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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
gar. Seine eigennützige Aufmerksamkeit erstreckt
sich bis auf die geringsten Personen, von denen
er vermuthen kann, daß sie einen Zutritt zu dem-
jenigen haben, der angesehen und wichtig genug
ist, sein Glück zu hindern. Der Gerichtsdiener
ist der erste, welchen er auf seine Seite zu bringen
sucht. Dieser elende Mensch, so gering er ist,
hat dennoch sehr vornehme Fehler. Er ist hoch-
müthig; denn er hat keine Verdienste. Er liebt
den Trunk; zwar trinkt er nur Brandtewein; aber
wäre er Rath, so würde er sich in Rheinweine
berauschen. Er liebt die Geschenke so sehr, wie
sein Herr. Unser vernünftiger Beklagte weis
sich dieses alles zu Nutze zu machen. So bald er
aus dem Wagen steigt, grüßt er mit einer beson-
dern Freundlichkeit den Gerichtsdiener, der ihn
an der Thüre hungrig erwartet. Er drückt ihm
die Hand, und in dem Hause des Richters ist die
Hand eines Beklagtens niemals ledig, wenn sie
drückt. Da er die Hand des Allerniedrigsten mit
so vieler Aufmerksamkeit wäscht, so kann man selbst
errathen, wie legal er die übrigen schmiert, auf
deren verdientes Wohlwollen und erkauften Aus-
spruch weit mehr, als auf die unmündigen Gesetze,
der Ausschlag seines Processes ankömmt. Von
dem untersten Schreiber bis auf den obersten Rich-
ter, überzeugt er durch proportionirliche Geschen-
ke alle von der Ungerechtigkeit des verarmten Klä-
gers. Sie bearbeiten sich nunmehr unter einan-
der selbst, sich von der Billigkeit der Sache dieses
freygebigen Beklagten zu überführen. Einer

arbei-

Antons Panßa von Mancha
gar. Seine eigennuͤtzige Aufmerkſamkeit erſtreckt
ſich bis auf die geringſten Perſonen, von denen
er vermuthen kann, daß ſie einen Zutritt zu dem-
jenigen haben, der angeſehen und wichtig genug
iſt, ſein Gluͤck zu hindern. Der Gerichtsdiener
iſt der erſte, welchen er auf ſeine Seite zu bringen
ſucht. Dieſer elende Menſch, ſo gering er iſt,
hat dennoch ſehr vornehme Fehler. Er iſt hoch-
muͤthig; denn er hat keine Verdienſte. Er liebt
den Trunk; zwar trinkt er nur Brandtewein; aber
waͤre er Rath, ſo wuͤrde er ſich in Rheinweine
berauſchen. Er liebt die Geſchenke ſo ſehr, wie
ſein Herr. Unſer vernuͤnftiger Beklagte weis
ſich dieſes alles zu Nutze zu machen. So bald er
aus dem Wagen ſteigt, gruͤßt er mit einer beſon-
dern Freundlichkeit den Gerichtsdiener, der ihn
an der Thuͤre hungrig erwartet. Er druͤckt ihm
die Hand, und in dem Hauſe des Richters iſt die
Hand eines Beklagtens niemals ledig, wenn ſie
druͤckt. Da er die Hand des Allerniedrigſten mit
ſo vieler Aufmerkſamkeit waͤſcht, ſo kann man ſelbſt
errathen, wie legal er die uͤbrigen ſchmiert, auf
deren verdientes Wohlwollen und erkauften Aus-
ſpruch weit mehr, als auf die unmuͤndigen Geſetze,
der Ausſchlag ſeines Proceſſes ankoͤmmt. Von
dem unterſten Schreiber bis auf den oberſten Rich-
ter, uͤberzeugt er durch proportionirliche Geſchen-
ke alle von der Ungerechtigkeit des verarmten Klaͤ-
gers. Sie bearbeiten ſich nunmehr unter einan-
der ſelbſt, ſich von der Billigkeit der Sache dieſes
freygebigen Beklagten zu uͤberfuͤhren. Einer

arbei-
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[126/0148] Antons Panßa von Mancha gar. Seine eigennuͤtzige Aufmerkſamkeit erſtreckt ſich bis auf die geringſten Perſonen, von denen er vermuthen kann, daß ſie einen Zutritt zu dem- jenigen haben, der angeſehen und wichtig genug iſt, ſein Gluͤck zu hindern. Der Gerichtsdiener iſt der erſte, welchen er auf ſeine Seite zu bringen ſucht. Dieſer elende Menſch, ſo gering er iſt, hat dennoch ſehr vornehme Fehler. Er iſt hoch- muͤthig; denn er hat keine Verdienſte. Er liebt den Trunk; zwar trinkt er nur Brandtewein; aber waͤre er Rath, ſo wuͤrde er ſich in Rheinweine berauſchen. Er liebt die Geſchenke ſo ſehr, wie ſein Herr. Unſer vernuͤnftiger Beklagte weis ſich dieſes alles zu Nutze zu machen. So bald er aus dem Wagen ſteigt, gruͤßt er mit einer beſon- dern Freundlichkeit den Gerichtsdiener, der ihn an der Thuͤre hungrig erwartet. Er druͤckt ihm die Hand, und in dem Hauſe des Richters iſt die Hand eines Beklagtens niemals ledig, wenn ſie druͤckt. Da er die Hand des Allerniedrigſten mit ſo vieler Aufmerkſamkeit waͤſcht, ſo kann man ſelbſt errathen, wie legal er die uͤbrigen ſchmiert, auf deren verdientes Wohlwollen und erkauften Aus- ſpruch weit mehr, als auf die unmuͤndigen Geſetze, der Ausſchlag ſeines Proceſſes ankoͤmmt. Von dem unterſten Schreiber bis auf den oberſten Rich- ter, uͤberzeugt er durch proportionirliche Geſchen- ke alle von der Ungerechtigkeit des verarmten Klaͤ- gers. Sie bearbeiten ſich nunmehr unter einan- der ſelbſt, ſich von der Billigkeit der Sache dieſes freygebigen Beklagten zu uͤberfuͤhren. Einer arbei-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/148>, abgerufen am 23.11.2024.