Schriftsteller mehr die Unterhaltung

des
3) G. d. K. S. 581.
Villa Aldovrandini.

Andere Gemaͤhlde auf naſſen Kalk oder trockenen
Grund gemahlt, ſind beinahe durchgehends aus den
Waͤnden unterirrdiſcher Gemaͤcher ausgehoben. Wie
haͤtten ſie ſich auch anders auf uns erhalten koͤnnen?
In den obern Geſchoſſen der Pallaͤſte angebracht,
wuͤrden ſie mit dieſen zu gleicher Zeit eingeſtuͤrzt, und
zertruͤmmert ſeyn. Laͤßt ſich aber wohl vermuthen,
daß man an Orten, wo ein reines helles Licht zur
Beleuchtung fehlt, etwas mehr als bloße Bekleidung
der Waͤnde zur voruͤbergehenden Beluſtigung des
Blicks, von der Mahlerei werde gefordert haben?

Mich duͤnkt ich habe etwas vor mir, wenn ich
vermuthe unter den Werken der Mahlerei, die ſich
auf uns erhalten haben, ſind keine Meiſterſtuͤcke eines
Parrhaſius, Apelles und anderer großen Kuͤnſtler
der Alten zu ſuchen: Iſt gar dasjenige wahr, was
Winkelmann 3) behauptet, daß unter den Kaiſern
die Mahlerei bereits in Verfall gerathen ſey, ſo wuͤrde
der Werth, den man auf Stuͤcke legen duͤrfte, die
beinahe alle in Gebaͤuden der Kaiſer gefunden ſind,
noch geringer ſeyn, und meine Vermuthung dadurch
einen hoͤheren Grad der Gewißheit gewinnen.

Sind die Beweiſe, die wir aus wuͤrklichen Bei-
ſpielen fuͤr die Vortrefflichkeit der alten Mahlerei
hernehmen, aͤußerſt mangelhaft, ſo ſind diejenigen,
welche die Zeugniſſe aͤlterer Schriftſteller liefern ſollen,
aͤußerſt unzuverlaͤſſig. Dieſe werden nicht ſelten durch
einen redneriſchen und poetiſchen Schmuck verdaͤch-
tig, mit dem der Schriftſteller mehr die Unterhaltung

des
3) G. d. K. S. 581.
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[166/0180] Villa Aldovrandini. Andere Gemaͤhlde auf naſſen Kalk oder trockenen Grund gemahlt, ſind beinahe durchgehends aus den Waͤnden unterirrdiſcher Gemaͤcher ausgehoben. Wie haͤtten ſie ſich auch anders auf uns erhalten koͤnnen? In den obern Geſchoſſen der Pallaͤſte angebracht, wuͤrden ſie mit dieſen zu gleicher Zeit eingeſtuͤrzt, und zertruͤmmert ſeyn. Laͤßt ſich aber wohl vermuthen, daß man an Orten, wo ein reines helles Licht zur Beleuchtung fehlt, etwas mehr als bloße Bekleidung der Waͤnde zur voruͤbergehenden Beluſtigung des Blicks, von der Mahlerei werde gefordert haben? Mich duͤnkt ich habe etwas vor mir, wenn ich vermuthe unter den Werken der Mahlerei, die ſich auf uns erhalten haben, ſind keine Meiſterſtuͤcke eines Parrhaſius, Apelles und anderer großen Kuͤnſtler der Alten zu ſuchen: Iſt gar dasjenige wahr, was Winkelmann 3) behauptet, daß unter den Kaiſern die Mahlerei bereits in Verfall gerathen ſey, ſo wuͤrde der Werth, den man auf Stuͤcke legen duͤrfte, die beinahe alle in Gebaͤuden der Kaiſer gefunden ſind, noch geringer ſeyn, und meine Vermuthung dadurch einen hoͤheren Grad der Gewißheit gewinnen. Sind die Beweiſe, die wir aus wuͤrklichen Bei- ſpielen fuͤr die Vortrefflichkeit der alten Mahlerei hernehmen, aͤußerſt mangelhaft, ſo ſind diejenigen, welche die Zeugniſſe aͤlterer Schriftſteller liefern ſollen, aͤußerſt unzuverlaͤſſig. Dieſe werden nicht ſelten durch einen redneriſchen und poetiſchen Schmuck verdaͤch- tig, mit dem der Schriftſteller mehr die Unterhaltung des 3) G. d. K. S. 581.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/180>, abgerufen am 09.11.2024.