er, daß er ihn nicht bey den Haaren von einer Thorheit zurück gezogen, zu welcher ihn seine Nei- gung riß. Alle Freunde, welche seine Frau nicht vor dem Verfalle ihrer Schönheit gekannt haben, wundern sich über seine lächerliche Wahl. Einer von ihnen ist so vertraut, ihn zu fragen, wie er sich habe entschließen können, eine Frau ohne Schönheit, ohne Geld, ohne Aufführung, ohne Verstand zu heirathen. Er zuckt mit den Achseln; die Ehen werden im Himmel geschlossen, antwortet er. Er thut sehr wohl, daß er so antwortet. Soll er etwan sprechen: Diese matten Augen, mein Herr, waren voll Feuer, als ich sie liebte; ihren unwitzigen Mund küßte ich mit Entzücken, denn er war schön; ich liebte die schön gemalte Puppe, und war ein Thor, sie zu heirathen, und war so närrisch, daß ich glaubte, ich heirathete sie aus vernünftiger Neigung? Nein, dieses offenherzige Geständniß kann man ihm, zu thun, nicht zumu- then. Der Himmel, wie gesagt, nur der Him- mel ist Schuld daran! Seladon bleibt vernünftig; nur ist er unglücklich.
Nach diesem Charakter, den ich von ihm ge- macht habe, wird seine Frau allein Ursache an dieser unglücklichen Verbindung seyn? Sie hat ihn verführt, sie hat ihn mit ihren flüchtigen Rei- zungen geblendet. Nein! Sie ist eben so wohl, wie er, zu entschuldigen; sie hat ihn aus Neigung, aus bloßer Neigung geheirathet. Was beym Frauenzimmer Neigung heißt, brauche ich hier
nicht
Antons Panßa von Mancha
er, daß er ihn nicht bey den Haaren von einer Thorheit zuruͤck gezogen, zu welcher ihn ſeine Nei- gung riß. Alle Freunde, welche ſeine Frau nicht vor dem Verfalle ihrer Schoͤnheit gekannt haben, wundern ſich uͤber ſeine laͤcherliche Wahl. Einer von ihnen iſt ſo vertraut, ihn zu fragen, wie er ſich habe entſchließen koͤnnen, eine Frau ohne Schoͤnheit, ohne Geld, ohne Auffuͤhrung, ohne Verſtand zu heirathen. Er zuckt mit den Achſeln; die Ehen werden im Himmel geſchloſſen, antwortet er. Er thut ſehr wohl, daß er ſo antwortet. Soll er etwan ſprechen: Dieſe matten Augen, mein Herr, waren voll Feuer, als ich ſie liebte; ihren unwitzigen Mund kuͤßte ich mit Entzuͤcken, denn er war ſchoͤn; ich liebte die ſchoͤn gemalte Puppe, und war ein Thor, ſie zu heirathen, und war ſo naͤrriſch, daß ich glaubte, ich heirathete ſie aus vernuͤnftiger Neigung? Nein, dieſes offenherzige Geſtaͤndniß kann man ihm, zu thun, nicht zumu- then. Der Himmel, wie geſagt, nur der Him- mel iſt Schuld daran! Seladon bleibt vernuͤnftig; nur iſt er ungluͤcklich.
Nach dieſem Charakter, den ich von ihm ge- macht habe, wird ſeine Frau allein Urſache an dieſer ungluͤcklichen Verbindung ſeyn? Sie hat ihn verfuͤhrt, ſie hat ihn mit ihren fluͤchtigen Rei- zungen geblendet. Nein! Sie iſt eben ſo wohl, wie er, zu entſchuldigen; ſie hat ihn aus Neigung, aus bloßer Neigung geheirathet. Was beym Frauenzimmer Neigung heißt, brauche ich hier
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[210/0232]
Antons Panßa von Mancha
er, daß er ihn nicht bey den Haaren von einer
Thorheit zuruͤck gezogen, zu welcher ihn ſeine Nei-
gung riß. Alle Freunde, welche ſeine Frau nicht
vor dem Verfalle ihrer Schoͤnheit gekannt haben,
wundern ſich uͤber ſeine laͤcherliche Wahl. Einer
von ihnen iſt ſo vertraut, ihn zu fragen, wie er
ſich habe entſchließen koͤnnen, eine Frau ohne
Schoͤnheit, ohne Geld, ohne Auffuͤhrung, ohne
Verſtand zu heirathen. Er zuckt mit den Achſeln;
die Ehen werden im Himmel geſchloſſen, antwortet
er. Er thut ſehr wohl, daß er ſo antwortet. Soll
er etwan ſprechen: Dieſe matten Augen, mein
Herr, waren voll Feuer, als ich ſie liebte; ihren
unwitzigen Mund kuͤßte ich mit Entzuͤcken, denn
er war ſchoͤn; ich liebte die ſchoͤn gemalte Puppe,
und war ein Thor, ſie zu heirathen, und war ſo
naͤrriſch, daß ich glaubte, ich heirathete ſie aus
vernuͤnftiger Neigung? Nein, dieſes offenherzige
Geſtaͤndniß kann man ihm, zu thun, nicht zumu-
then. Der Himmel, wie geſagt, nur der Him-
mel iſt Schuld daran! Seladon bleibt vernuͤnftig;
nur iſt er ungluͤcklich.
Nach dieſem Charakter, den ich von ihm ge-
macht habe, wird ſeine Frau allein Urſache an
dieſer ungluͤcklichen Verbindung ſeyn? Sie hat
ihn verfuͤhrt, ſie hat ihn mit ihren fluͤchtigen Rei-
zungen geblendet. Nein! Sie iſt eben ſo wohl, wie
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/232>, abgerufen am 24.11.2024.
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