Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
ich mein Seele nicht; und wenn er einmal auf
mich schmält: so soll mich der Donner erschlagen,
wenn ich ihn nicht über die Kanzel herunter wer-
fen lasse, daß er die Beine in die Höhe kehrt.
Da! trink er! Und darauf trank der theure Kir-
chenvater lächelnd auf einen Zug ein großes Glas
aus. Wir setzten uns zu Tische; ich war dem
ungeachtet ganz kleinmüthig, und sahe die armen
Bauern als eine verrathene Heerde an. Jch aß
wenig. Weis er denn, Herr Magister, sagte der
Edelmann, wofür ihn Herr Panßa angesehen hat?
Für meinen Reitknecht! Das wundert mich nicht,
rief der schon halb trunkne Pfarrer aus. Die
Diener des Herrn sind den rohen Weltkindern im-
mer ein Anstoß, und Herr Panßa hat noch ketze-
risch Blut in seinen Adern. Wäre er, wie seine
Aeltern, verbrannt worden: so hätte unsere Reli-
gion auch einen Verächter weniger. Jch ent-
färbte mich über diesen Unsinn, und war eben
im Begriffe, ihm nach seiner Narrheit zu ant-
worten, als unser Wirth merkte, daß sich dieser
Auftritt mit Verdruß endigen würde. Er unter-
brach mich mit einem Deckelglase, und brachte es
seinem Pfarrer auf die Gesundheit aller hübschen
Mädchen zu, welcher redlich Bescheid that; und
auf diese Weise ward bis gegen den Abend fortge-
fahren. Jhro Wohlehrwürden hatten das Ver-
gnügen, zu sehen, daß Jhro Gnaden nebst dem
Gerichtsverwalter trunken unter den Tisch san-
ken, ohne daß er selbst auf eine merkliche Art un-
vernünftiger geworden wäre, als er schon vor

Tische
C 3

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ich mein Seele nicht; und wenn er einmal auf
mich ſchmaͤlt: ſo ſoll mich der Donner erſchlagen,
wenn ich ihn nicht uͤber die Kanzel herunter wer-
fen laſſe, daß er die Beine in die Hoͤhe kehrt.
Da! trink er! Und darauf trank der theure Kir-
chenvater laͤchelnd auf einen Zug ein großes Glas
aus. Wir ſetzten uns zu Tiſche; ich war dem
ungeachtet ganz kleinmuͤthig, und ſahe die armen
Bauern als eine verrathene Heerde an. Jch aß
wenig. Weis er denn, Herr Magiſter, ſagte der
Edelmann, wofuͤr ihn Herr Panßa angeſehen hat?
Fuͤr meinen Reitknecht! Das wundert mich nicht,
rief der ſchon halb trunkne Pfarrer aus. Die
Diener des Herrn ſind den rohen Weltkindern im-
mer ein Anſtoß, und Herr Panßa hat noch ketze-
riſch Blut in ſeinen Adern. Waͤre er, wie ſeine
Aeltern, verbrannt worden: ſo haͤtte unſere Reli-
gion auch einen Veraͤchter weniger. Jch ent-
faͤrbte mich uͤber dieſen Unſinn, und war eben
im Begriffe, ihm nach ſeiner Narrheit zu ant-
worten, als unſer Wirth merkte, daß ſich dieſer
Auftritt mit Verdruß endigen wuͤrde. Er unter-
brach mich mit einem Deckelglaſe, und brachte es
ſeinem Pfarrer auf die Geſundheit aller huͤbſchen
Maͤdchen zu, welcher redlich Beſcheid that; und
auf dieſe Weiſe ward bis gegen den Abend fortge-
fahren. Jhro Wohlehrwuͤrden hatten das Ver-
gnuͤgen, zu ſehen, daß Jhro Gnaden nebſt dem
Gerichtsverwalter trunken unter den Tiſch ſan-
ken, ohne daß er ſelbſt auf eine merkliche Art un-
vernuͤnftiger geworden waͤre, als er ſchon vor

Tiſche
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
ich mein Seele nicht; und wenn er einmal auf<lb/>
mich &#x017F;chma&#x0364;lt: &#x017F;o &#x017F;oll mich der Donner er&#x017F;chlagen,<lb/>
wenn ich ihn nicht u&#x0364;ber die Kanzel herunter wer-<lb/>
fen la&#x017F;&#x017F;e, daß er die Beine in die Ho&#x0364;he kehrt.<lb/>
Da! trink er! Und darauf trank der theure Kir-<lb/>
chenvater la&#x0364;chelnd auf einen Zug ein großes Glas<lb/>
aus. Wir &#x017F;etzten uns zu Ti&#x017F;che; ich war dem<lb/>
ungeachtet ganz kleinmu&#x0364;thig, und &#x017F;ahe die armen<lb/>
Bauern als eine verrathene Heerde an. Jch aß<lb/>
wenig. Weis er denn, Herr Magi&#x017F;ter, &#x017F;agte der<lb/>
Edelmann, wofu&#x0364;r ihn Herr Panßa ange&#x017F;ehen hat?<lb/>
Fu&#x0364;r meinen Reitknecht! Das wundert mich nicht,<lb/>
rief der &#x017F;chon halb trunkne Pfarrer aus. Die<lb/>
Diener des Herrn &#x017F;ind den rohen Weltkindern im-<lb/>
mer ein An&#x017F;toß, und Herr Panßa hat noch ketze-<lb/>
ri&#x017F;ch Blut in &#x017F;einen Adern. Wa&#x0364;re er, wie &#x017F;eine<lb/>
Aeltern, verbrannt worden: &#x017F;o ha&#x0364;tte un&#x017F;ere Reli-<lb/>
gion auch einen Vera&#x0364;chter weniger. Jch ent-<lb/>
fa&#x0364;rbte mich u&#x0364;ber die&#x017F;en Un&#x017F;inn, und war eben<lb/>
im Begriffe, ihm nach &#x017F;einer Narrheit zu ant-<lb/>
worten, als un&#x017F;er Wirth merkte, daß &#x017F;ich die&#x017F;er<lb/>
Auftritt mit Verdruß endigen wu&#x0364;rde. Er unter-<lb/>
brach mich mit einem Deckelgla&#x017F;e, und brachte es<lb/>
&#x017F;einem Pfarrer auf die Ge&#x017F;undheit aller hu&#x0364;b&#x017F;chen<lb/>
Ma&#x0364;dchen zu, welcher redlich Be&#x017F;cheid that; und<lb/>
auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e ward bis gegen den Abend fortge-<lb/>
fahren. Jhro Wohlehrwu&#x0364;rden hatten das Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen, zu &#x017F;ehen, daß Jhro Gnaden neb&#x017F;t dem<lb/>
Gerichtsverwalter trunken unter den Ti&#x017F;ch &#x017F;an-<lb/>
ken, ohne daß er &#x017F;elb&#x017F;t auf eine merkliche Art un-<lb/>
vernu&#x0364;nftiger geworden wa&#x0364;re, als er &#x017F;chon vor<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ti&#x017F;che</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0059] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ich mein Seele nicht; und wenn er einmal auf mich ſchmaͤlt: ſo ſoll mich der Donner erſchlagen, wenn ich ihn nicht uͤber die Kanzel herunter wer- fen laſſe, daß er die Beine in die Hoͤhe kehrt. Da! trink er! Und darauf trank der theure Kir- chenvater laͤchelnd auf einen Zug ein großes Glas aus. Wir ſetzten uns zu Tiſche; ich war dem ungeachtet ganz kleinmuͤthig, und ſahe die armen Bauern als eine verrathene Heerde an. Jch aß wenig. Weis er denn, Herr Magiſter, ſagte der Edelmann, wofuͤr ihn Herr Panßa angeſehen hat? Fuͤr meinen Reitknecht! Das wundert mich nicht, rief der ſchon halb trunkne Pfarrer aus. Die Diener des Herrn ſind den rohen Weltkindern im- mer ein Anſtoß, und Herr Panßa hat noch ketze- riſch Blut in ſeinen Adern. Waͤre er, wie ſeine Aeltern, verbrannt worden: ſo haͤtte unſere Reli- gion auch einen Veraͤchter weniger. Jch ent- faͤrbte mich uͤber dieſen Unſinn, und war eben im Begriffe, ihm nach ſeiner Narrheit zu ant- worten, als unſer Wirth merkte, daß ſich dieſer Auftritt mit Verdruß endigen wuͤrde. Er unter- brach mich mit einem Deckelglaſe, und brachte es ſeinem Pfarrer auf die Geſundheit aller huͤbſchen Maͤdchen zu, welcher redlich Beſcheid that; und auf dieſe Weiſe ward bis gegen den Abend fortge- fahren. Jhro Wohlehrwuͤrden hatten das Ver- gnuͤgen, zu ſehen, daß Jhro Gnaden nebſt dem Gerichtsverwalter trunken unter den Tiſch ſan- ken, ohne daß er ſelbſt auf eine merkliche Art un- vernuͤnftiger geworden waͤre, als er ſchon vor Tiſche C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/59
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/59>, abgerufen am 28.11.2024.