ger antworten, da es zu viel Arbeit für sie seyn würde, wenn sie es selbst thun sollten.
Es ist ungerecht, zu sagen, daß der Müßig- gang eine leichte Sache sey. Man betrachte nur die unruhige Wirksamkeit der Seele, welche sich beständig beschäfftigen, beständig mit neuen Vor- würfen unterhalten, niemals, so gar im Schlafe nicht, ruhen will. Wie viel Arbeit gehört dazu, diese geschäfftige Seele in eine ruhige Unempfind- lichkeit einzuwiegen? Wie schrecklich muß einem Menschen, der des Müßigganges noch ungewohnt ist, die traurige Aussicht in das Leere des langen Tages seyn, welchen er beym Erwachen anfängt? Er wird es durch die Zeit gewohnt; er gähnt dem Tage entgegen, nährt seinen Körper, sucht sich in Gesellschaft anderer Müßiggänger zu zer- streuen, und freut sich, wenn die erqvickende Stunde kömmt, wo er sich vor dem Getöse der arbeitenden Welt in sein Bette flüchten kann. Wie dieser Tag ist, so sind die vielen tausend Tage, die er zu leben hat. Bey einer solchen gedanken- losen Einförmigkeit würde sich ein Engelländer hängen, aber ein sich selbst gelassener Deutscher wird dabey fett. Jst der Müßiggang so leicht; warum fliehen ihn diejenigen so sehr, die derglei- chen Vorwürfe machen?
Also ist es nicht leicht, müßig zu gehen; ich will aber auch beweisen, daß aus dem Müßiggange nicht allein gar kein Schaden für das gemeine We- sen entsteht, sondern daß solcher demselben unge-
mein
Antons Panßa von Mancha
ger antworten, da es zu viel Arbeit fuͤr ſie ſeyn wuͤrde, wenn ſie es ſelbſt thun ſollten.
Es iſt ungerecht, zu ſagen, daß der Muͤßig- gang eine leichte Sache ſey. Man betrachte nur die unruhige Wirkſamkeit der Seele, welche ſich beſtaͤndig beſchaͤfftigen, beſtaͤndig mit neuen Vor- wuͤrfen unterhalten, niemals, ſo gar im Schlafe nicht, ruhen will. Wie viel Arbeit gehoͤrt dazu, dieſe geſchaͤfftige Seele in eine ruhige Unempfind- lichkeit einzuwiegen? Wie ſchrecklich muß einem Menſchen, der des Muͤßigganges noch ungewohnt iſt, die traurige Ausſicht in das Leere des langen Tages ſeyn, welchen er beym Erwachen anfaͤngt? Er wird es durch die Zeit gewohnt; er gaͤhnt dem Tage entgegen, naͤhrt ſeinen Koͤrper, ſucht ſich in Geſellſchaft anderer Muͤßiggaͤnger zu zer- ſtreuen, und freut ſich, wenn die erqvickende Stunde koͤmmt, wo er ſich vor dem Getoͤſe der arbeitenden Welt in ſein Bette fluͤchten kann. Wie dieſer Tag iſt, ſo ſind die vielen tauſend Tage, die er zu leben hat. Bey einer ſolchen gedanken- loſen Einfoͤrmigkeit wuͤrde ſich ein Engellaͤnder haͤngen, aber ein ſich ſelbſt gelaſſener Deutſcher wird dabey fett. Jſt der Muͤßiggang ſo leicht; warum fliehen ihn diejenigen ſo ſehr, die derglei- chen Vorwuͤrfe machen?
Alſo iſt es nicht leicht, muͤßig zu gehen; ich will aber auch beweiſen, daß aus dem Muͤßiggange nicht allein gar kein Schaden fuͤr das gemeine We- ſen entſteht, ſondern daß ſolcher demſelben unge-
mein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0194"n="172"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
ger antworten, da es zu viel Arbeit fuͤr ſie ſeyn<lb/>
wuͤrde, wenn ſie es ſelbſt thun ſollten.</p><lb/><p>Es iſt ungerecht, zu ſagen, daß der Muͤßig-<lb/>
gang eine leichte Sache ſey. Man betrachte nur<lb/>
die unruhige Wirkſamkeit der Seele, welche ſich<lb/>
beſtaͤndig beſchaͤfftigen, beſtaͤndig mit neuen Vor-<lb/>
wuͤrfen unterhalten, niemals, ſo gar im Schlafe<lb/>
nicht, ruhen will. Wie viel Arbeit gehoͤrt dazu,<lb/>
dieſe geſchaͤfftige Seele in eine ruhige Unempfind-<lb/>
lichkeit einzuwiegen? Wie ſchrecklich muß einem<lb/>
Menſchen, der des Muͤßigganges noch ungewohnt<lb/>
iſt, die traurige Ausſicht in das Leere des langen<lb/>
Tages ſeyn, welchen er beym Erwachen anfaͤngt?<lb/>
Er wird es durch die Zeit gewohnt; er gaͤhnt<lb/>
dem Tage entgegen, naͤhrt ſeinen Koͤrper, ſucht<lb/>ſich in Geſellſchaft anderer Muͤßiggaͤnger zu zer-<lb/>ſtreuen, und freut ſich, wenn die erqvickende<lb/>
Stunde koͤmmt, wo er ſich vor dem Getoͤſe der<lb/>
arbeitenden Welt in ſein Bette fluͤchten kann.<lb/>
Wie dieſer Tag iſt, ſo ſind die vielen tauſend Tage,<lb/>
die er zu leben hat. Bey einer ſolchen gedanken-<lb/>
loſen Einfoͤrmigkeit wuͤrde ſich ein Engellaͤnder<lb/>
haͤngen, aber ein ſich ſelbſt gelaſſener Deutſcher<lb/>
wird dabey fett. Jſt der Muͤßiggang ſo leicht;<lb/>
warum fliehen ihn diejenigen ſo ſehr, die derglei-<lb/>
chen Vorwuͤrfe machen?</p><lb/><p>Alſo iſt es nicht leicht, muͤßig zu gehen; ich<lb/>
will aber auch beweiſen, daß aus dem Muͤßiggange<lb/>
nicht allein gar kein Schaden fuͤr das gemeine We-<lb/>ſen entſteht, ſondern daß ſolcher demſelben unge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mein</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[172/0194]
Antons Panßa von Mancha
ger antworten, da es zu viel Arbeit fuͤr ſie ſeyn
wuͤrde, wenn ſie es ſelbſt thun ſollten.
Es iſt ungerecht, zu ſagen, daß der Muͤßig-
gang eine leichte Sache ſey. Man betrachte nur
die unruhige Wirkſamkeit der Seele, welche ſich
beſtaͤndig beſchaͤfftigen, beſtaͤndig mit neuen Vor-
wuͤrfen unterhalten, niemals, ſo gar im Schlafe
nicht, ruhen will. Wie viel Arbeit gehoͤrt dazu,
dieſe geſchaͤfftige Seele in eine ruhige Unempfind-
lichkeit einzuwiegen? Wie ſchrecklich muß einem
Menſchen, der des Muͤßigganges noch ungewohnt
iſt, die traurige Ausſicht in das Leere des langen
Tages ſeyn, welchen er beym Erwachen anfaͤngt?
Er wird es durch die Zeit gewohnt; er gaͤhnt
dem Tage entgegen, naͤhrt ſeinen Koͤrper, ſucht
ſich in Geſellſchaft anderer Muͤßiggaͤnger zu zer-
ſtreuen, und freut ſich, wenn die erqvickende
Stunde koͤmmt, wo er ſich vor dem Getoͤſe der
arbeitenden Welt in ſein Bette fluͤchten kann.
Wie dieſer Tag iſt, ſo ſind die vielen tauſend Tage,
die er zu leben hat. Bey einer ſolchen gedanken-
loſen Einfoͤrmigkeit wuͤrde ſich ein Engellaͤnder
haͤngen, aber ein ſich ſelbſt gelaſſener Deutſcher
wird dabey fett. Jſt der Muͤßiggang ſo leicht;
warum fliehen ihn diejenigen ſo ſehr, die derglei-
chen Vorwuͤrfe machen?
Alſo iſt es nicht leicht, muͤßig zu gehen; ich
will aber auch beweiſen, daß aus dem Muͤßiggange
nicht allein gar kein Schaden fuͤr das gemeine We-
ſen entſteht, ſondern daß ſolcher demſelben unge-
mein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/194>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.