[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Antons Panßa von Mancha Leser. Jch gebe ihm gemeiniglich dafür einigeKreuzer, und lasse mir erklären, was er eigent- lich geschrieben haben wolle. Jm Anfange schrieb er nichts, als Gesangbücher. Hiebey hätte er gar wohl können stehen bleiben, da es große Män- ner giebt, die auf die Unsterblichkeit einen Anspruch machen, wenn sie die christliche singende Gemeine mit einem vermehrten, und verbesserten Gesang- buche irre gemacht haben; Aber mein ehrgeiziger Christoph gieng weiter. Denn da er das kleine a. b. c. schreiben konnte, so schmierte er einen Bogen in Qvart voll, und sagte, er überreiche mir den ersten Band seiner Herzenspostille. So viel muß ich ihm nachrühmen, daß ich diesen Bo- gen durchsehen konnte, ohne zu gähnen, und ohne zu schlafen: Jch vergaß aber damals, ihm seine gewöhnlichen zween Kreuzer zu geben, welches dem Buben dergestalt ärgerte, daß er allen Leuten sagte; Herr Anton Panßa ist ein Feind der Geist- lichen, und kann nicht einmal Geschriebnes lesen. Noch weit schlimmer gieng es in voriger Woche einem von seinen Mitschülern, welchem er einen vollgegritzelten Zeddel wies, und ihn bereden wollte, es sey ein Kalender, den er geschrieben habe. Weil aber dieser arme Knabe in seiner Einfalt sagte, das wäre nur ein Wisch, und kein Kalen- der; so drückte ihn Christoph unter sich, (denn handfeste ist Christoph) und prügelte ihn unbarm- herzig, damit er gestehen sollte, es sey ein Kalen- der; und weil er das nicht thun wollte, denn ge- meiniglich sind die Leser eigensinnig, so kniete er ihm
Antons Panßa von Mancha Leſer. Jch gebe ihm gemeiniglich dafuͤr einigeKreuzer, und laſſe mir erklaͤren, was er eigent- lich geſchrieben haben wolle. Jm Anfange ſchrieb er nichts, als Geſangbuͤcher. Hiebey haͤtte er gar wohl koͤnnen ſtehen bleiben, da es große Maͤn- ner giebt, die auf die Unſterblichkeit einen Anſpruch machen, wenn ſie die chriſtliche ſingende Gemeine mit einem vermehrten, und verbeſſerten Geſang- buche irre gemacht haben; Aber mein ehrgeiziger Chriſtoph gieng weiter. Denn da er das kleine a. b. c. ſchreiben konnte, ſo ſchmierte er einen Bogen in Qvart voll, und ſagte, er uͤberreiche mir den erſten Band ſeiner Herzenspoſtille. So viel muß ich ihm nachruͤhmen, daß ich dieſen Bo- gen durchſehen konnte, ohne zu gaͤhnen, und ohne zu ſchlafen: Jch vergaß aber damals, ihm ſeine gewoͤhnlichen zween Kreuzer zu geben, welches dem Buben dergeſtalt aͤrgerte, daß er allen Leuten ſagte; Herr Anton Panßa iſt ein Feind der Geiſt- lichen, und kann nicht einmal Geſchriebnes leſen. Noch weit ſchlimmer gieng es in voriger Woche einem von ſeinen Mitſchuͤlern, welchem er einen vollgegritzelten Zeddel wies, und ihn bereden wollte, es ſey ein Kalender, den er geſchrieben habe. Weil aber dieſer arme Knabe in ſeiner Einfalt ſagte, das waͤre nur ein Wiſch, und kein Kalen- der; ſo druͤckte ihn Chriſtoph unter ſich, (denn handfeſte iſt Chriſtoph) und pruͤgelte ihn unbarm- herzig, damit er geſtehen ſollte, es ſey ein Kalen- der; und weil er das nicht thun wollte, denn ge- meiniglich ſind die Leſer eigenſinnig, ſo kniete er ihm
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Antons Panßa von Mancha
Leſer. Jch gebe ihm gemeiniglich dafuͤr einige
Kreuzer, und laſſe mir erklaͤren, was er eigent-
lich geſchrieben haben wolle. Jm Anfange ſchrieb
er nichts, als Geſangbuͤcher. Hiebey haͤtte er
gar wohl koͤnnen ſtehen bleiben, da es große Maͤn-
ner giebt, die auf die Unſterblichkeit einen Anſpruch
machen, wenn ſie die chriſtliche ſingende Gemeine
mit einem vermehrten, und verbeſſerten Geſang-
buche irre gemacht haben; Aber mein ehrgeiziger
Chriſtoph gieng weiter. Denn da er das kleine
a. b. c. ſchreiben konnte, ſo ſchmierte er einen
Bogen in Qvart voll, und ſagte, er uͤberreiche
mir den erſten Band ſeiner Herzenspoſtille. So
viel muß ich ihm nachruͤhmen, daß ich dieſen Bo-
gen durchſehen konnte, ohne zu gaͤhnen, und ohne
zu ſchlafen: Jch vergaß aber damals, ihm ſeine
gewoͤhnlichen zween Kreuzer zu geben, welches
dem Buben dergeſtalt aͤrgerte, daß er allen Leuten
ſagte; Herr Anton Panßa iſt ein Feind der Geiſt-
lichen, und kann nicht einmal Geſchriebnes leſen.
Noch weit ſchlimmer gieng es in voriger Woche
einem von ſeinen Mitſchuͤlern, welchem er einen
vollgegritzelten Zeddel wies, und ihn bereden wollte,
es ſey ein Kalender, den er geſchrieben habe.
Weil aber dieſer arme Knabe in ſeiner Einfalt
ſagte, das waͤre nur ein Wiſch, und kein Kalen-
der; ſo druͤckte ihn Chriſtoph unter ſich, (denn
handfeſte iſt Chriſtoph) und pruͤgelte ihn unbarm-
herzig, damit er geſtehen ſollte, es ſey ein Kalen-
der; und weil er das nicht thun wollte, denn ge-
meiniglich ſind die Leſer eigenſinnig, ſo kniete er
ihm
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