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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
sie hier unter den Gelehrten wollen, und warum sie
hervor kommen, da ich die Gelehrten auffodre?
- - Halten sie dieses etwan für eine neue Beleidi-
gung? Es ist nur für sie eine neue Wahrheit. - -
Beruhigen sie sich: Jch will ein Mittel vorschla-
gen, wie wir uns versöhnen können; aber ver-
sprechen sie mir auch, daß sie mich los lassen, und
keine Klage wider mich anstellen wollen. Wissen
sie was: Für einen ehrlichen Mann kann ich sie
unmöglich halten, und daran kann ihnen auch
wenig liegen, da sie so wenig Mühe anwenden,
als ein ehrlicher Mann vor der Welt zu erschei-
nen: Aber für einen gelehrten Mann will ich sie
halten, und auch andere sollen sie dafür halten,
wenn sie die Gebühr erlegen. Gelehrte Spra-
chen verstehn sie zwar nicht; aber desto besser die
Sprache der Rabulisterey, welche die Gelehrten
auch nicht verstehn. Vernünftige Bücher haben
sie zwar niemals gelesen; aber dieses hindert sie
nicht, zum Beweise einer einzigen Unwahrheit,
hundert große Rechtsgelehrte anzuführen, deren
Namen sie kaum zu schreiben wissen. Diese
gelehrte Pralerey haben sie mit vielen großen
Männern gemein. Was ihnen an Kenntniß der
Bücher abgeht, das ersetzt ihre Kenntniß von al-
ten und neuen Manuscripten, da sie die Geschick-
lichkeit haben, alte Documente nachzumachen,
und falsche Qvittungen unterzuschieben. Jn der
Beredsamkeit haben sie ihre Stärke. Jwar
denken sie nicht; aher desto gründlicher schreyen

sie:

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſie hier unter den Gelehrten wollen, und warum ſie
hervor kommen, da ich die Gelehrten auffodre?
‒ ‒ Halten ſie dieſes etwan fuͤr eine neue Beleidi-
gung? Es iſt nur fuͤr ſie eine neue Wahrheit. ‒ ‒
Beruhigen ſie ſich: Jch will ein Mittel vorſchla-
gen, wie wir uns verſoͤhnen koͤnnen; aber ver-
ſprechen ſie mir auch, daß ſie mich los laſſen, und
keine Klage wider mich anſtellen wollen. Wiſſen
ſie was: Fuͤr einen ehrlichen Mann kann ich ſie
unmoͤglich halten, und daran kann ihnen auch
wenig liegen, da ſie ſo wenig Muͤhe anwenden,
als ein ehrlicher Mann vor der Welt zu erſchei-
nen: Aber fuͤr einen gelehrten Mann will ich ſie
halten, und auch andere ſollen ſie dafuͤr halten,
wenn ſie die Gebuͤhr erlegen. Gelehrte Spra-
chen verſtehn ſie zwar nicht; aber deſto beſſer die
Sprache der Rabuliſterey, welche die Gelehrten
auch nicht verſtehn. Vernuͤnftige Buͤcher haben
ſie zwar niemals geleſen; aber dieſes hindert ſie
nicht, zum Beweiſe einer einzigen Unwahrheit,
hundert große Rechtsgelehrte anzufuͤhren, deren
Namen ſie kaum zu ſchreiben wiſſen. Dieſe
gelehrte Pralerey haben ſie mit vielen großen
Maͤnnern gemein. Was ihnen an Kenntniß der
Buͤcher abgeht, das erſetzt ihre Kenntniß von al-
ten und neuen Manuſcripten, da ſie die Geſchick-
lichkeit haben, alte Documente nachzumachen,
und falſche Qvittungen unterzuſchieben. Jn der
Beredſamkeit haben ſie ihre Staͤrke. Jwar
denken ſie nicht; aher deſto gruͤndlicher ſchreyen

ſie:
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[331/0353] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ſie hier unter den Gelehrten wollen, und warum ſie hervor kommen, da ich die Gelehrten auffodre? ‒ ‒ Halten ſie dieſes etwan fuͤr eine neue Beleidi- gung? Es iſt nur fuͤr ſie eine neue Wahrheit. ‒ ‒ Beruhigen ſie ſich: Jch will ein Mittel vorſchla- gen, wie wir uns verſoͤhnen koͤnnen; aber ver- ſprechen ſie mir auch, daß ſie mich los laſſen, und keine Klage wider mich anſtellen wollen. Wiſſen ſie was: Fuͤr einen ehrlichen Mann kann ich ſie unmoͤglich halten, und daran kann ihnen auch wenig liegen, da ſie ſo wenig Muͤhe anwenden, als ein ehrlicher Mann vor der Welt zu erſchei- nen: Aber fuͤr einen gelehrten Mann will ich ſie halten, und auch andere ſollen ſie dafuͤr halten, wenn ſie die Gebuͤhr erlegen. Gelehrte Spra- chen verſtehn ſie zwar nicht; aber deſto beſſer die Sprache der Rabuliſterey, welche die Gelehrten auch nicht verſtehn. Vernuͤnftige Buͤcher haben ſie zwar niemals geleſen; aber dieſes hindert ſie nicht, zum Beweiſe einer einzigen Unwahrheit, hundert große Rechtsgelehrte anzufuͤhren, deren Namen ſie kaum zu ſchreiben wiſſen. Dieſe gelehrte Pralerey haben ſie mit vielen großen Maͤnnern gemein. Was ihnen an Kenntniß der Buͤcher abgeht, das erſetzt ihre Kenntniß von al- ten und neuen Manuſcripten, da ſie die Geſchick- lichkeit haben, alte Documente nachzumachen, und falſche Qvittungen unterzuſchieben. Jn der Beredſamkeit haben ſie ihre Staͤrke. Jwar denken ſie nicht; aher deſto gruͤndlicher ſchreyen ſie:

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/353>, abgerufen am 20.05.2024.