Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
sie in beidem gleich stark sind. Aber die Unsterb-
lichkeit ist auch hier das Geringste, worüber man
kämpfet. Sollte dieses nicht dergleichen Heftig-
keiten entschuldigen, da man gegen die Kutscher
so nachsehend und billig ist, welche sich oft über
weit geringere Sachen, beynahe noch größre
Grobheiten sagen?

Jch finde in den Archiven meiner Familie einen
Aufsatz, welcher den Titel hat: Kirchengeschichte
von Mancha.
Mein Urältervater hat ihn nicht
geschrieben; so viel weis ich, und das wissen alle
diejenigen, die seine Geschichte gelesen haben:
Denn er war einer von den großen Geistern, wel-
che nichts schrieben, und desto mehr dachten. Jch
halte es für die Hand seines Eidams Pedro, oder
auch seiner Marie. Dem sey wie ihm wolle;
denn diese und viele andre Familien Kritiken sind
gemeiniglich nur denen wichtig, welche zur Fami-
lie gehören: Genug, es ist eine Kirchengeschichte
von Mancha. Aber freylich nicht von Mancha
allein; denn meine deutschen Leser werden den
Spaniern die Gerechtigkeit wiederfahren lassen,
daß jene eben sowohl, als ihre Scribenten, ihre
Bücher durch fremde Sachen, die zum Buche
nicht gehören, zu einer ehrwürdigen Dicke zu brin-
gen wissen. Jn dieser Kirchengeschichte also wer-
den die Wege und Wendungen erzählt, welche die
Geistlichkeit in den glücklichen Zeiten des Don
Qvixots angewendet hat, zu ihren Aemtern und
Pfründen zu kommen. Die Erzählung hebt vom

Erz-
J

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſie in beidem gleich ſtark ſind. Aber die Unſterb-
lichkeit iſt auch hier das Geringſte, woruͤber man
kaͤmpfet. Sollte dieſes nicht dergleichen Heftig-
keiten entſchuldigen, da man gegen die Kutſcher
ſo nachſehend und billig iſt, welche ſich oft uͤber
weit geringere Sachen, beynahe noch groͤßre
Grobheiten ſagen?

Jch finde in den Archiven meiner Familie einen
Aufſatz, welcher den Titel hat: Kirchengeſchichte
von Mancha.
Mein Uraͤltervater hat ihn nicht
geſchrieben; ſo viel weis ich, und das wiſſen alle
diejenigen, die ſeine Geſchichte geleſen haben:
Denn er war einer von den großen Geiſtern, wel-
che nichts ſchrieben, und deſto mehr dachten. Jch
halte es fuͤr die Hand ſeines Eidams Pedro, oder
auch ſeiner Marie. Dem ſey wie ihm wolle;
denn dieſe und viele andre Familien Kritiken ſind
gemeiniglich nur denen wichtig, welche zur Fami-
lie gehoͤren: Genug, es iſt eine Kirchengeſchichte
von Mancha. Aber freylich nicht von Mancha
allein; denn meine deutſchen Leſer werden den
Spaniern die Gerechtigkeit wiederfahren laſſen,
daß jene eben ſowohl, als ihre Scribenten, ihre
Buͤcher durch fremde Sachen, die zum Buche
nicht gehoͤren, zu einer ehrwuͤrdigen Dicke zu brin-
gen wiſſen. Jn dieſer Kirchengeſchichte alſo wer-
den die Wege und Wendungen erzaͤhlt, welche die
Geiſtlichkeit in den gluͤcklichen Zeiten des Don
Qvixots angewendet hat, zu ihren Aemtern und
Pfruͤnden zu kommen. Die Erzaͤhlung hebt vom

Erz-
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0151" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ie in beidem gleich &#x017F;tark &#x017F;ind. Aber die Un&#x017F;terb-<lb/>
lichkeit i&#x017F;t auch hier das Gering&#x017F;te, woru&#x0364;ber man<lb/>
ka&#x0364;mpfet. Sollte die&#x017F;es nicht dergleichen Heftig-<lb/>
keiten ent&#x017F;chuldigen, da man gegen die Kut&#x017F;cher<lb/>
&#x017F;o nach&#x017F;ehend und billig i&#x017F;t, welche &#x017F;ich oft u&#x0364;ber<lb/>
weit geringere Sachen, beynahe noch gro&#x0364;ßre<lb/>
Grobheiten &#x017F;agen?</p><lb/>
          <p>Jch finde in den Archiven meiner Familie einen<lb/>
Auf&#x017F;atz, welcher den Titel hat: <hi rendition="#fr">Kirchenge&#x017F;chichte<lb/>
von Mancha.</hi> Mein Ura&#x0364;ltervater hat ihn nicht<lb/>
ge&#x017F;chrieben; &#x017F;o viel weis ich, und das wi&#x017F;&#x017F;en alle<lb/>
diejenigen, die &#x017F;eine Ge&#x017F;chichte gele&#x017F;en haben:<lb/>
Denn er war einer von den großen Gei&#x017F;tern, wel-<lb/>
che nichts &#x017F;chrieben, und de&#x017F;to mehr dachten. Jch<lb/>
halte es fu&#x0364;r die Hand &#x017F;eines Eidams Pedro, oder<lb/>
auch &#x017F;einer Marie. Dem &#x017F;ey wie ihm wolle;<lb/>
denn die&#x017F;e und viele andre Familien Kritiken &#x017F;ind<lb/>
gemeiniglich nur denen wichtig, welche zur Fami-<lb/>
lie geho&#x0364;ren: Genug, es i&#x017F;t eine Kirchenge&#x017F;chichte<lb/>
von Mancha. Aber freylich nicht von Mancha<lb/>
allein; denn meine deut&#x017F;chen Le&#x017F;er werden den<lb/>
Spaniern die Gerechtigkeit wiederfahren la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß jene eben &#x017F;owohl, als ihre Scribenten, ihre<lb/>
Bu&#x0364;cher durch fremde Sachen, die zum Buche<lb/>
nicht geho&#x0364;ren, zu einer ehrwu&#x0364;rdigen Dicke zu brin-<lb/>
gen wi&#x017F;&#x017F;en. Jn die&#x017F;er Kirchenge&#x017F;chichte al&#x017F;o wer-<lb/>
den die Wege und Wendungen erza&#x0364;hlt, welche die<lb/>
Gei&#x017F;tlichkeit in den glu&#x0364;cklichen Zeiten des Don<lb/>
Qvixots angewendet hat, zu ihren Aemtern und<lb/>
Pfru&#x0364;nden zu kommen. Die Erza&#x0364;hlung hebt vom<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J</fw><fw place="bottom" type="catch">Erz-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0151] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ſie in beidem gleich ſtark ſind. Aber die Unſterb- lichkeit iſt auch hier das Geringſte, woruͤber man kaͤmpfet. Sollte dieſes nicht dergleichen Heftig- keiten entſchuldigen, da man gegen die Kutſcher ſo nachſehend und billig iſt, welche ſich oft uͤber weit geringere Sachen, beynahe noch groͤßre Grobheiten ſagen? Jch finde in den Archiven meiner Familie einen Aufſatz, welcher den Titel hat: Kirchengeſchichte von Mancha. Mein Uraͤltervater hat ihn nicht geſchrieben; ſo viel weis ich, und das wiſſen alle diejenigen, die ſeine Geſchichte geleſen haben: Denn er war einer von den großen Geiſtern, wel- che nichts ſchrieben, und deſto mehr dachten. Jch halte es fuͤr die Hand ſeines Eidams Pedro, oder auch ſeiner Marie. Dem ſey wie ihm wolle; denn dieſe und viele andre Familien Kritiken ſind gemeiniglich nur denen wichtig, welche zur Fami- lie gehoͤren: Genug, es iſt eine Kirchengeſchichte von Mancha. Aber freylich nicht von Mancha allein; denn meine deutſchen Leſer werden den Spaniern die Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, daß jene eben ſowohl, als ihre Scribenten, ihre Buͤcher durch fremde Sachen, die zum Buche nicht gehoͤren, zu einer ehrwuͤrdigen Dicke zu brin- gen wiſſen. Jn dieſer Kirchengeſchichte alſo wer- den die Wege und Wendungen erzaͤhlt, welche die Geiſtlichkeit in den gluͤcklichen Zeiten des Don Qvixots angewendet hat, zu ihren Aemtern und Pfruͤnden zu kommen. Die Erzaͤhlung hebt vom Erz- J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/151
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/151>, abgerufen am 27.11.2024.