[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Antons Panßa von Mancha "sich hatte gelüsten lassen, einem königlichen Pach-"ter die Börse aus der Tasche zu ziehen. Dieser "merkte den Diebstahl, ergriff ihn bey den Haa- "ren, und hielt ihn so fest, bis die Stadtwache "dazu kam. Der Kerl verdient seine Strafe, es "ist wahr; ich kenne aber auch den Pachter, wel- "cher der größte Bösewicht im Lande ist, und un- "ter dem scheinbaren Vorwande, das landesherr- "schaftliche Jnteresse zu beobachten, Steuern und "Gaben der Verfassung gemäß einzutreiben, und "die Justiz zu befördern, eine ganze Pflege seuf- "zender Unterthanen mit seiner legalen, und schrei- "benden Bande plündert. Das Geld, welches "der Unglückselige ihm entwenden wollte, war "ein Theil der erpreßten Beute, und wenn alle "diejenigen, welche zu diesem Raube das Jhrige "beytragen müssen, die Freyheit gehabt hätten, "diesen ungerechten Haushalter auch so, wie er "seinem Diebe that, in gefängliche Haft zu brin- "gen, so würden hundert Hände nicht zugereicht "haben. Mit einem Worte: Kleine Diebe über- "liefert man der strafenden Gerechtigkeit; vor "Hauptdieben zieht man den Hut mit Ehrfurcht "ab. Das ist noch nichts; die Zeiten werden noch "viel schlimmer werden. Unsere Jugend ist schon "so boshaft, als ihre Väter, wie weit wird sie "es nicht künftig bringen! Jn den ersten Jahren "gewöhnt man die Kinder zur Verstellung, bey "zunehmendem Alter wird eine Falschheit daraus, "welche in den männlichen Jahren in eine berufs- "mäßige Betrügerey ausbricht. Aber sie sehen "es
Antons Panßa von Mancha „ſich hatte geluͤſten laſſen, einem koͤniglichen Pach-„ter die Boͤrſe aus der Taſche zu ziehen. Dieſer „merkte den Diebſtahl, ergriff ihn bey den Haa- „ren, und hielt ihn ſo feſt, bis die Stadtwache „dazu kam. Der Kerl verdient ſeine Strafe, es „iſt wahr; ich kenne aber auch den Pachter, wel- „cher der groͤßte Boͤſewicht im Lande iſt, und un- „ter dem ſcheinbaren Vorwande, das landesherr- „ſchaftliche Jntereſſe zu beobachten, Steuern und „Gaben der Verfaſſung gemaͤß einzutreiben, und „die Juſtiz zu befoͤrdern, eine ganze Pflege ſeuf- „zender Unterthanen mit ſeiner legalen, und ſchrei- „benden Bande pluͤndert. Das Geld, welches „der Ungluͤckſelige ihm entwenden wollte, war „ein Theil der erpreßten Beute, und wenn alle „diejenigen, welche zu dieſem Raube das Jhrige „beytragen muͤſſen, die Freyheit gehabt haͤtten, „dieſen ungerechten Haushalter auch ſo, wie er „ſeinem Diebe that, in gefaͤngliche Haft zu brin- „gen, ſo wuͤrden hundert Haͤnde nicht zugereicht „haben. Mit einem Worte: Kleine Diebe uͤber- „liefert man der ſtrafenden Gerechtigkeit; vor „Hauptdieben zieht man den Hut mit Ehrfurcht „ab. Das iſt noch nichts; die Zeiten werden noch „viel ſchlimmer werden. Unſere Jugend iſt ſchon „ſo boshaft, als ihre Vaͤter, wie weit wird ſie „es nicht kuͤnftig bringen! Jn den erſten Jahren „gewoͤhnt man die Kinder zur Verſtellung, bey „zunehmendem Alter wird eine Falſchheit daraus, „welche in den maͤnnlichen Jahren in eine berufs- „maͤßige Betruͤgerey ausbricht. Aber ſie ſehen „es
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Antons Panßa von Mancha
„ſich hatte geluͤſten laſſen, einem koͤniglichen Pach-
„ter die Boͤrſe aus der Taſche zu ziehen. Dieſer
„merkte den Diebſtahl, ergriff ihn bey den Haa-
„ren, und hielt ihn ſo feſt, bis die Stadtwache
„dazu kam. Der Kerl verdient ſeine Strafe, es
„iſt wahr; ich kenne aber auch den Pachter, wel-
„cher der groͤßte Boͤſewicht im Lande iſt, und un-
„ter dem ſcheinbaren Vorwande, das landesherr-
„ſchaftliche Jntereſſe zu beobachten, Steuern und
„Gaben der Verfaſſung gemaͤß einzutreiben, und
„die Juſtiz zu befoͤrdern, eine ganze Pflege ſeuf-
„zender Unterthanen mit ſeiner legalen, und ſchrei-
„benden Bande pluͤndert. Das Geld, welches
„der Ungluͤckſelige ihm entwenden wollte, war
„ein Theil der erpreßten Beute, und wenn alle
„diejenigen, welche zu dieſem Raube das Jhrige
„beytragen muͤſſen, die Freyheit gehabt haͤtten,
„dieſen ungerechten Haushalter auch ſo, wie er
„ſeinem Diebe that, in gefaͤngliche Haft zu brin-
„gen, ſo wuͤrden hundert Haͤnde nicht zugereicht
„haben. Mit einem Worte: Kleine Diebe uͤber-
„liefert man der ſtrafenden Gerechtigkeit; vor
„Hauptdieben zieht man den Hut mit Ehrfurcht
„ab. Das iſt noch nichts; die Zeiten werden noch
„viel ſchlimmer werden. Unſere Jugend iſt ſchon
„ſo boshaft, als ihre Vaͤter, wie weit wird ſie
„es nicht kuͤnftig bringen! Jn den erſten Jahren
„gewoͤhnt man die Kinder zur Verſtellung, bey
„zunehmendem Alter wird eine Falſchheit daraus,
„welche in den maͤnnlichen Jahren in eine berufs-
„maͤßige Betruͤgerey ausbricht. Aber ſie ſehen
„es
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