würde sich die Mühe nicht verlohnen. Legte ich auch einen jeden mit zwanzig Gulden an, so wür- den doch kaum zweyhundert Gulden heraus kom- men. Was will das sagen? Und auch diese We- nige würden zu furchtsam seyn, es zu gestehen, daß sie wirklich gute Poeten sind. Denn das ist im- mer der Fehler von guten Dichtern, daß sie es am wenigsten glauben, und bey dem verdienten Lobe, das ihnen andre geben, noch immer schüchtern bleiben, und es eher für eine Schmeicheley, als für ein verdientes Lob halten. Diese Wenigen mö- gen frey bleiben, da ich sie ohnedem nach meinem ersten Entwurfe nicht füglich zu meiner Gedan- kensteuer ziehen kann, als welche den Contribuen- ten ein Recht geben soll, sich das zu dünken, was sie nicht sind, und da Dichter von dieser Gattung immer, wie gesagt, weniger von sich denken, als sie zu denken wohl befugt wären.
Es giebt noch tausend andre, welche diesen Mangel reichlich ersetzen, und welche von sich selbst so viel unverdiente gute Einbildung haben, daß sie die Erlaubniß dazu nicht theuer genug lösen können.
Keiner von ihnen soll künftig das Recht ha- ben, sich des Titels eines unsterblichen Dichters anzumaßen, wenn er nicht seinen Lorber mit 5 Gul- den löst.
Die Anzahl dieser Dichter hat sich im vorigen Jahre in Ober- und Niedersachsen, auf sechs tau- send fünf hundert und sechs und achzig Stück be-
laufen,
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
wuͤrde ſich die Muͤhe nicht verlohnen. Legte ich auch einen jeden mit zwanzig Gulden an, ſo wuͤr- den doch kaum zweyhundert Gulden heraus kom- men. Was will das ſagen? Und auch dieſe We- nige wuͤrden zu furchtſam ſeyn, es zu geſtehen, daß ſie wirklich gute Poeten ſind. Denn das iſt im- mer der Fehler von guten Dichtern, daß ſie es am wenigſten glauben, und bey dem verdienten Lobe, das ihnen andre geben, noch immer ſchuͤchtern bleiben, und es eher fuͤr eine Schmeicheley, als fuͤr ein verdientes Lob halten. Dieſe Wenigen moͤ- gen frey bleiben, da ich ſie ohnedem nach meinem erſten Entwurfe nicht fuͤglich zu meiner Gedan- kenſteuer ziehen kann, als welche den Contribuen- ten ein Recht geben ſoll, ſich das zu duͤnken, was ſie nicht ſind, und da Dichter von dieſer Gattung immer, wie geſagt, weniger von ſich denken, als ſie zu denken wohl befugt waͤren.
Es giebt noch tauſend andre, welche dieſen Mangel reichlich erſetzen, und welche von ſich ſelbſt ſo viel unverdiente gute Einbildung haben, daß ſie die Erlaubniß dazu nicht theuer genug loͤſen koͤnnen.
Keiner von ihnen ſoll kuͤnftig das Recht ha- ben, ſich des Titels eines unſterblichen Dichters anzumaßen, wenn er nicht ſeinen Lorber mit 5 Gul- den loͤſt.
Die Anzahl dieſer Dichter hat ſich im vorigen Jahre in Ober- und Niederſachſen, auf ſechs tau- ſend fuͤnf hundert und ſechs und achzig Stuͤck be-
laufen,
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
wuͤrde ſich die Muͤhe nicht verlohnen. Legte ich
auch einen jeden mit zwanzig Gulden an, ſo wuͤr-
den doch kaum zweyhundert Gulden heraus kom-
men. Was will das ſagen? Und auch dieſe We-
nige wuͤrden zu furchtſam ſeyn, es zu geſtehen, daß
ſie wirklich gute Poeten ſind. Denn das iſt im-
mer der Fehler von guten Dichtern, daß ſie es am
wenigſten glauben, und bey dem verdienten Lobe,
das ihnen andre geben, noch immer ſchuͤchtern
bleiben, und es eher fuͤr eine Schmeicheley, als
fuͤr ein verdientes Lob halten. Dieſe Wenigen moͤ-
gen frey bleiben, da ich ſie ohnedem nach meinem
erſten Entwurfe nicht fuͤglich zu meiner Gedan-
kenſteuer ziehen kann, als welche den Contribuen-
ten ein Recht geben ſoll, ſich das zu duͤnken, was
ſie nicht ſind, und da Dichter von dieſer Gattung
immer, wie geſagt, weniger von ſich denken, als ſie
zu denken wohl befugt waͤren.
Es giebt noch tauſend andre, welche dieſen
Mangel reichlich erſetzen, und welche von ſich ſelbſt
ſo viel unverdiente gute Einbildung haben, daß ſie
die Erlaubniß dazu nicht theuer genug loͤſen
koͤnnen.
Keiner von ihnen ſoll kuͤnftig das Recht ha-
ben, ſich des Titels eines unſterblichen Dichters
anzumaßen, wenn er nicht ſeinen Lorber mit 5 Gul-
den loͤſt.
Die Anzahl dieſer Dichter hat ſich im vorigen
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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