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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
tigung angenehmer seyn, als diejenige ist, wenn
wir unsere Nächsten glücklich machen? Warum
wird uns dieses Vergnügen so sauer? Weil es
eine Pflicht ist, weil wir es thun sollen. Die
Andacht, die Abwartung des öffentliche[n] [Go]ttes-
dienstes ist eine von denen Handlungen, die einem
vernünftigen und dankbaren Wesen so anständig
sind. Wir lassen unser Leben dafür, so bald sie uns
bey Strafe des Todes verboten wird; verlangen
aber die Landesgesetze, daß wir solche mit Eifer
thun sollen, so machen wir die Leichtsinnigkeit, und
den Ungehorsam zu einer Art der Galanterie.
Nur der dumme Pöbel mag andächtig seyn; für
Vornehme, für Leute, die die Welt kennen, läßt
es einfältig; denn durch den Befehl ist es ein
Zwang geworden, andächtig zu seyn. Soll ich
noch ein Wort von der Ehe sagen? Warum sind
die meisten Eheleute so kaltsinnig in ihrer Liebe?
Weil ihnen der Priester befiehlt, zu lieben.

Diese alten Wahrheiten bringen mich auf den
neuen Einfall, daß man jungen Leuten beiderley
Geschlechts durch geschärfte Landesgesetze ernstlich
anbefehlen solle, von ihrem zwölften Jahre an,
täglich, ohne Aufsicht ihrer Aeltern, oder Verwand-
ten, und ohne den geringsten Zwang mit einander
umzugehn, und sich auf eine vertraute uneinge-
schränkte Art zu sprechen. Wer es von ihnen nicht
thut, oder bey diesem Umgange zu vorsichtig ist,
der soll in eine namhafte Geldstrafe verfallen seyn.
Diese wird ihm künftig von seinem Erbe abgezo-

gen,

Antons Panßa von Mancha
tigung angenehmer ſeyn, als diejenige iſt, wenn
wir unſere Naͤchſten gluͤcklich machen? Warum
wird uns dieſes Vergnuͤgen ſo ſauer? Weil es
eine Pflicht iſt, weil wir es thun ſollen. Die
Andacht, die Abwartung des oͤffentliche[n] [Go]ttes-
dienſtes iſt eine von denen Handlungen, die einem
vernuͤnftigen und dankbaren Weſen ſo anſtaͤndig
ſind. Wir laſſen unſer Leben dafuͤr, ſo bald ſie uns
bey Strafe des Todes verboten wird; verlangen
aber die Landesgeſetze, daß wir ſolche mit Eifer
thun ſollen, ſo machen wir die Leichtſinnigkeit, und
den Ungehorſam zu einer Art der Galanterie.
Nur der dumme Poͤbel mag andaͤchtig ſeyn; fuͤr
Vornehme, fuͤr Leute, die die Welt kennen, laͤßt
es einfaͤltig; denn durch den Befehl iſt es ein
Zwang geworden, andaͤchtig zu ſeyn. Soll ich
noch ein Wort von der Ehe ſagen? Warum ſind
die meiſten Eheleute ſo kaltſinnig in ihrer Liebe?
Weil ihnen der Prieſter befiehlt, zu lieben.

Dieſe alten Wahrheiten bringen mich auf den
neuen Einfall, daß man jungen Leuten beiderley
Geſchlechts durch geſchaͤrfte Landesgeſetze ernſtlich
anbefehlen ſolle, von ihrem zwoͤlften Jahre an,
taͤglich, ohne Aufſicht ihrer Aeltern, oder Verwand-
ten, und ohne den geringſten Zwang mit einander
umzugehn, und ſich auf eine vertraute uneinge-
ſchraͤnkte Art zu ſprechen. Wer es von ihnen nicht
thut, oder bey dieſem Umgange zu vorſichtig iſt,
der ſoll in eine namhafte Geldſtrafe verfallen ſeyn.
Dieſe wird ihm kuͤnftig von ſeinem Erbe abgezo-

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[220/0242] Antons Panßa von Mancha tigung angenehmer ſeyn, als diejenige iſt, wenn wir unſere Naͤchſten gluͤcklich machen? Warum wird uns dieſes Vergnuͤgen ſo ſauer? Weil es eine Pflicht iſt, weil wir es thun ſollen. Die Andacht, die Abwartung des oͤffentlichen Gottes- dienſtes iſt eine von denen Handlungen, die einem vernuͤnftigen und dankbaren Weſen ſo anſtaͤndig ſind. Wir laſſen unſer Leben dafuͤr, ſo bald ſie uns bey Strafe des Todes verboten wird; verlangen aber die Landesgeſetze, daß wir ſolche mit Eifer thun ſollen, ſo machen wir die Leichtſinnigkeit, und den Ungehorſam zu einer Art der Galanterie. Nur der dumme Poͤbel mag andaͤchtig ſeyn; fuͤr Vornehme, fuͤr Leute, die die Welt kennen, laͤßt es einfaͤltig; denn durch den Befehl iſt es ein Zwang geworden, andaͤchtig zu ſeyn. Soll ich noch ein Wort von der Ehe ſagen? Warum ſind die meiſten Eheleute ſo kaltſinnig in ihrer Liebe? Weil ihnen der Prieſter befiehlt, zu lieben. Dieſe alten Wahrheiten bringen mich auf den neuen Einfall, daß man jungen Leuten beiderley Geſchlechts durch geſchaͤrfte Landesgeſetze ernſtlich anbefehlen ſolle, von ihrem zwoͤlften Jahre an, taͤglich, ohne Aufſicht ihrer Aeltern, oder Verwand- ten, und ohne den geringſten Zwang mit einander umzugehn, und ſich auf eine vertraute uneinge- ſchraͤnkte Art zu ſprechen. Wer es von ihnen nicht thut, oder bey dieſem Umgange zu vorſichtig iſt, der ſoll in eine namhafte Geldſtrafe verfallen ſeyn. Dieſe wird ihm kuͤnftig von ſeinem Erbe abgezo- gen,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/242>, abgerufen am 06.05.2024.