mer neue Nahrung. Er zieht sie für die Nachwelt heran, so wie er erzogen worden ist. Er braucht sie bereits zu kleinen kritischen Streifereyen, und segnet sie in seinem väterlichen Schoose, wenn sie mit Schlägen zurück gejaget werden. Es ist zu befürchten, daß unser Knollius noch lange lebt: Man kann aber gewiß glauben, daß er sich nie- mals ändern wird, da er sich in funfzig Jahren nicht geändert hat. Schon auf dem Dorfe bey seinem Vater war er der unerträgliche Bube, der mit Fäusten drein schlug, wenn ihm widersprochen ward: Noch in diesem Augenblicke ist er eben so ein kritischer Bengel, und verfolgt alle, die mit seinen gelehrten Grobheiten, die so unbedachtsam sind, ihm zu widersprechen. Jch freue mich, daß ich auch unter dem gelehrten Pöbel Männer finde, die die Wahrheit meines Sprüchworts beweisen.
Diejenigen, welche eine bürgerliche Erziehung, oder der Mangel, oder der Geiz, oder der Hoch- muth, oder alle diese Umstände zusammen nöthi- gen, zu arbeiten, diese sind immer ungerecht ge- nug, zu behaupten, daß der Müßiggang eine sehr leichte Sache sey, daß aus demselben viel Scha- den für das gemeine Wesen entstehe, und daß es ihnen ganz unbegreiflich sey, wie ein vernünftiges Geschöpfe Geduld genug haben könne, sein ganzes Leben, von den ersten Jahren an, bis in das höchste Alter in einem ununterbrochnen Müßig- gange zuzu bringen. Auf diese Vorwürfe will ich nur mit wenigem im Namen der Müßiggän-
ger
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
mer neue Nahrung. Er zieht ſie fuͤr die Nachwelt heran, ſo wie er erzogen worden iſt. Er braucht ſie bereits zu kleinen kritiſchen Streifereyen, und ſegnet ſie in ſeinem vaͤterlichen Schooſe, wenn ſie mit Schlaͤgen zuruͤck gejaget werden. Es iſt zu befuͤrchten, daß unſer Knollius noch lange lebt: Man kann aber gewiß glauben, daß er ſich nie- mals aͤndern wird, da er ſich in funfzig Jahren nicht geaͤndert hat. Schon auf dem Dorfe bey ſeinem Vater war er der unertraͤgliche Bube, der mit Faͤuſten drein ſchlug, wenn ihm widerſprochen ward: Noch in dieſem Augenblicke iſt er eben ſo ein kritiſcher Bengel, und verfolgt alle, die mit ſeinen gelehrten Grobheiten, die ſo unbedachtſam ſind, ihm zu widerſprechen. Jch freue mich, daß ich auch unter dem gelehrten Poͤbel Maͤnner finde, die die Wahrheit meines Spruͤchworts beweiſen.
Diejenigen, welche eine buͤrgerliche Erziehung, oder der Mangel, oder der Geiz, oder der Hoch- muth, oder alle dieſe Umſtaͤnde zuſammen noͤthi- gen, zu arbeiten, dieſe ſind immer ungerecht ge- nug, zu behaupten, daß der Muͤßiggang eine ſehr leichte Sache ſey, daß aus demſelben viel Scha- den fuͤr das gemeine Weſen entſtehe, und daß es ihnen ganz unbegreiflich ſey, wie ein vernuͤnftiges Geſchoͤpfe Geduld genug haben koͤnne, ſein ganzes Leben, von den erſten Jahren an, bis in das hoͤchſte Alter in einem ununterbrochnen Muͤßig- gange zuzu bringen. Auf dieſe Vorwuͤrfe will ich nur mit wenigem im Namen der Muͤßiggaͤn-
ger
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0193"n="171"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.</hi></fw><lb/>
mer neue Nahrung. Er zieht ſie fuͤr die Nachwelt<lb/>
heran, ſo wie er erzogen worden iſt. Er braucht<lb/>ſie bereits zu kleinen kritiſchen Streifereyen, und<lb/>ſegnet ſie in ſeinem vaͤterlichen Schooſe, wenn ſie<lb/>
mit Schlaͤgen zuruͤck gejaget werden. Es iſt zu<lb/>
befuͤrchten, daß unſer Knollius noch lange lebt:<lb/>
Man kann aber gewiß glauben, daß er ſich nie-<lb/>
mals aͤndern wird, da er ſich in funfzig Jahren<lb/>
nicht geaͤndert hat. Schon auf dem Dorfe bey<lb/>ſeinem Vater war er der unertraͤgliche Bube, der<lb/>
mit Faͤuſten drein ſchlug, wenn ihm widerſprochen<lb/>
ward: Noch in dieſem Augenblicke iſt er eben ſo<lb/>
ein kritiſcher Bengel, und verfolgt alle, die mit<lb/>ſeinen gelehrten Grobheiten, die ſo unbedachtſam<lb/>ſind, ihm zu widerſprechen. Jch freue mich, daß<lb/>
ich auch unter dem gelehrten Poͤbel Maͤnner finde,<lb/>
die die Wahrheit meines Spruͤchworts beweiſen.</p><lb/><p>Diejenigen, welche eine buͤrgerliche Erziehung,<lb/>
oder der Mangel, oder der Geiz, oder der Hoch-<lb/>
muth, oder alle dieſe Umſtaͤnde zuſammen noͤthi-<lb/>
gen, zu arbeiten, dieſe ſind immer ungerecht ge-<lb/>
nug, zu behaupten, daß der Muͤßiggang eine ſehr<lb/>
leichte Sache ſey, daß aus demſelben viel Scha-<lb/>
den fuͤr das gemeine Weſen entſtehe, und daß es<lb/>
ihnen ganz unbegreiflich ſey, wie ein vernuͤnftiges<lb/>
Geſchoͤpfe Geduld genug haben koͤnne, ſein ganzes<lb/>
Leben, von den erſten Jahren an, bis in das<lb/>
hoͤchſte Alter in einem ununterbrochnen Muͤßig-<lb/>
gange zuzu bringen. Auf dieſe Vorwuͤrfe will<lb/>
ich nur mit wenigem im Namen der Muͤßiggaͤn-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ger</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[171/0193]
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
mer neue Nahrung. Er zieht ſie fuͤr die Nachwelt
heran, ſo wie er erzogen worden iſt. Er braucht
ſie bereits zu kleinen kritiſchen Streifereyen, und
ſegnet ſie in ſeinem vaͤterlichen Schooſe, wenn ſie
mit Schlaͤgen zuruͤck gejaget werden. Es iſt zu
befuͤrchten, daß unſer Knollius noch lange lebt:
Man kann aber gewiß glauben, daß er ſich nie-
mals aͤndern wird, da er ſich in funfzig Jahren
nicht geaͤndert hat. Schon auf dem Dorfe bey
ſeinem Vater war er der unertraͤgliche Bube, der
mit Faͤuſten drein ſchlug, wenn ihm widerſprochen
ward: Noch in dieſem Augenblicke iſt er eben ſo
ein kritiſcher Bengel, und verfolgt alle, die mit
ſeinen gelehrten Grobheiten, die ſo unbedachtſam
ſind, ihm zu widerſprechen. Jch freue mich, daß
ich auch unter dem gelehrten Poͤbel Maͤnner finde,
die die Wahrheit meines Spruͤchworts beweiſen.
Diejenigen, welche eine buͤrgerliche Erziehung,
oder der Mangel, oder der Geiz, oder der Hoch-
muth, oder alle dieſe Umſtaͤnde zuſammen noͤthi-
gen, zu arbeiten, dieſe ſind immer ungerecht ge-
nug, zu behaupten, daß der Muͤßiggang eine ſehr
leichte Sache ſey, daß aus demſelben viel Scha-
den fuͤr das gemeine Weſen entſtehe, und daß es
ihnen ganz unbegreiflich ſey, wie ein vernuͤnftiges
Geſchoͤpfe Geduld genug haben koͤnne, ſein ganzes
Leben, von den erſten Jahren an, bis in das
hoͤchſte Alter in einem ununterbrochnen Muͤßig-
gange zuzu bringen. Auf dieſe Vorwuͤrfe will
ich nur mit wenigem im Namen der Muͤßiggaͤn-
ger
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/193>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.