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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
das eine interessante Handlung darstellt. Geschmack-
volle Zierrathen aus Stuck, oder Grau in Grau ge-
mahlt, die das Auge anziehen, ohne es zu fesseln,
scheinen mir hier an ihrer wahren Stelle zu stehen.
Will man aber durchaus historische Figuren an Decken-
stücken sehen, so wünsche ich, daß man sie schwebend
vorstellen möge.

Die Bibel Raphaels enthält Gemählde, die
eigentlich von dem stehenden Zuschauer in horizontaler
Richtung gesehen werden sollen. Die Figuren haben
ohngefähr eine Höhe von zwei Fuß, welche der Ent-
fernung, worin sie das Auge sieht, nicht angemessen
ist. Die Feinheit des Ausdrucks in den Minen,
Raphaels Hauptvorzug, geht beinahe ganz ver-
lohren.

Zu allen diesen Stücken hat Raphael Zeichnungen
hergegeben, aber nur wenige hat er mit eigener Hand
ausgeführet. Diejenigen Schüler, die am meisten
Antheil daran hatten, sind Perino del Vaga, Giulio
Romano, Giovanni Francesco Penni, und Pelle-
grino da Modena. 41)

Den ersten Stücken, die die Schöpfungsge-
schichte vorstellen, sieht man deutlich an, daß sich
Raphael in die Ideen Michael Angelo's hinein gedacht
hat; wenn man ihm darüber einen Vorwurf machen
will, so verdient er ihn weniger in Rücksicht der Nach-
ahmung, als vielmehr der Wahl des Vorbildes.

Der
41) Dieser letzte Künstler heißt eigentlich Pellegrinus
Munari da Modena, unter welchem Nahmen man
ihn in Fueßlis Künstlerlexicon suchen muß.

Der Vaticaniſche Pallaſt.
das eine intereſſante Handlung darſtellt. Geſchmack-
volle Zierrathen aus Stuck, oder Grau in Grau ge-
mahlt, die das Auge anziehen, ohne es zu feſſeln,
ſcheinen mir hier an ihrer wahren Stelle zu ſtehen.
Will man aber durchaus hiſtoriſche Figuren an Decken-
ſtuͤcken ſehen, ſo wuͤnſche ich, daß man ſie ſchwebend
vorſtellen moͤge.

Die Bibel Raphaels enthaͤlt Gemaͤhlde, die
eigentlich von dem ſtehenden Zuſchauer in horizontaler
Richtung geſehen werden ſollen. Die Figuren haben
ohngefaͤhr eine Hoͤhe von zwei Fuß, welche der Ent-
fernung, worin ſie das Auge ſieht, nicht angemeſſen
iſt. Die Feinheit des Ausdrucks in den Minen,
Raphaels Hauptvorzug, geht beinahe ganz ver-
lohren.

Zu allen dieſen Stuͤcken hat Raphael Zeichnungen
hergegeben, aber nur wenige hat er mit eigener Hand
ausgefuͤhret. Diejenigen Schuͤler, die am meiſten
Antheil daran hatten, ſind Perino del Vaga, Giulio
Romano, Giovanni Francesco Penni, und Pelle-
grino da Modena. 41)

Den erſten Stuͤcken, die die Schoͤpfungsge-
ſchichte vorſtellen, ſieht man deutlich an, daß ſich
Raphael in die Ideen Michael Angelo’s hinein gedacht
hat; wenn man ihm daruͤber einen Vorwurf machen
will, ſo verdient er ihn weniger in Ruͤckſicht der Nach-
ahmung, als vielmehr der Wahl des Vorbildes.

Der
41) Dieſer letzte Kuͤnſtler heißt eigentlich Pellegrinus
Munari da Modena, unter welchem Nahmen man
ihn in Fueßlis Kuͤnſtlerlexicon ſuchen muß.
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[136/0158] Der Vaticaniſche Pallaſt. das eine intereſſante Handlung darſtellt. Geſchmack- volle Zierrathen aus Stuck, oder Grau in Grau ge- mahlt, die das Auge anziehen, ohne es zu feſſeln, ſcheinen mir hier an ihrer wahren Stelle zu ſtehen. Will man aber durchaus hiſtoriſche Figuren an Decken- ſtuͤcken ſehen, ſo wuͤnſche ich, daß man ſie ſchwebend vorſtellen moͤge. Die Bibel Raphaels enthaͤlt Gemaͤhlde, die eigentlich von dem ſtehenden Zuſchauer in horizontaler Richtung geſehen werden ſollen. Die Figuren haben ohngefaͤhr eine Hoͤhe von zwei Fuß, welche der Ent- fernung, worin ſie das Auge ſieht, nicht angemeſſen iſt. Die Feinheit des Ausdrucks in den Minen, Raphaels Hauptvorzug, geht beinahe ganz ver- lohren. Zu allen dieſen Stuͤcken hat Raphael Zeichnungen hergegeben, aber nur wenige hat er mit eigener Hand ausgefuͤhret. Diejenigen Schuͤler, die am meiſten Antheil daran hatten, ſind Perino del Vaga, Giulio Romano, Giovanni Francesco Penni, und Pelle- grino da Modena. 41) Den erſten Stuͤcken, die die Schoͤpfungsge- ſchichte vorſtellen, ſieht man deutlich an, daß ſich Raphael in die Ideen Michael Angelo’s hinein gedacht hat; wenn man ihm daruͤber einen Vorwurf machen will, ſo verdient er ihn weniger in Ruͤckſicht der Nach- ahmung, als vielmehr der Wahl des Vorbildes. Der 41) Dieſer letzte Kuͤnſtler heißt eigentlich Pellegrinus Munari da Modena, unter welchem Nahmen man ihn in Fueßlis Kuͤnſtlerlexicon ſuchen muß.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/158>, abgerufen am 23.11.2024.