Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

und Ehrenerklärung.
nem Lotterieplane; ihr werdet über seinen Ge-
schmack erstaunen! Gegen die Musen ist er hart;
aber warum können die Musen nicht bellen und
wiehern? Denn gegen seine Hunde und Pferde
ist er sehr großmüthig. Mit einem Worte: Die
Schuld liegt nur an unsern Scribenten, welche
bey der Wahl ihrer Gönner so unvorsichtig, und
eigennützig sind. Wenn sie einen reichen Mann
finden, den macht ihr Hunger gleich zum Mäce-
naten. Dieser erschrickt, er widersetzt sich, er
schämt sich, er will es nicht seyn: Aber er muß
es schlechterdings werden, denn er kann es bezah-
len. Das heißt Mäcenaten pressen, wie man
Matrosen preßt. Jst es ihre Schuld, wenn sie
ungeschickte und unwissende Mäcenaten sind?



Jch gestehe es, an unsern Dichtern habe ich
mich oft versündigt: Jch würde untröstbar seyn,
wenn ich es an guten Dichtern gethan hätte; aber
ich habe mich nur an unsern Reimern versündigt.
Jch habe sie für niederträchtige Schmeichler ge-
halten, für Leute, welche die göttlichste der schö-
nen Wissenschaften, den Vornehmen und dem
Pöbel verächtlich machen; ich hielt sie für über-
müthig, und diesen Uebermuth für desto lächer-
licher, da es gemeiniglich nur der Stolz eines
schmuzigen Bettlers war; mit einem Worte, ich
lachte über sie; und eben das geht mir nahe: Jch
hätte über sie weinen sollen. Kann wohl irgend
ein Mensch eine traurigere Rolle zu spielen haben,

als
N n 5

und Ehrenerklaͤrung.
nem Lotterieplane; ihr werdet uͤber ſeinen Ge-
ſchmack erſtaunen! Gegen die Muſen iſt er hart;
aber warum koͤnnen die Muſen nicht bellen und
wiehern? Denn gegen ſeine Hunde und Pferde
iſt er ſehr großmuͤthig. Mit einem Worte: Die
Schuld liegt nur an unſern Scribenten, welche
bey der Wahl ihrer Goͤnner ſo unvorſichtig, und
eigennuͤtzig ſind. Wenn ſie einen reichen Mann
finden, den macht ihr Hunger gleich zum Maͤce-
naten. Dieſer erſchrickt, er widerſetzt ſich, er
ſchaͤmt ſich, er will es nicht ſeyn: Aber er muß
es ſchlechterdings werden, denn er kann es bezah-
len. Das heißt Maͤcenaten preſſen, wie man
Matroſen preßt. Jſt es ihre Schuld, wenn ſie
ungeſchickte und unwiſſende Maͤcenaten ſind?



Jch geſtehe es, an unſern Dichtern habe ich
mich oft verſuͤndigt: Jch wuͤrde untroͤſtbar ſeyn,
wenn ich es an guten Dichtern gethan haͤtte; aber
ich habe mich nur an unſern Reimern verſuͤndigt.
Jch habe ſie fuͤr niedertraͤchtige Schmeichler ge-
halten, fuͤr Leute, welche die goͤttlichſte der ſchoͤ-
nen Wiſſenſchaften, den Vornehmen und dem
Poͤbel veraͤchtlich machen; ich hielt ſie fuͤr uͤber-
muͤthig, und dieſen Uebermuth fuͤr deſto laͤcher-
licher, da es gemeiniglich nur der Stolz eines
ſchmuzigen Bettlers war; mit einem Worte, ich
lachte uͤber ſie; und eben das geht mir nahe: Jch
haͤtte uͤber ſie weinen ſollen. Kann wohl irgend
ein Menſch eine traurigere Rolle zu ſpielen haben,

als
N n 5
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0591" n="569[567]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Ehrenerkla&#x0364;rung.</hi></fw><lb/>
nem Lotterieplane; ihr werdet u&#x0364;ber &#x017F;einen Ge-<lb/>
&#x017F;chmack er&#x017F;taunen! Gegen die Mu&#x017F;en i&#x017F;t er hart;<lb/>
aber warum ko&#x0364;nnen die Mu&#x017F;en nicht bellen und<lb/>
wiehern? Denn gegen &#x017F;eine Hunde und Pferde<lb/>
i&#x017F;t er &#x017F;ehr großmu&#x0364;thig. Mit einem Worte: Die<lb/>
Schuld liegt nur an un&#x017F;ern Scribenten, welche<lb/>
bey der Wahl ihrer Go&#x0364;nner &#x017F;o unvor&#x017F;ichtig, und<lb/>
eigennu&#x0364;tzig &#x017F;ind. Wenn &#x017F;ie einen reichen Mann<lb/>
finden, den macht ihr Hunger gleich zum Ma&#x0364;ce-<lb/>
naten. Die&#x017F;er er&#x017F;chrickt, er wider&#x017F;etzt &#x017F;ich, er<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;ich, er will es nicht &#x017F;eyn: Aber er muß<lb/>
es &#x017F;chlechterdings werden, denn er kann es bezah-<lb/>
len. Das heißt Ma&#x0364;cenaten pre&#x017F;&#x017F;en, wie man<lb/>
Matro&#x017F;en preßt. J&#x017F;t es ihre Schuld, wenn &#x017F;ie<lb/>
unge&#x017F;chickte und unwi&#x017F;&#x017F;ende Ma&#x0364;cenaten &#x017F;ind?</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Jch ge&#x017F;tehe es, an un&#x017F;ern Dichtern habe ich<lb/>
mich oft ver&#x017F;u&#x0364;ndigt: Jch wu&#x0364;rde untro&#x0364;&#x017F;tbar &#x017F;eyn,<lb/>
wenn ich es an guten Dichtern gethan ha&#x0364;tte; aber<lb/>
ich habe mich nur an un&#x017F;ern <hi rendition="#fr">Reimern</hi> ver&#x017F;u&#x0364;ndigt.<lb/>
Jch habe &#x017F;ie fu&#x0364;r niedertra&#x0364;chtige Schmeichler ge-<lb/>
halten, fu&#x0364;r Leute, welche die go&#x0364;ttlich&#x017F;te der &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, den Vornehmen und dem<lb/>
Po&#x0364;bel vera&#x0364;chtlich machen; ich hielt &#x017F;ie fu&#x0364;r u&#x0364;ber-<lb/>
mu&#x0364;thig, und die&#x017F;en Uebermuth fu&#x0364;r de&#x017F;to la&#x0364;cher-<lb/>
licher, da es gemeiniglich nur der Stolz eines<lb/>
&#x017F;chmuzigen Bettlers war; mit einem Worte, ich<lb/>
lachte u&#x0364;ber &#x017F;ie; und eben das geht mir nahe: Jch<lb/>
ha&#x0364;tte u&#x0364;ber &#x017F;ie weinen &#x017F;ollen. Kann wohl irgend<lb/>
ein Men&#x017F;ch eine traurigere Rolle zu &#x017F;pielen haben,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n 5</fw><fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[569[567]/0591] und Ehrenerklaͤrung. nem Lotterieplane; ihr werdet uͤber ſeinen Ge- ſchmack erſtaunen! Gegen die Muſen iſt er hart; aber warum koͤnnen die Muſen nicht bellen und wiehern? Denn gegen ſeine Hunde und Pferde iſt er ſehr großmuͤthig. Mit einem Worte: Die Schuld liegt nur an unſern Scribenten, welche bey der Wahl ihrer Goͤnner ſo unvorſichtig, und eigennuͤtzig ſind. Wenn ſie einen reichen Mann finden, den macht ihr Hunger gleich zum Maͤce- naten. Dieſer erſchrickt, er widerſetzt ſich, er ſchaͤmt ſich, er will es nicht ſeyn: Aber er muß es ſchlechterdings werden, denn er kann es bezah- len. Das heißt Maͤcenaten preſſen, wie man Matroſen preßt. Jſt es ihre Schuld, wenn ſie ungeſchickte und unwiſſende Maͤcenaten ſind? Jch geſtehe es, an unſern Dichtern habe ich mich oft verſuͤndigt: Jch wuͤrde untroͤſtbar ſeyn, wenn ich es an guten Dichtern gethan haͤtte; aber ich habe mich nur an unſern Reimern verſuͤndigt. Jch habe ſie fuͤr niedertraͤchtige Schmeichler ge- halten, fuͤr Leute, welche die goͤttlichſte der ſchoͤ- nen Wiſſenſchaften, den Vornehmen und dem Poͤbel veraͤchtlich machen; ich hielt ſie fuͤr uͤber- muͤthig, und dieſen Uebermuth fuͤr deſto laͤcher- licher, da es gemeiniglich nur der Stolz eines ſchmuzigen Bettlers war; mit einem Worte, ich lachte uͤber ſie; und eben das geht mir nahe: Jch haͤtte uͤber ſie weinen ſollen. Kann wohl irgend ein Menſch eine traurigere Rolle zu ſpielen haben, als N n 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/591
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 569[567]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/591>, abgerufen am 20.05.2024.