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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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und Ehrenerklärung.
türlich auf ihre Antipoden, die abergläubischen
Seelen.
Auch an diesen habe ich mich versün-
digt: Denn Abergläubische zu verspotten, ist eben
so ungerecht, als einen Wahnwitzigen zu verspot-
ten, der immer Gespenster sieht. Diese Unglück-
liche werden ohnedem schon unbarmherzig genug
von gewissen Tyrannen gepeinigt, deren Eigen-
nutz, unter dem frommen Vorwande, die heiligen
Pflichten ihres Amtes zu erfüllen, sie immer mit
neuen Larven schreckt, und ihnen immer den Ver-
stand verdächtig macht, damit sie ihr Joch nicht
fühlen; welche sich und der Religion zu Ehren,
diese Milzsüchtigen in einer andächtigen Dumm-
heit erhalten; mit einem Worte, welche eher nicht
ruhen, als bis sie aus einem vernünftigen Wesen
ein betendes Vieh gemacht haben. Es wäre bil-
liger von mir gewesen, wenn ich diesen elenden
Sclaven Muth gemacht hätte, sich von ihren Ban-
den loszureissen; an statt daß ich ihres Aberglau-
bens spottete. Sie dauern mich, so oft ich an sie
denke. Alles Vergnügen der Welt ist ihnen ein Ab-
scheu. Der Frühling ist ihnen schrecklich, weil
im Frühlinge die erwachende Natur lächelt, und
den Menschen von neuem belebt: Nur der Win-
ter ist ihnen noch erträglich, und dieses bloß wegen
seiner langen und traurigen Nächte. Sie stehen
seufzend von ihrem Bette auf, wachen den Tag
über mit Angst, mit Thränen legen sie sich nieder,
und ihr schwarzes Geblüte macht ihnen auch die
Träume schrecklich. Das einzige wahre, und be-

ruhi-

und Ehrenerklaͤrung.
tuͤrlich auf ihre Antipoden, die aberglaͤubiſchen
Seelen.
Auch an dieſen habe ich mich verſuͤn-
digt: Denn Aberglaͤubiſche zu verſpotten, iſt eben
ſo ungerecht, als einen Wahnwitzigen zu verſpot-
ten, der immer Geſpenſter ſieht. Dieſe Ungluͤck-
liche werden ohnedem ſchon unbarmherzig genug
von gewiſſen Tyrannen gepeinigt, deren Eigen-
nutz, unter dem frommen Vorwande, die heiligen
Pflichten ihres Amtes zu erfuͤllen, ſie immer mit
neuen Larven ſchreckt, und ihnen immer den Ver-
ſtand verdaͤchtig macht, damit ſie ihr Joch nicht
fuͤhlen; welche ſich und der Religion zu Ehren,
dieſe Milzſuͤchtigen in einer andaͤchtigen Dumm-
heit erhalten; mit einem Worte, welche eher nicht
ruhen, als bis ſie aus einem vernuͤnftigen Weſen
ein betendes Vieh gemacht haben. Es waͤre bil-
liger von mir geweſen, wenn ich dieſen elenden
Sclaven Muth gemacht haͤtte, ſich von ihren Ban-
den loszureiſſen; an ſtatt daß ich ihres Aberglau-
bens ſpottete. Sie dauern mich, ſo oft ich an ſie
denke. Alles Vergnuͤgen der Welt iſt ihnen ein Ab-
ſcheu. Der Fruͤhling iſt ihnen ſchrecklich, weil
im Fruͤhlinge die erwachende Natur laͤchelt, und
den Menſchen von neuem belebt: Nur der Win-
ter iſt ihnen noch ertraͤglich, und dieſes bloß wegen
ſeiner langen und traurigen Naͤchte. Sie ſtehen
ſeufzend von ihrem Bette auf, wachen den Tag
uͤber mit Angſt, mit Thraͤnen legen ſie ſich nieder,
und ihr ſchwarzes Gebluͤte macht ihnen auch die
Traͤume ſchrecklich. Das einzige wahre, und be-

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[607[605]/0629] und Ehrenerklaͤrung. tuͤrlich auf ihre Antipoden, die aberglaͤubiſchen Seelen. Auch an dieſen habe ich mich verſuͤn- digt: Denn Aberglaͤubiſche zu verſpotten, iſt eben ſo ungerecht, als einen Wahnwitzigen zu verſpot- ten, der immer Geſpenſter ſieht. Dieſe Ungluͤck- liche werden ohnedem ſchon unbarmherzig genug von gewiſſen Tyrannen gepeinigt, deren Eigen- nutz, unter dem frommen Vorwande, die heiligen Pflichten ihres Amtes zu erfuͤllen, ſie immer mit neuen Larven ſchreckt, und ihnen immer den Ver- ſtand verdaͤchtig macht, damit ſie ihr Joch nicht fuͤhlen; welche ſich und der Religion zu Ehren, dieſe Milzſuͤchtigen in einer andaͤchtigen Dumm- heit erhalten; mit einem Worte, welche eher nicht ruhen, als bis ſie aus einem vernuͤnftigen Weſen ein betendes Vieh gemacht haben. Es waͤre bil- liger von mir geweſen, wenn ich dieſen elenden Sclaven Muth gemacht haͤtte, ſich von ihren Ban- den loszureiſſen; an ſtatt daß ich ihres Aberglau- bens ſpottete. Sie dauern mich, ſo oft ich an ſie denke. Alles Vergnuͤgen der Welt iſt ihnen ein Ab- ſcheu. Der Fruͤhling iſt ihnen ſchrecklich, weil im Fruͤhlinge die erwachende Natur laͤchelt, und den Menſchen von neuem belebt: Nur der Win- ter iſt ihnen noch ertraͤglich, und dieſes bloß wegen ſeiner langen und traurigen Naͤchte. Sie ſtehen ſeufzend von ihrem Bette auf, wachen den Tag uͤber mit Angſt, mit Thraͤnen legen ſie ſich nieder, und ihr ſchwarzes Gebluͤte macht ihnen auch die Traͤume ſchrecklich. Das einzige wahre, und be- ruhi-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 607[605]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/629>, abgerufen am 24.11.2024.