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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Zueignungsschrift.
Freunde nicht zu misbrauchen; an seinen Fein-
den sich nicht zu rächen, wenn man Gelegenheit
hat, es zu thun; für seine Vortheile am wenig-
sten zu sorgen; eine so schnelle Veränderung des
Glücks gelassen zu ertragen, ja so gar von dem
wollüstigen Ueberflusse des Hofs mit geschwindern
Schritten sich zu entfernen, als man sich demsel-
ben genaht; das sind Tugenden, welche Dioge-
nes unter den Menschen seiner Zeit vergebens
suchte, und welche Cid Hamet bey dem Esel des
erleuchteten Panßa gefunden hat.

Vielleicht hattest Du diesen jählingen Umsturz
der Hoheit Deines Sancho voraus gesehen? Be-
nengely
gesteht Dir die Gabe, künftige Dinge
vorher zu wissen, ausdrücklich zu*. Jch glaube,
er hatte nicht nöthig, Dir Wunder anzudichten.
Deine Erfahrung, Deine Einsicht, und der täg-
liche Umgang mit dem Sancho machten Dich vor-
sichtig, ohne Wahrsagerkunst, und tugendhaft,
ohne außerordentliche Wunder. Wie viele glei-
ten bey diesem wichtigen Schritte, welche vorsich-
tig und erfahren genug zu seyn glauben! Aber
ihr Herz ist so tugendhaft nicht, als das Deine
war: Und eben darum kann sie weder Vorsicht
noch Erfahrung schützen. Ohne dieses tugend-
hafte Herz müssen sie bey ihrem hohen Glücke
schwindlicht werden und niederstürzen, wenn sie
gleich, wie Du, die Gabe gehabt hätten, zukünf-
tige Dinge vorher zu sehen.

Da
* B. 5. C. 8.
B

Zueignungsſchrift.
Freunde nicht zu misbrauchen; an ſeinen Fein-
den ſich nicht zu raͤchen, wenn man Gelegenheit
hat, es zu thun; fuͤr ſeine Vortheile am wenig-
ſten zu ſorgen; eine ſo ſchnelle Veraͤnderung des
Gluͤcks gelaſſen zu ertragen, ja ſo gar von dem
wolluͤſtigen Ueberfluſſe des Hofs mit geſchwindern
Schritten ſich zu entfernen, als man ſich demſel-
ben genaht; das ſind Tugenden, welche Dioge-
nes unter den Menſchen ſeiner Zeit vergebens
ſuchte, und welche Cid Hamet bey dem Eſel des
erleuchteten Panßa gefunden hat.

Vielleicht hatteſt Du dieſen jaͤhlingen Umſturz
der Hoheit Deines Sancho voraus geſehen? Be-
nengely
geſteht Dir die Gabe, kuͤnftige Dinge
vorher zu wiſſen, ausdruͤcklich zu*. Jch glaube,
er hatte nicht noͤthig, Dir Wunder anzudichten.
Deine Erfahrung, Deine Einſicht, und der taͤg-
liche Umgang mit dem Sancho machten Dich vor-
ſichtig, ohne Wahrſagerkunſt, und tugendhaft,
ohne außerordentliche Wunder. Wie viele glei-
ten bey dieſem wichtigen Schritte, welche vorſich-
tig und erfahren genug zu ſeyn glauben! Aber
ihr Herz iſt ſo tugendhaft nicht, als das Deine
war: Und eben darum kann ſie weder Vorſicht
noch Erfahrung ſchuͤtzen. Ohne dieſes tugend-
hafte Herz muͤſſen ſie bey ihrem hohen Gluͤcke
ſchwindlicht werden und niederſtuͤrzen, wenn ſie
gleich, wie Du, die Gabe gehabt haͤtten, zukuͤnf-
tige Dinge vorher zu ſehen.

Da
* B. 5. C. 8.
B
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[17/0039] Zueignungsſchrift. Freunde nicht zu misbrauchen; an ſeinen Fein- den ſich nicht zu raͤchen, wenn man Gelegenheit hat, es zu thun; fuͤr ſeine Vortheile am wenig- ſten zu ſorgen; eine ſo ſchnelle Veraͤnderung des Gluͤcks gelaſſen zu ertragen, ja ſo gar von dem wolluͤſtigen Ueberfluſſe des Hofs mit geſchwindern Schritten ſich zu entfernen, als man ſich demſel- ben genaht; das ſind Tugenden, welche Dioge- nes unter den Menſchen ſeiner Zeit vergebens ſuchte, und welche Cid Hamet bey dem Eſel des erleuchteten Panßa gefunden hat. Vielleicht hatteſt Du dieſen jaͤhlingen Umſturz der Hoheit Deines Sancho voraus geſehen? Be- nengely geſteht Dir die Gabe, kuͤnftige Dinge vorher zu wiſſen, ausdruͤcklich zu *. Jch glaube, er hatte nicht noͤthig, Dir Wunder anzudichten. Deine Erfahrung, Deine Einſicht, und der taͤg- liche Umgang mit dem Sancho machten Dich vor- ſichtig, ohne Wahrſagerkunſt, und tugendhaft, ohne außerordentliche Wunder. Wie viele glei- ten bey dieſem wichtigen Schritte, welche vorſich- tig und erfahren genug zu ſeyn glauben! Aber ihr Herz iſt ſo tugendhaft nicht, als das Deine war: Und eben darum kann ſie weder Vorſicht noch Erfahrung ſchuͤtzen. Ohne dieſes tugend- hafte Herz muͤſſen ſie bey ihrem hohen Gluͤcke ſchwindlicht werden und niederſtuͤrzen, wenn ſie gleich, wie Du, die Gabe gehabt haͤtten, zukuͤnf- tige Dinge vorher zu ſehen. Da * B. 5. C. 8. B

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/39>, abgerufen am 25.11.2024.