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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
Tische war. Jch schlich mich fort, weil ich merkte,
daß er einen Religionsstreit mit mir anfangen
wollte. Am folgenden Morgen fragte mich der
Gerichtsherr, was ich nun eigentlich von seinem
Pfarrer hielte? Jch halte ihn, sagte ich, für einen
Mann ohne Verstand, ohne - - - Ach, sagte er,
was Verstand! Wem Gott ein Amt giebt, dem
giebt er auch Verstand! Er ist mein Jnformator
gewesen, ich habe ihm die Pfarre schon lange ver-
sprochen, und um deßwillen hat er meine Kinder
für ein Spottgeld unterrichtet. Was ich ver-
spreche, das halte ich als ein Cavalier. Der
Kerl wird schon werden. Saufen kann er, wie
ein Teufel! Hier verstummte ich auf einmal. Jch
sahe, daß der Herr das Wohl und die Unterwei-
sung seiner Kinder nicht für so wichtig gehalten;
als die Ersparung einiger Thaler Geld; ich schloß,
daß er es mit seinen Bauern nicht so boshaft, als
ich anfangs geglaubt, meynen müßte, weil er ih-
nen einen Mann zum Lehrer gab, dem er seine
eigenen Kinder anvertraut hatte; daß er noch im-
mer glaubte, Gott habe dieses Amt seinem Pfar-
rer gegeben; und daß er gewiß hoffte, er werde
den Verstand, der ihm fehlte, schon zu rechter Zeit
aus der Hand des Herrn empfangen.

Jch habe mich bey der Erzählung dieses Aben-
theuers länger aufgehalten, als ich Willens ge-
wesen, und als es vielleicht einigen meiner Leser
lieb seyn wird, welche von der Ehrwürdigkeit des
geistlichen Standes eben so orthodoxe Begriffe
haben, als der neue Pfarrer. Aber es schien mir

um

Antons Panßa von Mancha
Tiſche war. Jch ſchlich mich fort, weil ich merkte,
daß er einen Religionsſtreit mit mir anfangen
wollte. Am folgenden Morgen fragte mich der
Gerichtsherr, was ich nun eigentlich von ſeinem
Pfarrer hielte? Jch halte ihn, ſagte ich, fuͤr einen
Mann ohne Verſtand, ohne ‒ ‒ ‒ Ach, ſagte er,
was Verſtand! Wem Gott ein Amt giebt, dem
giebt er auch Verſtand! Er iſt mein Jnformator
geweſen, ich habe ihm die Pfarre ſchon lange ver-
ſprochen, und um deßwillen hat er meine Kinder
fuͤr ein Spottgeld unterrichtet. Was ich ver-
ſpreche, das halte ich als ein Cavalier. Der
Kerl wird ſchon werden. Saufen kann er, wie
ein Teufel! Hier verſtummte ich auf einmal. Jch
ſahe, daß der Herr das Wohl und die Unterwei-
ſung ſeiner Kinder nicht fuͤr ſo wichtig gehalten;
als die Erſparung einiger Thaler Geld; ich ſchloß,
daß er es mit ſeinen Bauern nicht ſo boshaft, als
ich anfangs geglaubt, meynen muͤßte, weil er ih-
nen einen Mann zum Lehrer gab, dem er ſeine
eigenen Kinder anvertraut hatte; daß er noch im-
mer glaubte, Gott habe dieſes Amt ſeinem Pfar-
rer gegeben; und daß er gewiß hoffte, er werde
den Verſtand, der ihm fehlte, ſchon zu rechter Zeit
aus der Hand des Herrn empfangen.

Jch habe mich bey der Erzaͤhlung dieſes Aben-
theuers laͤnger aufgehalten, als ich Willens ge-
weſen, und als es vielleicht einigen meiner Leſer
lieb ſeyn wird, welche von der Ehrwuͤrdigkeit des
geiſtlichen Standes eben ſo orthodoxe Begriffe
haben, als der neue Pfarrer. Aber es ſchien mir

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[38/0060] Antons Panßa von Mancha Tiſche war. Jch ſchlich mich fort, weil ich merkte, daß er einen Religionsſtreit mit mir anfangen wollte. Am folgenden Morgen fragte mich der Gerichtsherr, was ich nun eigentlich von ſeinem Pfarrer hielte? Jch halte ihn, ſagte ich, fuͤr einen Mann ohne Verſtand, ohne ‒ ‒ ‒ Ach, ſagte er, was Verſtand! Wem Gott ein Amt giebt, dem giebt er auch Verſtand! Er iſt mein Jnformator geweſen, ich habe ihm die Pfarre ſchon lange ver- ſprochen, und um deßwillen hat er meine Kinder fuͤr ein Spottgeld unterrichtet. Was ich ver- ſpreche, das halte ich als ein Cavalier. Der Kerl wird ſchon werden. Saufen kann er, wie ein Teufel! Hier verſtummte ich auf einmal. Jch ſahe, daß der Herr das Wohl und die Unterwei- ſung ſeiner Kinder nicht fuͤr ſo wichtig gehalten; als die Erſparung einiger Thaler Geld; ich ſchloß, daß er es mit ſeinen Bauern nicht ſo boshaft, als ich anfangs geglaubt, meynen muͤßte, weil er ih- nen einen Mann zum Lehrer gab, dem er ſeine eigenen Kinder anvertraut hatte; daß er noch im- mer glaubte, Gott habe dieſes Amt ſeinem Pfar- rer gegeben; und daß er gewiß hoffte, er werde den Verſtand, der ihm fehlte, ſchon zu rechter Zeit aus der Hand des Herrn empfangen. Jch habe mich bey der Erzaͤhlung dieſes Aben- theuers laͤnger aufgehalten, als ich Willens ge- weſen, und als es vielleicht einigen meiner Leſer lieb ſeyn wird, welche von der Ehrwuͤrdigkeit des geiſtlichen Standes eben ſo orthodoxe Begriffe haben, als der neue Pfarrer. Aber es ſchien mir um

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/60>, abgerufen am 02.05.2024.