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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
"richtigen Rath, durch einen zu rechter Zeit ein-
"gelegten Vorspruch bey den Obern, er hilft ihm
"mit seinem Vermögen, und macht dadurch ihn,
"und seine ganze Familie glücklich. So viele er
"glücklich gemacht hat, so viele aufrichtige Freunde
"hat er sich erworben. Alle eifern um die Wette,
"erkenntlich zu seyn und sein Glück wieder zu be-
"fördern. Jn allen Gesellschaften rühmen sie
"diesen ehrlichen Mann; wider alle seine Feinde
"vertheidigen sie ihn. Sie warnen ihn, so bald
"sie merken, daß etwas zu seinem Schaden ge-
"schmiedet wird. Sie wagen ihr ganzes Ver-
"mögen daran, ihn von dem Unglücke zu retten,
"das ihm bevorsteht. Sie freuen sich, wenn er
"ihm entgangen ist. Und wenn auch, wie es im-
"mer geht, die Bosheit ihn auf einige Zeit nie-
"derdrückt: so beweinen sie sein Unglück mit red-
"lichen Thränen, und erwarten den Augenblick
"mit ängstlicher Ungeduld, welcher niemals aus-
"sen bleibt, die Unschuld zu retten, und die Red-
"lichkeit zu krönen. Sind die Vortheile so wich-
"tig, wenn Privatpersonen es ehrlich mit einander
"meynen, wie viel grösser muß die Zufriedenheit
"bey denenjenigen seyn, welche das Glück auf ei-
"nen Posten gestellt hat, wo sie viel tausend Men-
"schen bloß durch ihre Redlichkeit glücklich ma-
"chen können? Ein jeder, der ihm begegnet, und
"den er auch nicht kennt, ist sein Freund und Be-
"schützer, weil er durch seine Vermittelung einen
"Theil des Glücks erlangt hat, welches er einem
"ganzen Lande zuströmen lassen. Tausend Fa-

"milien
E 4

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
„richtigen Rath, durch einen zu rechter Zeit ein-
„gelegten Vorſpruch bey den Obern, er hilft ihm
„mit ſeinem Vermoͤgen, und macht dadurch ihn,
„und ſeine ganze Familie gluͤcklich. So viele er
„gluͤcklich gemacht hat, ſo viele aufrichtige Freunde
„hat er ſich erworben. Alle eifern um die Wette,
„erkenntlich zu ſeyn und ſein Gluͤck wieder zu be-
„foͤrdern. Jn allen Geſellſchaften ruͤhmen ſie
„dieſen ehrlichen Mann; wider alle ſeine Feinde
„vertheidigen ſie ihn. Sie warnen ihn, ſo bald
„ſie merken, daß etwas zu ſeinem Schaden ge-
„ſchmiedet wird. Sie wagen ihr ganzes Ver-
„moͤgen daran, ihn von dem Ungluͤcke zu retten,
„das ihm bevorſteht. Sie freuen ſich, wenn er
„ihm entgangen iſt. Und wenn auch, wie es im-
„mer geht, die Bosheit ihn auf einige Zeit nie-
„derdruͤckt: ſo beweinen ſie ſein Ungluͤck mit red-
„lichen Thraͤnen, und erwarten den Augenblick
„mit aͤngſtlicher Ungeduld, welcher niemals auſ-
„ſen bleibt, die Unſchuld zu retten, und die Red-
„lichkeit zu kroͤnen. Sind die Vortheile ſo wich-
„tig, wenn Privatperſonen es ehrlich mit einander
„meynen, wie viel groͤſſer muß die Zufriedenheit
„bey denenjenigen ſeyn, welche das Gluͤck auf ei-
„nen Poſten geſtellt hat, wo ſie viel tauſend Men-
„ſchen bloß durch ihre Redlichkeit gluͤcklich ma-
„chen koͤnnen? Ein jeder, der ihm begegnet, und
„den er auch nicht kennt, iſt ſein Freund und Be-
„ſchuͤtzer, weil er durch ſeine Vermittelung einen
„Theil des Gluͤcks erlangt hat, welches er einem
„ganzen Lande zuſtroͤmen laſſen. Tauſend Fa-

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[71/0093] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. „richtigen Rath, durch einen zu rechter Zeit ein- „gelegten Vorſpruch bey den Obern, er hilft ihm „mit ſeinem Vermoͤgen, und macht dadurch ihn, „und ſeine ganze Familie gluͤcklich. So viele er „gluͤcklich gemacht hat, ſo viele aufrichtige Freunde „hat er ſich erworben. Alle eifern um die Wette, „erkenntlich zu ſeyn und ſein Gluͤck wieder zu be- „foͤrdern. Jn allen Geſellſchaften ruͤhmen ſie „dieſen ehrlichen Mann; wider alle ſeine Feinde „vertheidigen ſie ihn. Sie warnen ihn, ſo bald „ſie merken, daß etwas zu ſeinem Schaden ge- „ſchmiedet wird. Sie wagen ihr ganzes Ver- „moͤgen daran, ihn von dem Ungluͤcke zu retten, „das ihm bevorſteht. Sie freuen ſich, wenn er „ihm entgangen iſt. Und wenn auch, wie es im- „mer geht, die Bosheit ihn auf einige Zeit nie- „derdruͤckt: ſo beweinen ſie ſein Ungluͤck mit red- „lichen Thraͤnen, und erwarten den Augenblick „mit aͤngſtlicher Ungeduld, welcher niemals auſ- „ſen bleibt, die Unſchuld zu retten, und die Red- „lichkeit zu kroͤnen. Sind die Vortheile ſo wich- „tig, wenn Privatperſonen es ehrlich mit einander „meynen, wie viel groͤſſer muß die Zufriedenheit „bey denenjenigen ſeyn, welche das Gluͤck auf ei- „nen Poſten geſtellt hat, wo ſie viel tauſend Men- „ſchen bloß durch ihre Redlichkeit gluͤcklich ma- „chen koͤnnen? Ein jeder, der ihm begegnet, und „den er auch nicht kennt, iſt ſein Freund und Be- „ſchuͤtzer, weil er durch ſeine Vermittelung einen „Theil des Gluͤcks erlangt hat, welches er einem „ganzen Lande zuſtroͤmen laſſen. Tauſend Fa- „milien E 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/93>, abgerufen am 22.11.2024.