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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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und Ehrenerklärung.
hoffen. Jch habe die Sache besser überlegt, und
nun glaube ich, daß sie zu entschuldigen sind. Jhr
ganzer Fehler besteht darinnen, daß sie hoffen: Ein
Fehler, der uns Menschen so natürlich, und so
schmeichelhaft ist! Kleant hofft Schätze von sei-
nem Goldmacher zu erlangen; und Arist hofft
nunmehr zwanzig Jahre auf sein Glück bey Hofe.
Patin, ein künstlicher Erbschleicher, überhäuft sei-
nen alten Nachbar nun schon in das zehnte Jahr
mit Geschenken, und weis nicht, daß sein alter
Nachbar ohne Testament sterben wird. Wie vie-
le Schriftsteller durchwachen ihr ganzes Leben,
schreiben sich hypochondrisch, schimpfen, und ma-
chen sich lächerlich, und erwarten die Belohnung
von dem Beyfalle der Nachwelt; aber schon ze-
hen Jahre vor ihrem Tode sind sie vergessen! Ent-
schuldigt man die Hoffnung des Arists, des Pa-
tins, und unsrer großen Gelehrten, und will doch
die Hoffnung des ehrlichen Kleants nicht ent-
schuldigen?



Kein Mäkler, der von einem unmündigen Ver-
schwender fünf und zwanzig pro Cent genommen
hat, kann so ängstliche Gewissensbisse empfinden,
als ich itzt empfinde, da ich diejenigen Stellen über-
sehe, wo ich von dem Frauenzimmer mit einer
Art geredet habe, die freylich einer Schmeicheley
nicht gar zu ähnlich sieht. Jtzo fühle ich erst,
Madame, wie gerecht die Vorwürfe gewesen sind,
welche sie mir oft darüber gemacht haben. Jch
sehe sie, als eine Bevollmächtigte ihres ganzen Ge-

schlechts
O o

und Ehrenerklaͤrung.
hoffen. Jch habe die Sache beſſer uͤberlegt, und
nun glaube ich, daß ſie zu entſchuldigen ſind. Jhr
ganzer Fehler beſteht darinnen, daß ſie hoffen: Ein
Fehler, der uns Menſchen ſo natuͤrlich, und ſo
ſchmeichelhaft iſt! Kleant hofft Schaͤtze von ſei-
nem Goldmacher zu erlangen; und Ariſt hofft
nunmehr zwanzig Jahre auf ſein Gluͤck bey Hofe.
Patin, ein kuͤnſtlicher Erbſchleicher, uͤberhaͤuft ſei-
nen alten Nachbar nun ſchon in das zehnte Jahr
mit Geſchenken, und weis nicht, daß ſein alter
Nachbar ohne Teſtament ſterben wird. Wie vie-
le Schriftſteller durchwachen ihr ganzes Leben,
ſchreiben ſich hypochondriſch, ſchimpfen, und ma-
chen ſich laͤcherlich, und erwarten die Belohnung
von dem Beyfalle der Nachwelt; aber ſchon ze-
hen Jahre vor ihrem Tode ſind ſie vergeſſen! Ent-
ſchuldigt man die Hoffnung des Ariſts, des Pa-
tins, und unſrer großen Gelehrten, und will doch
die Hoffnung des ehrlichen Kleants nicht ent-
ſchuldigen?



Kein Maͤkler, der von einem unmuͤndigen Ver-
ſchwender fuͤnf und zwanzig pro Cent genommen
hat, kann ſo aͤngſtliche Gewiſſensbiſſe empfinden,
als ich itzt empfinde, da ich diejenigen Stellen uͤber-
ſehe, wo ich von dem Frauenzimmer mit einer
Art geredet habe, die freylich einer Schmeicheley
nicht gar zu aͤhnlich ſieht. Jtzo fuͤhle ich erſt,
Madame, wie gerecht die Vorwuͤrfe geweſen ſind,
welche ſie mir oft daruͤber gemacht haben. Jch
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ſchlechts
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[577[575]/0599] und Ehrenerklaͤrung. hoffen. Jch habe die Sache beſſer uͤberlegt, und nun glaube ich, daß ſie zu entſchuldigen ſind. Jhr ganzer Fehler beſteht darinnen, daß ſie hoffen: Ein Fehler, der uns Menſchen ſo natuͤrlich, und ſo ſchmeichelhaft iſt! Kleant hofft Schaͤtze von ſei- nem Goldmacher zu erlangen; und Ariſt hofft nunmehr zwanzig Jahre auf ſein Gluͤck bey Hofe. Patin, ein kuͤnſtlicher Erbſchleicher, uͤberhaͤuft ſei- nen alten Nachbar nun ſchon in das zehnte Jahr mit Geſchenken, und weis nicht, daß ſein alter Nachbar ohne Teſtament ſterben wird. Wie vie- le Schriftſteller durchwachen ihr ganzes Leben, ſchreiben ſich hypochondriſch, ſchimpfen, und ma- chen ſich laͤcherlich, und erwarten die Belohnung von dem Beyfalle der Nachwelt; aber ſchon ze- hen Jahre vor ihrem Tode ſind ſie vergeſſen! Ent- ſchuldigt man die Hoffnung des Ariſts, des Pa- tins, und unſrer großen Gelehrten, und will doch die Hoffnung des ehrlichen Kleants nicht ent- ſchuldigen? Kein Maͤkler, der von einem unmuͤndigen Ver- ſchwender fuͤnf und zwanzig pro Cent genommen hat, kann ſo aͤngſtliche Gewiſſensbiſſe empfinden, als ich itzt empfinde, da ich diejenigen Stellen uͤber- ſehe, wo ich von dem Frauenzimmer mit einer Art geredet habe, die freylich einer Schmeicheley nicht gar zu aͤhnlich ſieht. Jtzo fuͤhle ich erſt, Madame, wie gerecht die Vorwuͤrfe geweſen ſind, welche ſie mir oft daruͤber gemacht haben. Jch ſehe ſie, als eine Bevollmaͤchtigte ihres ganzen Ge- ſchlechts O o

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 577[575]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/599>, abgerufen am 23.11.2024.