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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
liebte. Diese hatte ihm mit guten Worten, oder
im Spielen, oder auch unterm Vorwande, sich
einige Tändeleyen zu kaufen, das meiste von dem
geborgten Gelde abzuschwatzen gewußt, und,
wenn er etwan einmal unerbittlich war, ihm ge-
droht, der Mutter zu entdecken, daß er einen
Theil davon vernascht habe. Jch erstaunte über
diese gewinnsüchtige Bosheit, so sehr ihre Mutter
darüber lachte. Jch drang mit Ernst darauf, daß
das Mädchen vorgefodert werden mußte. Sie
trat ganz unerschrocken in die Stube, läugnete
die ganze Anschuldigung, fuhr ihrem dienstferti-
gen Bruder, der sie verrathen hatte, nach den
Augen, und trotzte auf ihre Unschuld. Endlich
ward ihre Sparbüchse geholt, und hier fand man
das Corpus delicti. Jch, als ein strenger Rich-
ter, that den Ausspruch, daß sie dem ältern Bru-
der das Geld wieder geben, und ihm einen Theil
seines übrigen Verlusts ersetzen sollte. Sie zit-
terte über mein Urtheil, das ich sogleich selbst voll-
zog, und sie bezeigte sich dabey so jämmerlich, als
sich die Frau eines bankerutten Kaufmanns kaum
bezeigen kann, welche durch ihren Aufwand, und
Eigennutz ihn in dieses Unglück gestürzt hat, und
wider alle Landesgesetze, und Gewohnheiten nun-
mehr angehalten werden soll, mit ihrem zusam-
mengeplünderten Vermögen die betrognen Gläu-
biger zu bezahlen.

Jch hoffe, es soll meinen Lesern nicht schwer
fallen, zu errathen, was für Rollen diese drey
Geschwister in ihren ältern Jahren spielen werden.

Jch

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
liebte. Dieſe hatte ihm mit guten Worten, oder
im Spielen, oder auch unterm Vorwande, ſich
einige Taͤndeleyen zu kaufen, das meiſte von dem
geborgten Gelde abzuſchwatzen gewußt, und,
wenn er etwan einmal unerbittlich war, ihm ge-
droht, der Mutter zu entdecken, daß er einen
Theil davon vernaſcht habe. Jch erſtaunte uͤber
dieſe gewinnſuͤchtige Bosheit, ſo ſehr ihre Mutter
daruͤber lachte. Jch drang mit Ernſt darauf, daß
das Maͤdchen vorgefodert werden mußte. Sie
trat ganz unerſchrocken in die Stube, laͤugnete
die ganze Anſchuldigung, fuhr ihrem dienſtferti-
gen Bruder, der ſie verrathen hatte, nach den
Augen, und trotzte auf ihre Unſchuld. Endlich
ward ihre Sparbuͤchſe geholt, und hier fand man
das Corpus delicti. Jch, als ein ſtrenger Rich-
ter, that den Ausſpruch, daß ſie dem aͤltern Bru-
der das Geld wieder geben, und ihm einen Theil
ſeines uͤbrigen Verluſts erſetzen ſollte. Sie zit-
terte uͤber mein Urtheil, das ich ſogleich ſelbſt voll-
zog, und ſie bezeigte ſich dabey ſo jaͤmmerlich, als
ſich die Frau eines bankerutten Kaufmanns kaum
bezeigen kann, welche durch ihren Aufwand, und
Eigennutz ihn in dieſes Ungluͤck geſtuͤrzt hat, und
wider alle Landesgeſetze, und Gewohnheiten nun-
mehr angehalten werden ſoll, mit ihrem zuſam-
mengepluͤnderten Vermoͤgen die betrognen Glaͤu-
biger zu bezahlen.

Jch hoffe, es ſoll meinen Leſern nicht ſchwer
fallen, zu errathen, was fuͤr Rollen dieſe drey
Geſchwiſter in ihren aͤltern Jahren ſpielen werden.

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[191/0213] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. liebte. Dieſe hatte ihm mit guten Worten, oder im Spielen, oder auch unterm Vorwande, ſich einige Taͤndeleyen zu kaufen, das meiſte von dem geborgten Gelde abzuſchwatzen gewußt, und, wenn er etwan einmal unerbittlich war, ihm ge- droht, der Mutter zu entdecken, daß er einen Theil davon vernaſcht habe. Jch erſtaunte uͤber dieſe gewinnſuͤchtige Bosheit, ſo ſehr ihre Mutter daruͤber lachte. Jch drang mit Ernſt darauf, daß das Maͤdchen vorgefodert werden mußte. Sie trat ganz unerſchrocken in die Stube, laͤugnete die ganze Anſchuldigung, fuhr ihrem dienſtferti- gen Bruder, der ſie verrathen hatte, nach den Augen, und trotzte auf ihre Unſchuld. Endlich ward ihre Sparbuͤchſe geholt, und hier fand man das Corpus delicti. Jch, als ein ſtrenger Rich- ter, that den Ausſpruch, daß ſie dem aͤltern Bru- der das Geld wieder geben, und ihm einen Theil ſeines uͤbrigen Verluſts erſetzen ſollte. Sie zit- terte uͤber mein Urtheil, das ich ſogleich ſelbſt voll- zog, und ſie bezeigte ſich dabey ſo jaͤmmerlich, als ſich die Frau eines bankerutten Kaufmanns kaum bezeigen kann, welche durch ihren Aufwand, und Eigennutz ihn in dieſes Ungluͤck geſtuͤrzt hat, und wider alle Landesgeſetze, und Gewohnheiten nun- mehr angehalten werden ſoll, mit ihrem zuſam- mengepluͤnderten Vermoͤgen die betrognen Glaͤu- biger zu bezahlen. Jch hoffe, es ſoll meinen Leſern nicht ſchwer fallen, zu errathen, was fuͤr Rollen dieſe drey Geſchwiſter in ihren aͤltern Jahren ſpielen werden. Jch

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/213>, abgerufen am 06.05.2024.