Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Vaticanische Pallast.
Scharfsinn steht, bei dem andern der Scharfsinn mit
dem Herzen und der Einbildungskraft. Dem bilden-
den Künstler ist die letzte Art zu wünschen, dem Be-
schauer des Gebildeten kann die erste genügen.
Mengs hat viel über den Geschmack geschrieben; wir
vermissen ihn oft in seinen Gemählden.

Diese Betrachtungen können dem Urtheil über
das Verdienst unsers Mengs, als Mahler, zur
Grundlage dienen. Er hat einzelne Figuren mit dem
Charakter einer lieblichen Heiterkeit vortrefflich gedacht
und ausgeführt. Dies erstreckt sich jedoch bei weib-
lichen und männlichen selten weiter als auf das Alter
dem jene Eigenschaften vorzüglich eigen sind: des
Kindes, des Jünglings, und des Mädchens, beide
an den Gränzen der Pubertät. Menschen, die bei
wachsender Geistesstärke Formen von hoher Bedeu-
tung, den Ausdruck heftiger Affekten zeigen, sind
ihm selten geglückt. Seine größeren Compositionen
sind nicht häufig mit wahrer Rücksicht auf den Zweck
und die Würkung der Kunst erfunden und angeordnet,
und es fehlt beinahe durchaus an jener Harmonie
aller Theile zum Ganzen, die eine Arbeit zu einem
Werke macht.

Mengs hatte eine harte Erziehung genossen, er
hatte lange in Miniatur gemahlt. Seine Behand-
lung ist immer ängstlich geblieben.

Der Plafond in diesem Zimmer ist das schönstePlafond des
Mengs.

Werk, das wir von ihm kennen.

Man urtheilt so verschieden darüber in Rom,
einige erheben, andere erniedrigen es so sehr, daß
schon dies allein die Vermuthung erweckt, man unter-

scheide

Der Vaticaniſche Pallaſt.
Scharfſinn ſteht, bei dem andern der Scharfſinn mit
dem Herzen und der Einbildungskraft. Dem bilden-
den Kuͤnſtler iſt die letzte Art zu wuͤnſchen, dem Be-
ſchauer des Gebildeten kann die erſte genuͤgen.
Mengs hat viel uͤber den Geſchmack geſchrieben; wir
vermiſſen ihn oft in ſeinen Gemaͤhlden.

Dieſe Betrachtungen koͤnnen dem Urtheil uͤber
das Verdienſt unſers Mengs, als Mahler, zur
Grundlage dienen. Er hat einzelne Figuren mit dem
Charakter einer lieblichen Heiterkeit vortrefflich gedacht
und ausgefuͤhrt. Dies erſtreckt ſich jedoch bei weib-
lichen und maͤnnlichen ſelten weiter als auf das Alter
dem jene Eigenſchaften vorzuͤglich eigen ſind: des
Kindes, des Juͤnglings, und des Maͤdchens, beide
an den Graͤnzen der Pubertaͤt. Menſchen, die bei
wachſender Geiſtesſtaͤrke Formen von hoher Bedeu-
tung, den Ausdruck heftiger Affekten zeigen, ſind
ihm ſelten gegluͤckt. Seine groͤßeren Compoſitionen
ſind nicht haͤufig mit wahrer Ruͤckſicht auf den Zweck
und die Wuͤrkung der Kunſt erfunden und angeordnet,
und es fehlt beinahe durchaus an jener Harmonie
aller Theile zum Ganzen, die eine Arbeit zu einem
Werke macht.

Mengs hatte eine harte Erziehung genoſſen, er
hatte lange in Miniatur gemahlt. Seine Behand-
lung iſt immer aͤngſtlich geblieben.

Der Plafond in dieſem Zimmer iſt das ſchoͤnſtePlafond des
Mengs.

Werk, das wir von ihm kennen.

Man urtheilt ſo verſchieden daruͤber in Rom,
einige erheben, andere erniedrigen es ſo ſehr, daß
ſchon dies allein die Vermuthung erweckt, man unter-

ſcheide
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0209" n="187"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Vaticani&#x017F;che Palla&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
Scharf&#x017F;inn &#x017F;teht, bei dem andern der Scharf&#x017F;inn mit<lb/>
dem Herzen und der Einbildungskraft. Dem bilden-<lb/>
den Ku&#x0364;n&#x017F;tler i&#x017F;t die letzte Art zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, dem Be-<lb/>
&#x017F;chauer des Gebildeten kann die er&#x017F;te genu&#x0364;gen.<lb/>
Mengs hat viel u&#x0364;ber den Ge&#x017F;chmack ge&#x017F;chrieben; wir<lb/>
vermi&#x017F;&#x017F;en ihn oft in &#x017F;einen Gema&#x0364;hlden.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Betrachtungen ko&#x0364;nnen dem Urtheil u&#x0364;ber<lb/>
das Verdien&#x017F;t un&#x017F;ers Mengs, als Mahler, zur<lb/>
Grundlage dienen. Er hat einzelne Figuren mit dem<lb/>
Charakter einer lieblichen Heiterkeit vortrefflich gedacht<lb/>
und ausgefu&#x0364;hrt. Dies er&#x017F;treckt &#x017F;ich jedoch bei weib-<lb/>
lichen und ma&#x0364;nnlichen &#x017F;elten weiter als auf das Alter<lb/>
dem jene Eigen&#x017F;chaften vorzu&#x0364;glich eigen &#x017F;ind: des<lb/>
Kindes, des Ju&#x0364;nglings, und des Ma&#x0364;dchens, beide<lb/>
an den Gra&#x0364;nzen der Puberta&#x0364;t. Men&#x017F;chen, die bei<lb/>
wach&#x017F;ender Gei&#x017F;tes&#x017F;ta&#x0364;rke Formen von hoher Bedeu-<lb/>
tung, den Ausdruck heftiger Affekten zeigen, &#x017F;ind<lb/>
ihm &#x017F;elten geglu&#x0364;ckt. Seine gro&#x0364;ßeren Compo&#x017F;itionen<lb/>
&#x017F;ind nicht ha&#x0364;ufig mit wahrer Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf den Zweck<lb/>
und die Wu&#x0364;rkung der Kun&#x017F;t erfunden und angeordnet,<lb/>
und es fehlt beinahe durchaus an jener Harmonie<lb/>
aller Theile zum Ganzen, die eine Arbeit zu einem<lb/>
Werke macht.</p><lb/>
            <p>Mengs hatte eine harte Erziehung geno&#x017F;&#x017F;en, er<lb/>
hatte lange in Miniatur gemahlt. Seine Behand-<lb/>
lung i&#x017F;t immer a&#x0364;ng&#x017F;tlich geblieben.</p><lb/>
            <p>Der Plafond in die&#x017F;em Zimmer i&#x017F;t das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te<note place="right">Plafond des<lb/>
Mengs.</note><lb/>
Werk, das wir von ihm kennen.</p><lb/>
            <p>Man urtheilt &#x017F;o ver&#x017F;chieden daru&#x0364;ber in Rom,<lb/>
einige erheben, andere erniedrigen es &#x017F;o &#x017F;ehr, daß<lb/>
&#x017F;chon dies allein die Vermuthung erweckt, man unter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;cheide</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0209] Der Vaticaniſche Pallaſt. Scharfſinn ſteht, bei dem andern der Scharfſinn mit dem Herzen und der Einbildungskraft. Dem bilden- den Kuͤnſtler iſt die letzte Art zu wuͤnſchen, dem Be- ſchauer des Gebildeten kann die erſte genuͤgen. Mengs hat viel uͤber den Geſchmack geſchrieben; wir vermiſſen ihn oft in ſeinen Gemaͤhlden. Dieſe Betrachtungen koͤnnen dem Urtheil uͤber das Verdienſt unſers Mengs, als Mahler, zur Grundlage dienen. Er hat einzelne Figuren mit dem Charakter einer lieblichen Heiterkeit vortrefflich gedacht und ausgefuͤhrt. Dies erſtreckt ſich jedoch bei weib- lichen und maͤnnlichen ſelten weiter als auf das Alter dem jene Eigenſchaften vorzuͤglich eigen ſind: des Kindes, des Juͤnglings, und des Maͤdchens, beide an den Graͤnzen der Pubertaͤt. Menſchen, die bei wachſender Geiſtesſtaͤrke Formen von hoher Bedeu- tung, den Ausdruck heftiger Affekten zeigen, ſind ihm ſelten gegluͤckt. Seine groͤßeren Compoſitionen ſind nicht haͤufig mit wahrer Ruͤckſicht auf den Zweck und die Wuͤrkung der Kunſt erfunden und angeordnet, und es fehlt beinahe durchaus an jener Harmonie aller Theile zum Ganzen, die eine Arbeit zu einem Werke macht. Mengs hatte eine harte Erziehung genoſſen, er hatte lange in Miniatur gemahlt. Seine Behand- lung iſt immer aͤngſtlich geblieben. Der Plafond in dieſem Zimmer iſt das ſchoͤnſte Werk, das wir von ihm kennen. Plafond des Mengs. Man urtheilt ſo verſchieden daruͤber in Rom, einige erheben, andere erniedrigen es ſo ſehr, daß ſchon dies allein die Vermuthung erweckt, man unter- ſcheide

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/209
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/209>, abgerufen am 02.05.2024.