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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
gen, und an das Waisenhaus gezahlt. Jch
müßte mich sehr irren, wenn nicht dieser Zwang
dem Frauenzimmer sowohl, als den Mannspersonen
Gelegenheit geben sollte, in ihrem Umgange nicht
zu vertraut, sehr eingeschränkt, und beständig vor-
sichtig zu seyn; geschähe es auch nur um deßwillen,
weil sie es nicht seyn sollen. Den täglichen Um-
gang würden sie zwar nicht vermeiden können, weil
sie sich der Ahndung der Gesetze zu bloß stellten;
aber dieser Umgang würde sehr behutsam, und also
ohne gefährliche Folgen seyn, weil die Gesetze diese
Behutsamkeit zu bestrafen drohen. Man kann
hieraus eine Folge ableiten, die alle Gesetzgeber
sich wohl empfohlen seyn lassen möchten. Sie
müssen sich nicht sowohl angelegen seyn lassen, ihre
Unterthanen tugendhaft, und vernünftig zu ma-
chen; es ist ganz unmöglich, dieses durch den
Zwang der Gesetze zu bewirken: Sie müssen viel-
mehr darauf sehen, wie sie sich die lasterhaften
Neigungen, und die Thorheiten ihrer Untertha-
nen so zu Nutze machen, daß sie wider ihren Wil-
len diejenigen bürgerlichen Pflichten ausüben, wel-
che Tugendhafte, und Vernünftige ohne Gesetze
thun. Wie wichtig diese Weisheit sey, das habe
ich nunmehr durch mein Exempel, und durch die
Verordnung bewiesen, die ich in meiner neuen Re-
publik der verliebten Jugend allgemein und gel-
tend zu machen wünsche. Man befehle der flüch-
tigen Jugend mit Ernst, thöricht zu seyn, so wird
sie alle Kräfte daran setzen, vernünftig zu lieben;
und man wird keine von den traurigen Folgen be-

fürchten

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
gen, und an das Waiſenhaus gezahlt. Jch
muͤßte mich ſehr irren, wenn nicht dieſer Zwang
dem Frauenzimmer ſowohl, als den Mannsperſonen
Gelegenheit geben ſollte, in ihrem Umgange nicht
zu vertraut, ſehr eingeſchraͤnkt, und beſtaͤndig vor-
ſichtig zu ſeyn; geſchaͤhe es auch nur um deßwillen,
weil ſie es nicht ſeyn ſollen. Den taͤglichen Um-
gang wuͤrden ſie zwar nicht vermeiden koͤnnen, weil
ſie ſich der Ahndung der Geſetze zu bloß ſtellten;
aber dieſer Umgang wuͤrde ſehr behutſam, und alſo
ohne gefaͤhrliche Folgen ſeyn, weil die Geſetze dieſe
Behutſamkeit zu beſtrafen drohen. Man kann
hieraus eine Folge ableiten, die alle Geſetzgeber
ſich wohl empfohlen ſeyn laſſen moͤchten. Sie
muͤſſen ſich nicht ſowohl angelegen ſeyn laſſen, ihre
Unterthanen tugendhaft, und vernuͤnftig zu ma-
chen; es iſt ganz unmoͤglich, dieſes durch den
Zwang der Geſetze zu bewirken: Sie muͤſſen viel-
mehr darauf ſehen, wie ſie ſich die laſterhaften
Neigungen, und die Thorheiten ihrer Untertha-
nen ſo zu Nutze machen, daß ſie wider ihren Wil-
len diejenigen buͤrgerlichen Pflichten ausuͤben, wel-
che Tugendhafte, und Vernuͤnftige ohne Geſetze
thun. Wie wichtig dieſe Weisheit ſey, das habe
ich nunmehr durch mein Exempel, und durch die
Verordnung bewieſen, die ich in meiner neuen Re-
publik der verliebten Jugend allgemein und gel-
tend zu machen wuͤnſche. Man befehle der fluͤch-
tigen Jugend mit Ernſt, thoͤricht zu ſeyn, ſo wird
ſie alle Kraͤfte daran ſetzen, vernuͤnftig zu lieben;
und man wird keine von den traurigen Folgen be-

fuͤrchten
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[221/0243] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. gen, und an das Waiſenhaus gezahlt. Jch muͤßte mich ſehr irren, wenn nicht dieſer Zwang dem Frauenzimmer ſowohl, als den Mannsperſonen Gelegenheit geben ſollte, in ihrem Umgange nicht zu vertraut, ſehr eingeſchraͤnkt, und beſtaͤndig vor- ſichtig zu ſeyn; geſchaͤhe es auch nur um deßwillen, weil ſie es nicht ſeyn ſollen. Den taͤglichen Um- gang wuͤrden ſie zwar nicht vermeiden koͤnnen, weil ſie ſich der Ahndung der Geſetze zu bloß ſtellten; aber dieſer Umgang wuͤrde ſehr behutſam, und alſo ohne gefaͤhrliche Folgen ſeyn, weil die Geſetze dieſe Behutſamkeit zu beſtrafen drohen. Man kann hieraus eine Folge ableiten, die alle Geſetzgeber ſich wohl empfohlen ſeyn laſſen moͤchten. Sie muͤſſen ſich nicht ſowohl angelegen ſeyn laſſen, ihre Unterthanen tugendhaft, und vernuͤnftig zu ma- chen; es iſt ganz unmoͤglich, dieſes durch den Zwang der Geſetze zu bewirken: Sie muͤſſen viel- mehr darauf ſehen, wie ſie ſich die laſterhaften Neigungen, und die Thorheiten ihrer Untertha- nen ſo zu Nutze machen, daß ſie wider ihren Wil- len diejenigen buͤrgerlichen Pflichten ausuͤben, wel- che Tugendhafte, und Vernuͤnftige ohne Geſetze thun. Wie wichtig dieſe Weisheit ſey, das habe ich nunmehr durch mein Exempel, und durch die Verordnung bewieſen, die ich in meiner neuen Re- publik der verliebten Jugend allgemein und gel- tend zu machen wuͤnſche. Man befehle der fluͤch- tigen Jugend mit Ernſt, thoͤricht zu ſeyn, ſo wird ſie alle Kraͤfte daran ſetzen, vernuͤnftig zu lieben; und man wird keine von den traurigen Folgen be- fuͤrchten

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/243>, abgerufen am 23.11.2024.