Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abbitte
Welt eine Rolle spielen zu wollen, die bemerkt wird:
Weil es ihnen aber am Verstande und Willen
fehlt, so rasen sie, um starke Geister zu heißen. Die
Ausschweifungen ihrer Jugend sind mit nichts zu
entschuldigen: Sie gerathen also auf den alber-
nen Einfall, sich und andere zu bereden, daß es
keine höhern Gesetze gebe, welche diese Ausschwei-
fungen verdammen; und bey diesem Einfalle ha-
ben sie eben die sichere Beruhigung, die ein Dieb
haben mag, welcher sich zu bereden sucht, daß kei-
ne Gesetze sind, die den Diebstahl verbieten, und
welcher diesen Unsinn gegen andere so lange be-
hauptet, bis er unter dem Galgen steht. Gemei-
niglich ist eine schimpfliche Armuth die Folge ihrer
jugendlichen Ausschweifungen; und alsdenn sind
diese starken Geister, welche so stolz von ihrem
Witze denken, doch niederträchtig genug, Schma-
rozer zu werden, und sich durch ihren witzigen Un-
sinn an die Tafel junger reicher Thoren zu drän-
gen. Diese Elende, welche Verzweiflung und
Hunger zu Narren macht, habe ich so oft verspot-
tet: Wie ungerecht, und lieblos habe ich gehan-
delt! Wäre es mein Ernst gewesen, sie zu retten,
und hätte ich es wirklich gut mit ihnen gemeynt:
so hätte ich die Barmherzigkeit an ihnen erzeigen,
und sie in das Tollhaus einkaufen sollen.



Die Abbitte und Ehrenerklärung, die ich hier
den starken Geistern thue, bringt mich ganz na-

türlich

Abbitte
Welt eine Rolle ſpielen zu wollen, die bemerkt wird:
Weil es ihnen aber am Verſtande und Willen
fehlt, ſo raſen ſie, um ſtarke Geiſter zu heißen. Die
Ausſchweifungen ihrer Jugend ſind mit nichts zu
entſchuldigen: Sie gerathen alſo auf den alber-
nen Einfall, ſich und andere zu bereden, daß es
keine hoͤhern Geſetze gebe, welche dieſe Ausſchwei-
fungen verdammen; und bey dieſem Einfalle ha-
ben ſie eben die ſichere Beruhigung, die ein Dieb
haben mag, welcher ſich zu bereden ſucht, daß kei-
ne Geſetze ſind, die den Diebſtahl verbieten, und
welcher dieſen Unſinn gegen andere ſo lange be-
hauptet, bis er unter dem Galgen ſteht. Gemei-
niglich iſt eine ſchimpfliche Armuth die Folge ihrer
jugendlichen Ausſchweifungen; und alsdenn ſind
dieſe ſtarken Geiſter, welche ſo ſtolz von ihrem
Witze denken, doch niedertraͤchtig genug, Schma-
rozer zu werden, und ſich durch ihren witzigen Un-
ſinn an die Tafel junger reicher Thoren zu draͤn-
gen. Dieſe Elende, welche Verzweiflung und
Hunger zu Narren macht, habe ich ſo oft verſpot-
tet: Wie ungerecht, und lieblos habe ich gehan-
delt! Waͤre es mein Ernſt geweſen, ſie zu retten,
und haͤtte ich es wirklich gut mit ihnen gemeynt:
ſo haͤtte ich die Barmherzigkeit an ihnen erzeigen,
und ſie in das Tollhaus einkaufen ſollen.



Die Abbitte und Ehrenerklaͤrung, die ich hier
den ſtarken Geiſtern thue, bringt mich ganz na-

tuͤrlich
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0628" n="606[604]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abbitte</hi></fw><lb/>
Welt eine Rolle &#x017F;pielen zu wollen, die bemerkt wird:<lb/>
Weil es ihnen aber am Ver&#x017F;tande und Willen<lb/>
fehlt, &#x017F;o ra&#x017F;en &#x017F;ie, um &#x017F;tarke Gei&#x017F;ter zu heißen. Die<lb/>
Aus&#x017F;chweifungen ihrer Jugend &#x017F;ind mit nichts zu<lb/>
ent&#x017F;chuldigen: Sie gerathen al&#x017F;o auf den alber-<lb/>
nen Einfall, &#x017F;ich und andere zu bereden, daß es<lb/>
keine ho&#x0364;hern Ge&#x017F;etze gebe, welche die&#x017F;e Aus&#x017F;chwei-<lb/>
fungen verdammen; und bey die&#x017F;em Einfalle ha-<lb/>
ben &#x017F;ie eben die &#x017F;ichere Beruhigung, die ein Dieb<lb/>
haben mag, welcher &#x017F;ich zu bereden &#x017F;ucht, daß kei-<lb/>
ne Ge&#x017F;etze &#x017F;ind, die den Dieb&#x017F;tahl verbieten, und<lb/>
welcher die&#x017F;en Un&#x017F;inn gegen andere &#x017F;o lange be-<lb/>
hauptet, bis er unter dem Galgen &#x017F;teht. Gemei-<lb/>
niglich i&#x017F;t eine &#x017F;chimpfliche Armuth die Folge ihrer<lb/>
jugendlichen Aus&#x017F;chweifungen; und alsdenn &#x017F;ind<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;tarken Gei&#x017F;ter, welche &#x017F;o &#x017F;tolz von ihrem<lb/>
Witze denken, doch niedertra&#x0364;chtig genug, Schma-<lb/>
rozer zu werden, und &#x017F;ich durch ihren witzigen Un-<lb/>
&#x017F;inn an die Tafel junger reicher Thoren zu dra&#x0364;n-<lb/>
gen. Die&#x017F;e Elende, welche Verzweiflung und<lb/>
Hunger zu Narren macht, habe ich &#x017F;o oft ver&#x017F;pot-<lb/>
tet: Wie ungerecht, und lieblos habe ich gehan-<lb/>
delt! Wa&#x0364;re es mein Ern&#x017F;t gewe&#x017F;en, &#x017F;ie zu retten,<lb/>
und ha&#x0364;tte ich es wirklich gut mit ihnen gemeynt:<lb/>
&#x017F;o ha&#x0364;tte ich die Barmherzigkeit an ihnen erzeigen,<lb/>
und &#x017F;ie in das Tollhaus einkaufen &#x017F;ollen.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Die Abbitte und Ehrenerkla&#x0364;rung, die ich hier<lb/>
den &#x017F;tarken Gei&#x017F;tern thue, bringt mich ganz na-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tu&#x0364;rlich</fw><lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[606[604]/0628] Abbitte Welt eine Rolle ſpielen zu wollen, die bemerkt wird: Weil es ihnen aber am Verſtande und Willen fehlt, ſo raſen ſie, um ſtarke Geiſter zu heißen. Die Ausſchweifungen ihrer Jugend ſind mit nichts zu entſchuldigen: Sie gerathen alſo auf den alber- nen Einfall, ſich und andere zu bereden, daß es keine hoͤhern Geſetze gebe, welche dieſe Ausſchwei- fungen verdammen; und bey dieſem Einfalle ha- ben ſie eben die ſichere Beruhigung, die ein Dieb haben mag, welcher ſich zu bereden ſucht, daß kei- ne Geſetze ſind, die den Diebſtahl verbieten, und welcher dieſen Unſinn gegen andere ſo lange be- hauptet, bis er unter dem Galgen ſteht. Gemei- niglich iſt eine ſchimpfliche Armuth die Folge ihrer jugendlichen Ausſchweifungen; und alsdenn ſind dieſe ſtarken Geiſter, welche ſo ſtolz von ihrem Witze denken, doch niedertraͤchtig genug, Schma- rozer zu werden, und ſich durch ihren witzigen Un- ſinn an die Tafel junger reicher Thoren zu draͤn- gen. Dieſe Elende, welche Verzweiflung und Hunger zu Narren macht, habe ich ſo oft verſpot- tet: Wie ungerecht, und lieblos habe ich gehan- delt! Waͤre es mein Ernſt geweſen, ſie zu retten, und haͤtte ich es wirklich gut mit ihnen gemeynt: ſo haͤtte ich die Barmherzigkeit an ihnen erzeigen, und ſie in das Tollhaus einkaufen ſollen. Die Abbitte und Ehrenerklaͤrung, die ich hier den ſtarken Geiſtern thue, bringt mich ganz na- tuͤrlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/628
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 606[604]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/628>, abgerufen am 24.11.2024.