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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
zu verstehen, daß sie nunmehr durch Beschleuni-
gung der Heirath die beste Gelegenheit habe, dem
Diego zu zeigen, wie uneigennützig ihre Liebe sey.
Der Vater, ein vollkommener Kaufmann, war
ganz andrer Meynung. Er rechnete nach, und
fand, daß Diego nicht liebenswürdig genug sey.
Seine Tochter zwang er, einen reichen Wittwer
zu heirathen, dessen kränklicher Körper alle Hoff-
nung machte, daß er bald sterben würde. Der
unglückliche Diego hatte das Versprechen der Ael-
tern, und das Herz der Jsabelle vor sich; aber er
war zu arm, als daß der Richter seine Ansprüche
hätte billig finden sollen. Es war ihm unmög-
lich, länger an diesem Orte zu leben. Er floh
in seinem achzehnten Jahre aus seinem Vater-
lande; und Jsabelle, die nur ihr sechzehntes Jahr
erreicht hatte, war bey einem sehr zärtlichen Ab-
schiede zu tugendhaft, ihm etwas mehrers zu erlau-
ben, als die Hoffnung, daß sie ihn ewig lieben
werde. Diego suchte, nach den Regeln der spa-
nischen Romane, seinen Tod im Kriege. Die-
sen fand er nicht; aber dafür eine traurige Ge-
fangenschaft, welche ihn hinderte, seiner Freundinn
Nachricht von ihm zu geben. Jsabellens unglück-
liche Ehe dauerte nicht länger als acht Jahre, da
ihr eifersüchtiger Tyrann starb, und ihr das An-
denken vieler misvergnügter Stunden, zugleich
aber auch ein ansehnliches Vermögen verließ, wel-
ches durch den Tod ihres Vaters um die Hälfte
vermehrt ward. Nun war sie Herr von ihren
Schätzen, und ihrer Hand. Sie suchte ihren

Diego;

Antons Panßa von Mancha
zu verſtehen, daß ſie nunmehr durch Beſchleuni-
gung der Heirath die beſte Gelegenheit habe, dem
Diego zu zeigen, wie uneigennuͤtzig ihre Liebe ſey.
Der Vater, ein vollkommener Kaufmann, war
ganz andrer Meynung. Er rechnete nach, und
fand, daß Diego nicht liebenswuͤrdig genug ſey.
Seine Tochter zwang er, einen reichen Wittwer
zu heirathen, deſſen kraͤnklicher Koͤrper alle Hoff-
nung machte, daß er bald ſterben wuͤrde. Der
ungluͤckliche Diego hatte das Verſprechen der Ael-
tern, und das Herz der Jſabelle vor ſich; aber er
war zu arm, als daß der Richter ſeine Anſpruͤche
haͤtte billig finden ſollen. Es war ihm unmoͤg-
lich, laͤnger an dieſem Orte zu leben. Er floh
in ſeinem achzehnten Jahre aus ſeinem Vater-
lande; und Jſabelle, die nur ihr ſechzehntes Jahr
erreicht hatte, war bey einem ſehr zaͤrtlichen Ab-
ſchiede zu tugendhaft, ihm etwas mehrers zu erlau-
ben, als die Hoffnung, daß ſie ihn ewig lieben
werde. Diego ſuchte, nach den Regeln der ſpa-
niſchen Romane, ſeinen Tod im Kriege. Die-
ſen fand er nicht; aber dafuͤr eine traurige Ge-
fangenſchaft, welche ihn hinderte, ſeiner Freundinn
Nachricht von ihm zu geben. Jſabellens ungluͤck-
liche Ehe dauerte nicht laͤnger als acht Jahre, da
ihr eiferſuͤchtiger Tyrann ſtarb, und ihr das An-
denken vieler misvergnuͤgter Stunden, zugleich
aber auch ein anſehnliches Vermoͤgen verließ, wel-
ches durch den Tod ihres Vaters um die Haͤlfte
vermehrt ward. Nun war ſie Herr von ihren
Schaͤtzen, und ihrer Hand. Sie ſuchte ihren

Diego;
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[106/0128] Antons Panßa von Mancha zu verſtehen, daß ſie nunmehr durch Beſchleuni- gung der Heirath die beſte Gelegenheit habe, dem Diego zu zeigen, wie uneigennuͤtzig ihre Liebe ſey. Der Vater, ein vollkommener Kaufmann, war ganz andrer Meynung. Er rechnete nach, und fand, daß Diego nicht liebenswuͤrdig genug ſey. Seine Tochter zwang er, einen reichen Wittwer zu heirathen, deſſen kraͤnklicher Koͤrper alle Hoff- nung machte, daß er bald ſterben wuͤrde. Der ungluͤckliche Diego hatte das Verſprechen der Ael- tern, und das Herz der Jſabelle vor ſich; aber er war zu arm, als daß der Richter ſeine Anſpruͤche haͤtte billig finden ſollen. Es war ihm unmoͤg- lich, laͤnger an dieſem Orte zu leben. Er floh in ſeinem achzehnten Jahre aus ſeinem Vater- lande; und Jſabelle, die nur ihr ſechzehntes Jahr erreicht hatte, war bey einem ſehr zaͤrtlichen Ab- ſchiede zu tugendhaft, ihm etwas mehrers zu erlau- ben, als die Hoffnung, daß ſie ihn ewig lieben werde. Diego ſuchte, nach den Regeln der ſpa- niſchen Romane, ſeinen Tod im Kriege. Die- ſen fand er nicht; aber dafuͤr eine traurige Ge- fangenſchaft, welche ihn hinderte, ſeiner Freundinn Nachricht von ihm zu geben. Jſabellens ungluͤck- liche Ehe dauerte nicht laͤnger als acht Jahre, da ihr eiferſuͤchtiger Tyrann ſtarb, und ihr das An- denken vieler misvergnuͤgter Stunden, zugleich aber auch ein anſehnliches Vermoͤgen verließ, wel- ches durch den Tod ihres Vaters um die Haͤlfte vermehrt ward. Nun war ſie Herr von ihren Schaͤtzen, und ihrer Hand. Sie ſuchte ihren Diego;

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/128>, abgerufen am 23.11.2024.